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Nawalny- eine Gefahr für Russlands Elite

Kritik an Medien über die Vergiftung von Alexei Nawalny. Die Drehzahl der Medienwelt ist schneller als die reale Welt.

Hans H ö g l

Auf zwei kritische Punkte im Fall der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny sei verwiesen: Erst kürzlich wurde in Berlin nachgewiesen, dass Alexei Nawalny vergiftet wurde. Doch schon längst gebärdeten sich viele Medien so, als wäre die Vergiftung eine Tatsache. Diese Vor-Verurteilungen sind kein E i n z e l f a ll. Es ist in Medien ein vorschnelles Als-Ob-Getue von Kenntnissen.Dafür gab es vorher Indizien, aber keinen Nachweis.

Die zweite Kritik bezieht sich auf Urheber der Vergiftung. Diese wird fast nur der russischen Regierung bzw. der Administration oder den Geheimdiensten angelastet. Tatsache ist, dass Alexei Nawalny nicht nur ein politisch einflussreicher Oppositioneller der russischen Regierung war, sondern dass er auch die Machenschaften von Oligarchen scharf kritisiert hatte. Auch von dieser Seite machte sich Nawalny große Feinde. Dies wird in der Regel in Medien ausgeblendet. Nawalny stellt also für Russlands Mächtige eine doppelte Gefahr dar: Er warf auch auf die Machenschaften der wirtschaftlichen Elite, den Oligarchen, ein grelles Licht.

Europa erfahren: Brüssel, Wien, München

Wir Europäer reisen nach Asien, Amerika, aber kennen wir unser Europa? Vergleichen wir doch angesichts der Hitze europäische Städte – im Blick auf Freibäder und blicken wir auf den Wohnungsmarkt. Dies als Kurzbeitrag unseres Blogs, der inhaltlich abzurunden wäre. Aber doch: Wo erfahren wir das in Medien? Hier also die Sicht eines Wieners, der versucht, objektiv zu berichten – und dies mit der Intention zum besseren Verständnis der Länder. Ich habe an anderer Stelle Positiva über die Weltoffenheit der Belgier geschrieben und die Sprachkenntnisse der Flamen hervorgehoben.

H a n s H ö g l

Heute meldete der österreichische Kultursender Oe 1 Überraschendes: Brüssel sei ohne Freibäder. Und dies bei einer Hitze von 41 Grad Celsius. (NB. Der Name Celsius-Grade verweist auf einen schwedischen Wissenschafter). Doch weit außerhalb von Belgiens Hauptstadt – bei Waterloo- ist eines. Wien hat ein halbes Dutzend Freibäder, ferner es laden auch die Neue und Alte Donau zum Schwimmen ein. Und schon 1,7 Mio Gäste besuchten in diesem Sommer die Wiener Bäder.

Wer in Belgien als Österreicher lebt, staunt dort über Vorurteile und Unkenntnis Österreich betreffend. Kommen Belgier nach Wien, sind sie überrascht über die Lebensqualität und Schönheit von Wien. Ähnliches gilt für Österreich-Urlauber – auch aus den Niederlanden.

Doch manch` wechselseitige Unkenntnis macht betroffen. So bekannte mir gegenüber ein holländischer Korrespondent, seine Landsleute wissen, was sich bei ihren großen Nachbarn England, Deutschland und Frankreich ereignet, aber Österreich wird nicht beachtet, es sei denn eine radikale Anti-Ausländerpartei fällt aus dem Rahmen. Doch Umgekehrtes gilt auch: Unsere Landsleute und die veröffentlichte Meinung agieren teilweise unbewusst so, als wäre Deutschland ganz Europa. Die Größe und Bedeutung Frankreichs kommt viel zu wenig in den Blick. Und über Belgien weiß man ein paar Klischees.

