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Bedrohliches Kriegsgetöse (1)

In den Medien häufen sich bange Prognosen, dass es nur mehr eine Frage der Zeit sei, bis Russlands Präsident Putin auch weitere Teile Europas überfällt. Vor diesem Hintergrund wollen auch manche Akteure in Österreich das Bundesheer „kriegsfähig“ machen.

Wolfgang Koppler *

Fast wie bestellt zum im April bevorstehenden 75.Jahrestag der Gründung der NATO werden überall Unkenrufe laut, dass Russland in einigen Jahren Europa überfallen könnte, weil der kriegslüsterne Putin, sollte er im Ukrainekrieg nicht besiegt werden, dann vielleicht Lust auf mehr hätte. Im Presseklub Concordia beklagte Oberst Reisner die postheroische Gesellschaft in Österreich und den mangelnden Wehrwillen – im Gegensatz zu den seiner Ansicht nach opferbereiteren Gesellschaften Russlands und der Ukraine. Seinen Doktorvater Lothar Höbelt wird es wahrscheinlich freuen. Obwohl Reisner keine Antwort auf die Frage wusste, warum sich in der Ukraine und Russland so viele dem Wahnsinn zu entziehen suchen.

In der gestrigen ZiB2 wurde ebenfalls die Kriegshysterie geschürt, indem man über die Aufrüstungsabsichten des Heeres und die Befürchtungen von Heeresexperten berichtete, die 1 zu 1 jenen der NATO ähneln. Und der Generalsekretär des Außenministeriums musste Armin Wolf erklären, dass er als Beamter an die Verfassung und somit an das Verfassungsgesetz über die Neutralität gebunden sei. Der hohe Beamte des Verteidigungsministeriums hatte zuvor den apodiktischen Satz geäußert: „Österreichs Neutralität bietet keinen Schutz“.

Die russische Armee war in zwei Jahren Krieg weder imstande, Kiew, noch den gesamten Donbass einzunehmen. Und ein Angriff auf die NATO ist wohl ziemlich unwahrscheinlich, zumal Russland damit kämpft, seine Wirtschaft am Laufen zu halten. Und Putin wäre in 8 Jahren 80. So er dann angesichts seiner Chemotherapien noch lebt.

Naheliegender ist, dass die Mittel für die geplante Aufrüstung überall fehlen werden. Ob im sozialen Wohnbau, im Klimaschutz und in der Entwicklungszusammenarbeit.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Medial aufgeheizte Kriegsstimmung

Der Angriff Russlands auf die Ukraine jährt sich nun das erste Mal. Anlass für militärische Durchhalteparolen nahezu aller Medien zugunsten eines ukrainischen Sieges auf dem Schlachtfeld. Befürworter von Verhandlungslösungen kommen hingegen nur eingeschränkt zu Wort, wie etwa in der jüngsten ORF-Sendung Im Zentrum.

Wolfgang Koppler *

Jahrestage sind manchmal schon gefährlich, wenn sie an Vergangenes erinnern. Emotionen werden aufgewühlt, Positionen verhärten sich und statt ehrlicher und sachlicher Aufarbeitung kommt es nur zur großen Keilerei – zumindest verbal. Lernprozesse bleiben dabei regelmäßig auf der Strecke.

Gerade deshalb wollte ich mir die Diskussion zu diesem traurigen „Jubiläum“ bei „ORF-Im Zentrum“ eigentlich nicht mehr ansehen. Noch dazu, wenn drei eindeutig festgelegte Diskussionsteilnehmer (der ukrainische Botschafter in Wien, eine polnische EU-Abgeordnete, Oberst Reisner vom Bundesheer) – von der Moderatorin meist noch mit entsprechenden Fragen unterstützt – nur zwei Verhandlungsbefürwortern (der linken Abgeordneten Demirel und dem Journalisten Seipel) gegenüberstanden, die man des Öfteren nicht einmal ausreden ließ.

