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Umstrittenes Venezuela

Hans Högl

Qualität von Medien ist ein zentrales Anliegen unserer „Vereinigung für Medienkultur“.Dieses Bemühen setzt allerdings Presse (Medien)-Freiheit voraus.Die Pressefreiheit wird von der extremen Rechten, aber auch extrem links in Frage gestellt. Im letzteren Fall wird das Prinzip Parteilichkeit bejaht und argumentativ betont, es könne gar keine andere Information als solche der Parteilichkeit geben. Dies zu widerlegen ist im Prinzip nicht so einfach, als es den Anschein hat. Aber es kann gesagt werden, etwas anderes als Parteilichkeit ist es, sich wirklich um Objektivität zu bemühen, wenngleich dies journalistisch schwer erreichbar ist – vor allem keine absolute Objektivität. Aber darum kann es menschlich nicht gehen. Diese ist selbst für Historiker kaum erreichbar. Fakt ist, dass die Hamburger „Zeit“ als eine der besten Medien im deutschsprachigen Raum gilt, in welcher sehr differenzierte und auch gegensätzliche Informationen oder Kommentare Platz finden. Und darum bringe ich die ersten Sätze der „Zeit“ von Heute, dem 9. Mai (S. 8 f.), über ein Land, nämlich über Venezuela, worüber sehr unterschiedlich argumentiert wird.

Der Titel lautet: Wer zerrt an Venezuela? Untertitel: Das ölreichste Land der Welt steckt in einer tiefen Krise. Mehrere Großmächte ringen um Einfluss. „Das südamerikanische Land ist zum Schauplatz der Geopolitik geworden….Vor zwanzig Jahren kam die Sozialistische Partei in Venezuela an die Macht, die den Reichtum des Landes gerechter verteilen wollte. Das Experiment endet jedoch in einer Diktatur aus korrupten Politikern und Militärs, die sich bereichern und die Wirtschaft des 31 Millionen Einwohner zählenden Landes ruinieren – auf Kosten der Armen. Hyperinflation und Hunger quälen das Land.“

„Le Monde Diplomatique“ argumentierte vor einiger Zeit, dass im Bereich der Wirtschaflichkeit in Venezuela große Fehler begangen wurden.Anstelle von Wirtschaftsexperten wurden unfähige Parteigänger eingesetzt. Selbst Supermächte wie die USA können nicht maßlos Geld ausgeben, so wurde der US-Dollar nach dem Vietnam-Debakel um die Hälfte abgewertet.

Osteuropa tickt anders. Sicht eines Politologen

Hans Högl:

Ivan Krastev ist Politologe am angesehenen „Institut für die Wissenschaften vom Menschen“ (IWM) in Wien, und er leitet das Zentrum für Liberale Studien in Sofia und schreibt für die „New York Times“. In Österreichs Medien ist er marginal präsent, doch „Datum“, eine Zeitschrift mit sehr geringer Auflage, brachte ein längeres Interview. Aber generell wird er in unseren Medien de facto inhaltlich nicht rezipiert. Auch für deutsche Feuilletons w ä r e n seine Analysen von großer Relevanz… sie wären es.

Hier ein kurzer Ausschnitt aus „Le Monde Diplomatique“ von Ivan Krastev:

„In Zentraleuropa erleben wir den Aufstieg der verunsicherten Mehrheit zum politischen Hauptakteur. Hier fühlen sich die Menschen weniger durch Migranten bedroht – die ja gar nicht in ihren Ländern leben wollen – als vielmehr durch das Vakuum, das die massenhafte Emigration der letzten zehn Jahre hinterlassen und ein Gefühl kollektiven Verlusts erzeugt hat.

Das verweist auf den Unterschied zwischen der nationalistischen Mobilisierung im Westen und im Osten. Im Westen wollen die Nationalisten keinen einzigen Fremden reinlassen. Im Osten wollen sie, dass niemand wegzieht und einige der Ausgewanderten zurückkommen.“

Wer diese Position fundierter zu erfassen sucht, dem sei empfohlen, den Essay zu lesen: Ivan Krastev: Europadämmerung (Suhrkamp TB). Meine Schlussfolgerung: Ein Gutteil der Kommentatoren und Entscheidungsträger im westlichen EU-Europa war bei der Migrationskrise nicht fähig, nicht willens oder schlechthin ignorant, die spezifische Situation unserer östlichen Nachbarländer mit Empathie zu verstehen und deren prekäre, sozial-wirtschaftliche Welt und ihre Probleme mit Minderheiten wahrzunehmen. Und da rühmen sich nicht wenige, Weltbürger zu sein.