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Leserbrief: Römische Verträge

Hans H ö g l

An die Kleine Zeitung (Graz) schrieb ich folgenden, bisher nicht  publizierten Leserbrief. Wir greifen in unserem Blog  auch Aspekte auf, die in großen Medien meist unbeachtet bleiben.

Mehrfach nennt Bertram Steiner in seinem Europa-Beitrag Richard Coudenhove-Kalergi. Das ist selten in Medien. Dieser Altösterreicher warb 50 Jahre für das Werden der EU – angesichts anderer Weltmächte. Sein Ziel: Eine gewisse Einheit – bei Wahrung der Vielfalt der Länder und Sprachen. Diese Vielfalt verglich er anfangs mit Indien. Er bahnte im Hintergrund die Gespräche zwischen De Gaulle und Adenauer an, zwischen Ländern, die über tausend Jahre immer wieder wegen des Zwischenreiches Lothringen-Burgund-Niederlande in Kriege verwickelt waren. De Gaulle gewährte R. Coudenhove-Kalergi als Anerkennung die Pension eines Gesandten. Frankreich würdigt bis Heute seine Verdienste. So hatte Europa nach dem 2. Weltkrieg die längste Periode ohne Krieg. Die Montanunion verhindert ein Wettrüsten. Dass die Vereinigung von so vielen Staaten auch Krisen durchmacht, sollte klar sein. Dass Staaten der EU die Steuern von Konzernen massiv begünstigen, wäre ehest wie anderes zu korrigieren.

Unverständlich ist, warum Richard Coudenhove-Kalergi ohne Nobelpreis blieb, rätselhaft ist sein Verschwinden aus Österreichs Schulbüchern! Ein Zeichen von Ignoranz ist es, dass kaum irgendwo eine Straße oder Platz nach ihm benannt wurden. Für das internationale Ansehen Österreichs wäre es nur vorteilhaft, auf ihn stärker hinzuweisen.

Neues Buch über Visionär Europas: Richard Coudenhove-Kalergi

H a n s   H ö g l

Das neue Buch von Walter Göhring über Richard Coudenhove-Kalergi stellt diesen ins Zentrum. Er widmete dem Thema Europa 50 Jahre seines Lebens. Doch davon verliert die EU-Broschüre Die Gründerväter der EU kein Wort. Dagegen hebt Walter Göhring über Richard Coudenhove-Kalergi (=RCK) hervor: „Diesem stillen und zähen Wirken RCKs während der Kriegsjahre 1940 – 1945 ist es größtenteils zu danken, dass die leitenden Staatsmänner Amerikas sowie dessen öffentliche Meinung vertraut wurden mit dem Wesen und Zielen der Paneuropa-Idee“ (p. 146).

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte RCKs Paneuropa-Idee eine Renaissance. 1947 gründete er die Europäische Parlamentarier-Union (EPU), deren Generalsekretär er wurde. Der Kongress in Gstaad 1947, organisiert von RCK, wird „zur Initialzündung zur Gründung der Europäischen Union“, und die Ideen dieser Pioniere finden sich bei der Gründung des Europarates 1949 wieder (p. 155 ff.). 1949 konnte die EPU die Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung durchsetzen – der europäische Parlamentarismus war geboren.

RCK bahnte die Begegnung von de Gaulle und Adenauer in Reims an und inspirierte so den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von 1963 (p. 1 u. 192 f.), und RCK wurde als einziger  Nicht-Politiker zu den Versöhnungsfeierlichkeiten in Reims eingeladen.

Auch EU-Symbole regte RCK an: als Europahymne die „Ode an die Freude“ aus Beethovens IX. Symphonie) (p. 185) und die Europafahne mit 12 Sternen auf blauem Hintergrund (p. 187). Zwischen 1960 -1968 gibt es einen Aktivitäten-Marathon RCKS. Alleine wegen dieser Fakten hätte es RCK verdient, in die genannte EU- Broschüre aufgenommen zu werden.

