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Amtsgeheimnis: Pro und Kontra

Recht auf Information und Meinungsfreiheit in offener Gesellschaft

Hans Högl

Österreichs Regierung ringt schon lange darum, das Amtsgeheimnis aufzuheben. Es geht also um das Informationsgesetz. Meist wird das Thema in Medien beiläufig erwähnt und ein Gesetz gefordert. Doch dies bedarf der Erläuterung und Differenzierung. Es gilt zu unterscheiden: zwischen dem freien Zugang zu Informationen und der Freiheit, seine Meinung weiterzugeben. Ich bringe hier Überlegungen aus dem Buch „Redefreiheit“ von Timothy Garton Ash (2016 ) mit dem Untertitel „Prinzipien für eine vernetzte Welt“ (Hanser Verlag). Timothy G. Ash ist Professor in Oxford und Stanford.

Geheimhaltung ist eine mächtige Waffe der Herrschenden, die der antike Historiker Tacitus als arcana imperii bezeichnet. Zu den USA: Allein bei Besitz von als geheim klassifizierten Material wird Anklage erhoben, doch meist nur in Kombination von Besitz und Publikation. Das war bei den Pentagon Papers 1971 der Fall.

Der chinesische Historiker Xu Zerong wurde zu 13 Jahren Gefängnis bestraft, weil er Kopien über den längst vergangenen Koreakrieg an einen südkoreanischen Wissenschafter weitergegeben hatte (S. 494). Zudem wurde das Material erst n a c h dem Urteil des chinesischen Gerichts als „streng geheim“ erklärt.

Timothy Ash: Der Kampf gegen Terrorismus und Krieg verlangen Geheimhaltung, und Ash erwähnt, dass die Alliierten mit Erfolg den Ort ihrer Landung in der Normandie vor Hitler geheim hielten. Hätte Obama über die Festnahme von Osama Bin Laden informieren sollen? Eine gewisse Geheimhaltung ist für Politik nötig. Aber wie ist Transparenz und Rechenschaftslegung in Einklang zu bringen?

Geheimhaltung wird missbräuchlich genutzt, so war der Verdacht versus Saddam Hussein erfunden, über Massenvernichtungswaffen zu verfügen. Im Irakkrieg kamen mindestens 100.000 Menschen ums Leben und Millionen wurden obdachlos (S.500 ).

Eine Expertengruppe verfasste 1995 im Sinne der Menschenrechte die Johannesburg-Prinzipien zu legitimen /illegitimen Interessen des Staates. 2013 wurden in Südafrika die Tshwane-Prinzipien von einer Expertengruppe aus 70 Ländern formuliert:

Legitim dürfen Waffensysteme und Verteidigungspläne für nationale Sicherheit geheim gehalten werden. Das Recht auf Enthüllung ist gegeben: bei Missachtung der Menschenrechte, des internationalen Rechts und wenn Gefangene gefoltert oder ermordet werden, ferner Militärausgaben und Bereiche der öffentlichen Gesundheit oder der Umwelt (S. 507). NB. In Schweden können alle in die Steuerakte anderer Einblick nehmen.

Aschenbrödel-Info: Über 100 Millionen Arme in der EU!

In einer Zeitung muss man alles lesen. Auch das Kleinste. Das schrieb der französische Präsident De Gaulle. Hier ein eklatanter Fall: Eine niedliche Kurzinfo über extrem Folgenreiches.

Hans Högl

Ich schätze die „Wiener Zeitung“, aber etwas war heute ärgerlich. Sehr. Ein kritischer Blick auf ihre Gestaltung, auf das Layout. Von US-Präsidentschaftskandidat Sanders handelt ein umfangreicher Bericht mit fünf großen Spalten und parallel dazu ein großes Foto. Sanders kämpft um seine letzte Chance. Das ist recht wichtig für die US-Amerikaner. Dann darunter: Die Tumulte im Hongkonger Parlament. Das ist recht wichtig für Hongkong! Auch diesen dreispaltigen Bericht unterstreicht ein Foto. Der Text zählt 43 Zeilen und ist wie folgender auf Seite fünf.

Dagegen ist ein für uns Europäer äußerst wichtiger Text winzig! Er hat nicht 43 Zeilen, sondern 12, also rund ein Viertel des Hongkong-Berichtes. Worum geht es? Auf 12 winzigen Zeilen und als völlig nebensächlich im Layout (ganz rechts unten) in der Rubrik „Kurz notiert“ auf Seite fünf heißt es mit einem niedlichen kleinen Titel: „Armut in der EU sinkt“.

Und dann geht aus dem völlig beiläufig platzierten Text hervor: Im Vorjahr waren 109,2 Millionen Menschen oder 21,7 Prozent (also jeder fünfte Mensch in der EU) von Armut betroffen. Und es gibt sogar einen Rückgang um 0,8 Prozent (das sind 2,7 Mio Menschen. Laut einer Eurostat-Aussendung war weiterhin Bulgarien mit 32,8 Prozent negativer Spitzenreiter. D.h. jede dritte Person in Bulgarien ist arm. Und das faßt die „Wiener Zeitung“ (17. Okt.) unter dem Titel „Armut in der EU sinkt“ zusammen. Es ist ein peinliches Eingeständnis, dass in der EU riesige soziale Probleme bestehen, die möglichst wenig bewusst werden sollen.

Nicht zufällig verachten Medienpraktiker das Publizistikstudium. Das hat gute Gründe. Eine wissenschaftliche Analyse schärfte meinen Blick für Irreführungen durch Medien. Dies war die Textanalyse in meiner Dissertation über die „Pentagon Papiere“ zum Vietnam-Krieg: Ich verglich dazu „Le Monde“ mit der „Frankfurter Allgemeinen“. So entdecke ich leichter inhaltliche Verzerrungen, aber auch Leser werden das bemerken. Keine Frage: Der euphemistische Titel „Armut in der EU sinkt“ soll so wenig wie möglich gelesen werden! Es gilt die Schliche der Chefredakteure zu durchschauen.