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„Woke“- was ist das?

„Woke“- ein Begriff, der zurzeit nahezu inflationär verwendet wird.

Hans Högl

hat folgendes Zitat aus der deutschen Zeitschrift „Publik-Forum“ Nr.8, 2023, ausgewählt :

„Der Begriff „woke“ kommt aus der afro-amerikanischen Bürgerbewegung, vom Wort „wake“ wachen und „sich bewusst werden“. Es lässt sich frei übersetzen als „aufgewacht“ oder „wachsam“ gegenüber Diskriminierung. Der Begriff wird seit den 1930er Jahren verwendet. Um 1960 ging es vor allem um Diskriminierung schwarzer Menschen in der Wohnungs- und Schulpolitik.

Seit zehn Jahren rückt das Wort in unseren Medien in den Blick – zuerst über die Black-Lives-Matter-Bewegung, dann fand es Eingang in Diskurse über Sexismus und Queerfeindlichkeit. 2021 wurde das Wort in den Duden aufgenommen. Nun lauert „Woke“ an jeder Ecke. Da ist von einer „woken“ Elite oder einem Mob die Rede, die nichts anderes im Sinn haben, als Menschen mundtot zu machen.

Das erspart, zu argumentieren für die, welche Schlagwörter vor sich her tragen. So werfen „Wokies“ und deren „anti-woke-Gegner“ sich gegenseitig Sprech- und Denkverbote vor. Dies dient dazu, dem anderen die eigene Überlegenheit unter die Nase zu reiben.“

DER ZÜRCHER TAGES-ANZEIGER FRAGT HEUTE:
Ist der Muttertag anti-woke? WAS SOLL DAS FRAGE ICH!

Diskursverweigerung? Vermeiden, mit Andersdenkenden zu reden?

Hans Högl

Gestern trafen sich diverse NGOs. Und es entstand eine Streitfrage. Meiner „Initiative Zivilgesellschaft“ (IZ) machte die Sprecherin S von einer öko-sozialen NGO einen massiven Vorwurf. S machte folgende Erfahrung: Bei einer Tagung der IZ referierte Professor X, der in der Anti-Atombewegung verankert war, ferner den Finanz-Dschungel kritisiert und im Sinne der Landwirtschaft den EU-Austritt befürwortet, und Professor X ist neuestens islamophob.

Auch uns in der IZ fiel die Fremdenfeindlichkeit auf, und so erwogen wir selbstkritisch unser Verhalten zu Prof. X. Ein IZ-Vorstandsmitglied argumentierte: In der ATTAC wird es abgelehnt, mit solchen Leuten in eine Diskussion zu treten. Ich vertrat die Position, Prof. X solle sich erklären. Dies im Sinne von wechselseitigem Verständnis.

Gestern erneuerte Sprecherin S den Vorwurf, in der IZ rede man mit einem Ausländerfeind und S deutete an, ihre NGO kappe den Kontakt zu unserer IZ. S präsentiert einen breiteren Trend: den der Dialogverweigerung mit politisch Andersdenkenden. Darum sei es hier Thema. Ich wundere mich: Es ist doch soviel von Inklusion und Integration die Rede.

Ich argumentierte im Sinne von Jürgen Habermas (H.) für einen konstruktiven Diskurs. Für H. sind alle Menschen als gleich und frei und als zum vernünftigen Miteinander fähige Subjekte zu betrachten. Er prägte Begriffe, die zu Diskursmarkierungen wurden: Ihm rutschte das Wort „Linksfaschismus“ aus – gerichtet gegen einen gewalttätigen Flügel der studentischen Linken von 1968, ferner prägte er das Wort der neuen „Unübersichtlichkeit“ und in der EU sah er eine „post- und transnationale Konstellation“. Für uns ist hier der Begriff des „herrschaftsfreien Diskurses“ von näherem Interesse.

Habermas meint das Gespräch zwischen Menschen, die sich um eine gesellschaftliche Ordnung bemühen, und es darf kein Gesprächspartner von vornherein als „unwürdig“ ausgeschlossen werden. Es gibt nach Habermas eine Ebenbürtigkeit von Menschen. Diese Position vertrat ich versus S. Ein einziges Gespräch wird zwar nicht die Welt ändern, aber wir sollten miteinander reden und nicht von vornherein andere ignorieren bzw. verächtlich machen.