Walter Göhring hebt hervor, wie sein Friedenspublizist Alfred Hermann Fried den jungen RCK beeinflusste: „Das Lehrbuch für ihn (RCK), mit dem er sich genauestens auseinandergesetzt hat, ist Alfred Hermann Frieds Panamerika.“ Zu breit geriet dem Autor die Verwurzelung von RCK im Freimaurertum.

Zur Unparteilichkeit der Paneuropäischen Union: Der Autor zeigt den Bezug von Österreichs Sozialdemokraten zur Paneuropäischen Union auf, so war der junge Bruno Kreisky ein frühes Mitglied. Dargelegt werden auch Bezüge von RKC zu Seipel (p.76 ff.). Und es ist Dollfuß, der die Amtswohnung des Bundeskanzlers in der Hofburg der Paneuropäischen Union zur Verfügung stellt (p. 83). RCK durchschaut anfangs nicht klar die schrittweise Umsetzung von Hitlers Konzept der „Lebensraumerweiterung“ (p. 127).

Die Kriegsjahre verbringt RCK überwiegend in den USA. Historisch bedeutend sind die Phasen nach dem 2. Weltkrieg mit intensiver, internationaler Hintergrundarbeit und unermüdlichem Wirken von RCK. Auch dem großen Beitrag der Frauen im Umfeld von RCK wird Aufmerksamkeit geschenkt.

In das Werk schlichen sich einige Fehler und Verwechslungen ein, so bei den Bildunterschriften und bei den Frauen, die im Leben von RCK von Bedeutung sind. Heinrich Drimmel legte 1967 seine Tätigkeit bei Paneuropa zurück. Dafür werden unterschiedliche Gründe angegeben: Zum einen seien es Ereignisse, die insbesondere mit Karl Renner zu tun (p. 199) hatten, zum anderen sei es „wegen Otto Habsburg“ (p. 212) gewesen.  Unklar ist, warum der Autor dem Projekt „Groß-Europa“ von Herbert Kraus (p. 254-264) so breite Aufmerksamkeit schenkt.

Den Dank für die überaus intensive Mitarbeit des Zeitzeugen und Vertrauten von RCK, nämlich Lacy Milkovics, drückt der Autor sehr knapp schriftlich aus (p. 270). Es fehlt dessen Erwähnung im Namensregister, und es irritierte die fehlende Begrüßung bei der Buchpräsentation. Auch der Coudenhove-Festakt 2013 im Haus des Europäischen Parlaments, initiiert von der Vereinigung für Medienkultur, wurde nicht erwähnt (Vgl. Science@orf.at   23.10.2013). Dieser motivierte den Autor, sich auch mit RCK zu beschäftigen – abgesehen von Alfred Fried.

Nicht erwähnt wird, dass Jörg Haider einige Jahre Vize-Präsident der Paneuropäischen Union war.

Aufschlussreich sind im Werk die Kästchen, in denen Positionen von Parteien und Personen zur Paneuropa-Idee gegenübergestellt werden (p. 104), und recht übersichtlich sind die unterschiedlichen Perspektiven auf ein neues Europa in der Mitte der 1950er Jahre – von RCK, Charles de Gaulle und von Schuman, Spaak, Monnet (182). Alles in Allem rückt das Werk RCK  wieder in den Blick, und dies in einem angenehm flüssigen Stil.

RCK war Europäer par excellence: Altösterreicher von Geburt, dann tschechischer Staatsbürger (er bekam von Präsident Masaryk einen Diplomatenpass) und wurde Franzose und erhielt eine Pension im Range eines Botschafters, stillschweigend veranlasst durch Präsident De Gaulle.

Göhrings Buch bietet eine Reihe neuer Erkenntnisse, und das Werk ist eine zeitgeschichtliche Fundgrube. Walter Göhring ist Historiker, Publizist und Erwachsenbildner, und es entstanden parallel zum Buch pädagogisch wertvolle Ausstellungstafeln.

Walter Göhríng: Richard Coudenhove-Kalergi. Ein Leben für Paneuropa (Wien 2016, Verlag Kremayr & Scheriau). Quellenangaben und Namensregister, 288 Seiten.