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Wie die „Wiener Zeitung“ überleben kann

Auch wenn aus vielen Bereichen der (Zivil-)Gesellschaft Unterstützung für die von der Einstellung bedrohte „Wiener Zeitung“ signalisiert wird, ist vor allem medienpolitische Kreativität nötig, damit die älteste Tageszeitung der Welt überlebt.

Franz Schlacher

(Hervorhebungen im Text durch den Autor dieses Beitrags.)
Vielen Dank an die FURCHE-Redaktion für die Abdruckgenehmigung für die Originalzitate.

In seinem Artikel „Wiener Zeitung“ neu (FURCHE, 15. April 2021, S. 21) skizziert Fritz Hausjell, Medienhistoriker und Medienwissenschafter an der Universität Wien, wie die Wiener Zeitung doch noch gerettet werden könnte.

Hintergründe

Fritz Hausjell bedauert, dass die für Medienpolitik Zuständigen in der Regierung beharrlich schweigen, obwohl medienpolitische Kreativität gefragt wäre.
Dass es klassischen Medien schlecht gehe, liege unter anderem daran, dass sie durch schwere Wirtschaftskrisen und nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie erhebliche Teile ihrer Werbeeinnahmen verloren haben. Zusätzlich verschieben sich immer mehr Werbegelder in den Onlinemedien-Bereich und in die Social-Media.

Journalismus werde seither in den meisten Ländern in weniger von einander
unabhängigen Titeln angeboten und durch schwächer ausgestattete Redaktionen erarbeitet. Zugleich wüchsen die Aufwendungen der Public Relations von Unternehmen, Organisationen und Regierungen, die damit den Journalismus zu steuern versuchen.

Fritz Hausjell:

„Diese Mittel werden ohne nachvollziehbare Kriterien vergeben und entziehen sich einer Plausibilitätskontrolle. In einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit stellt dies ein klassisches Einfallstor für inhaltliche Wünsche seitens der Regierung gegenüber Medien dar und sorgt zum Teil für publizistisches Wohlverhalten.

Für eine liberale Demokratie ist diese Schwächung des klassischen Journalismus aus mehreren Gründen gefährlich: Der Wettbewerb der besten politischen Ideen wird nicht mehr in der gesamten Vielfalt publizistisch begleitet. […] Die wichtige Kritik- und Kontrollfunktion des klassischen Journalismus schrumpft auf wenige Medien, die entweder das Risiko eingehen, auf Regierungsinserate zu verzichten, und auf vermehrten Publikumszuspruch durch weiterhin kritischen Journalismus setzen oder sich anders finanzieren.“

Eine „Ideenskizze“ von Fritz Hausjell zur Rettung der Wiener Zeitung:

Laut dieser „Ideenskizze“ bieten sich mehrere Wege an:

„Die Wiener Zeitung

organisationsrechtlich in eine öffentliche Stiftung transferieren und anstelle der wegfallenden verpflichtenden öffentlichen Ausschreibungen und Bilanzen von börsennotierten Unternehmen

eine Grundfinanzierung aus einer Medienhaushaltsabgabe, die vorerst noch als Rundfunkbeitrag (GIS) eingehoben wird. Für diese privilegierte Finanzierung respektiert sie dann eine niedrig eingezogene Obergrenze im Bereich der Einnahmen aus kommerzieller Werbung, um gegenüber den Mitbewerbern am klassischen tagesaktuellen Print- und Onlinemarkt keine Wettbewerbsvorteile zu haben.

Ein Entwicklungslabor für den klassischen tagesaktuellen Journalismus, der weiterhin gedruckt und zugleich in verschiedenen digitalen Kanälen distribuiert wird, sollte sie sein.

Für die publizistische Unabhängigkeit sorgen:

a) eine mittelfristige Absicherung der finanziellen Mittel auf jeweils zehn Jahre,

b) ein Stiftungsrat, der zu einem Drittel aus Personen mit politischer Nähe (in der Stärke der parlamentarischen Verhältnisse) und je einem Drittel aus Fachleuten aus Medien sowie fachlich relevanten Wissenschaften (jeweils ohne politische Nähe) besteht, und

c) das entsprechend adaptierte Redaktionsstatut.

Zugleich erhält die neue Wiener Zeitung einen
publizistischen Auftrag: Sie soll unparteilichen Journalismus leisten, der Regierung wie den Oppositionen gleichermaßen prüfend äquidistant gegenübersteht. Sie soll nach modernsten Antworten auf die publizistischen Herausforderungen suchen.“

Medienkompetenz der Jungen fördern

Um die Erfolge der Innovationen breit und laufend testen zu können, wird die neue Wiener Zeitung allen 15- bis 20-Jährigen für zumindest sechs Jahre kostenlos im Abo (Print wie digital) zur Verfügung gestellt. Zudem wird ein zweites Gratis-Abo einer frei wählbaren (sonst kostenpflichtigen) Zeitung zur Verfügung gestellt, wobei jedes Jahr eine andere Zeitung zu wählen ist. Dadurch lernen Erst- und Jungwähler zumindest die Hälfte der derzeit noch „lebenden“ Tageszeitungen ausführlich kennen.

Damit leistet sich die Gesellschaft eine Versachlichung der Debatten und steuert frühzeitig gegen eine Teilung der Republik in gut und schlecht informierte Bürger. Die Wiener Zeitung würde von der unterschätzten Tageszeitung der Republik zu einem noch moderneren Medium der republikanischen Gesellschaft. Medienkompetenz in der jungen Generation bekäme einen Schub, Fake News und Propaganda täten sich deutlich schwerer und demokratische Entscheidungen hätten ein besseres Fundament.“