An Argumenten zunächst nicht allzu viel Neues. Botschafter Khymynets vertrat natürlich die Position der ukrainischen Führung: Verhandlungen erst bei vollständigem Abzug der russischen Armee. Schadensersatz durch Russland und Verfolgung der russischen Kriegsverbrechen. Das Land, das sich verteidige, habe Recht auf jede Hilfe. Würde die Ukraine mehr Hilfe bekommen, könnten weitere Gebiete befreit werden. Ähnlich die polnische EU-Abgeordnete Thun. Sie sprach im Wesentlichen davon, dass man auf die Ukrainer hören und sie bedingungslos unterstützen müsse.

Die linke EU-Mandatarin Demirel bestritt natürlich nicht, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handle, verwies aber auch auf völkerrechtswidrige Angriffe der NATO und vor allem auf die Auswirkungen des Krieges, die weit über die Ukraine hinausgingen. Im Übrigen hätte selbst die Ukraine in den ersten Kriegsmonaten verhandelt. Sie verglich – durchaus treffend – die Stimmungslage mit jener vor dem ersten Weltkriegs. Auch damals glaubten alle an den gerechten Krieg. Wer`s nicht glaubt, möge bei Stefan Zweig und Karl Kraus nachlesen.

Der Journalist und Dokumentarfilmer Seipel meinte, man sollte sich trotz des Krieges immer noch die Gründe auch der anderen Partei ansehen. Im Übrigen würde man derzeit Notlieferungen statt Verhandlungen betreiben, sodass wohl Letztere sinnvoller seien.

Oberst Reisner vertrat natürlich die Position des Westens bzw. jene von NATO und EU, aber einige Äußerungen ließen doch aufhorchen: So schimmerte durch, dass die Positionen Russlands vor dem Krieg (auf die Seipel Bezug nahm) nicht völlig unverständlich waren, wenn er meinte, dass „Russland auch anders als mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg hätte reagieren können“. Russland hätte der Ukraine nun einen Abnützungskrieg aufgezwungen und es bestehe die Gefahr, dass die Unterstützungsbereitschaft des Westens nachlasse. Was Verhandlungen betrifft, so wolle Russland jetzt nicht verhandeln, das sei „vielleicht im März noch so gewesen, aber jetzt nicht mehr“ (Seltsam: Major Feichtinger hat die damaligen Verhandlungsergebnisse vor einigen Tagen in der ZiB2 noch als Friedensdiktat bezeichnet).

Die Moderatorin Claudia Reiterer sprach schließlich von einer verminten Diskussion (was angesichts der Forderung nach Streuminen und deren fürchterlichen Auswirkungen etwas deplatziert wirkte), verwies aber dann doch auf die Politologin Ursula Schröder: Weg von der Dichotomie. Entkoppelung der Diskussion über Waffenlieferungen von jener über Verhandlungen. Waffenlieferungen ohne Verhandlungen machen wenig Sinn.

Es muss ja kein entweder oder sein. Hat wirklich jemand in den letzten Monaten ernsthaft mit den Russen verhandelt? Mit Putin und Selenskyj Tacheles geredet? Wenigstens im Hintergrund? Glaubt jemand ernsthaft angesichts des militärischen und wirtschaftlichen Potentials des Westens und der in den Medien genügend aufgeheizten Kriegsstimmung an ein „Im Stich-Lassen“ der Ukraine? Ist nicht eine Eskalation viel wahrscheinlicher?

Vielleicht doch ein Ansatz zu einem Lernprozess. Statt Churchill gegen Peter den Großen antreten zu lassen. Im 21.Jahrhundert.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Ein Videotipp :

Aufzeichnung einer differenzierenden Debatte zum Thema „Ukrainekrieg und die Berichterstattung westlicher Medien“ im Presseclub Concordia in Wien.
Eine Veranstaltung der Vereinigung für Medienkultur :