Ein Blick auf die Wohnsituation: In Wien leben 500.000 Menschen in immer noch preisgünstigen (Sozial) Gemeinde-Wohnungen. Zweifellos ist dies ein historisches Verdienst der sozialdemokratischen Stadtregierung (SPÖ). Hingegen beklagen Münchner ihre exorbitanten Wohnungskosten. Auch in Wien stiegen im letzten Jahrzehnt die Preise für Neubauwohnungen so sehr, dass sie für junge Paare kaum erschwinglich sind. In Berlin hat – laut Magazin „Der Stern“- ausgerechnet die rot-grüne Stadtregierung leistbare Wohnungen verschachert.

Alles in allem ist Wien eine lebenswerte Stadt. Ja- in Lebensqualität ist sie die erste weltweit. Doch ist von Österreich und Wien international die Rede, dann und nur dann, wenn die rechtspopulistische Partei Auffälliges produziert. Und österreichische Geschäftsleute im Ausland verzichten gern, immer wieder darauf angesprochen zu werden.

Wiederbelebung toter Ortskerne

Hans Högl

Architekt Roland Gruber ist ein führender Experte für Entwicklungsstrategien im ländlichen Raum.Er hat auch in Berlin ein Büro und setzt Projekte unter anderem in Westfalen um. Sein Ausgangspunkt ist Österreich.Ihn beschäftigt die Frage, wie kann Leben und Arbeiten im ländlichen Raum für Menschen jeden Alters wieder attraktiv werden und bleiben.Denn junge Menschen verlassen ihre ländlich Heimatgemeinden, und Unternehmen wandern ab.

Gruber.“Der ländliche Raum wird totgeschwiegen. Doch in Österreich stellt er 95 % der Fläche. Das kann man nicht aufgeben.“ Darum verweise ich im Sinne der Medienkultur auf eine außergewöhnlich konstruktive ORF-Sendung, im Radio-Kultursender Ö1, konkret auf die Sendung „Im Gespräch“ mit Renata Schmidtkunz am 25.4. um 21:00 und am 26.4. um 16.05. Die Sendung kann in der ORF-Radiothek eine Woche lang nachgehört werden: oe1.ORF.at/imgespraech

Grubers erstes Projekt war der Stadtkern von Haag in NÖ, einer Kleinstadt im Mostviertel. Um das Zentrum zu beleben, wurde ein Konzept für ein Sommertheater entwickelt. Gruber versucht, positive Chancen zu sehen- so auch im steirische Industrieort Trofaiach. Und es entsteht in Kapfenberg eine neue Gründerzeit, wo die VÖEST ein neues Stahlwerk errichtet.

Der Architekt Gruber sucht jene Bevölkerungskreise miteinzubeziehen, die in der Regel übersehen werden und sich nicht zu Wort melden. Es geht also um intensive Bürgerbeteiligung, um Ideen für Projekte aufzugreifen. Eine Anregung von Gruber: Dörfer und Orte sollten ein paar Wohnungen für Studierende zur Verfügung stellen, wo diese ein halbes Jahr wohnen und das Leben auf dem Lande erfahren könnten. NB. Es gibt verschiedene Typen von Dörfern, so ausgehöhlte Bauerndörfer, aber auch Industriedörfer und solche am Rand von Ballungsräumen.

Der Verfasser diese Zeilen befasste zwischen 1980 und 2000 mit „Aktivierenden Dorfbefragungen“ quer durch Österreich – auch in nicht-touristischen Regionen und hielt Seminare und Vorträge an Universitäten. Dies war ein ähnlicher Ansatz wie jener von Gruber. Daraus entstanden die Bücher Hans Högl: „Hinter den Fassaden des Tourismus. Dörfer im Stress (Studien-Verlag Innsbruck 1995) und „Bin kein Tourist, ich wohne hier“. Neben viel Interesse dafür erntete ich von Berufskollegen und Soziologen auch Kopfschütteln, denn wer wird sich denn schon mit Dörfern befassen?