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„Gute Nacht, Demokratie!“

Demokratiepolitische Gefahrenpotentiale rund um Millioneninserate und sonstige finanzielle Unterstützung von Medien erscheinen keineswegs gering. Eine Entwicklung, die die Medienvielfalt weiter einzuschränken droht.

Ilse Kleinschuster *

Kürzlich im Südwind-Magazin www.suedwind-magazin.at/millionen-fuer-die-massenmedien war zu lesen:

„Einige wenige bekommen sehr viel Geld und bleiben dementsprechend mächtig. Eine Stärkung der Medienvielfalt schaut anders aus.“

Mag sein, dass die Medienkrise zuvorderst eine ökonomische und regulatorische ist! Ich kann mir aber schwer vorstellen, dass in Folge der Journalismus in Österreich derart unterminiert wird, denn würde das nicht bedeuten, dass mit dem Wegfall sämtlicher öffentlicher Förderungen und Inserate in der Mehrzahl der noch bestehenden Tageszeitungen und in etlichen Verlagen das Licht ausgeht. Und das ist von Seiten der Politik wohl nicht gewollt!?!

Ich könnte mir vorstellen, dass es auch in Österreich möglich wäre, dass der Wegfall öffentlicher Subventionen die Zahlungsbereitschaft der Menschen für unabhängige Medien beflügeln könnte. Zeigt sich vielleicht bereits ein neues Mäzenatentum im Journalismus? Wie steht es denn wirklich mit dieser Vertrauenserosion und dem behördlich verfolgten Verdacht gekaufter Berichterstattung?!?

Das ist wohl das Schlimmste, was einer Massendemokratie passieren kann: Massenmedien ohne journalistisches Ethos des Boulevards! Wenn sie die Komplexität des Zeitgeschehens nicht mehr allgemein verständlich vermitteln können, ohne dabei zu manipulieren, dann Gute Nacht, Demokratie! „Mehr als an Geld, fehlt es also der Politik an Willen gute Rahmenbedingungen zu gestalten“, so Walter Hämmerle in „Die unreife Republik – zum Zustand Österreichs“.

Tja, aber wie steht’s mit dem Willen der Bürgerschaft dysfunktionale Dinge zu verändern? Das Selbstbewusstsein der Österreicher hält der ehemalige Chefredakteur der „Wiener Zeitung“ und heute Chef der Innenpolitik bei der „Kleinen Zeitung“ für unterentwickelt. Er mahnt eine parteiübergreifende Initiative für bessere Verwaltung ein, um dieser „Alibipolitik, wo das Erzählte reicht und nicht das Erreichte zählt“, ein Ende zu bereiten.

* Ilse Kleinschuster ist Journalistin und ein besonderes engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft und lebt in Wien

Zum Zustand von Politik und Medien

Walter Hämmerle, früher Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, jetzt Innenpolitik-Chef der „Kleinen Zeitung“, hat den Zustand von Österreichs Medien und Politik kritisch unter die Lupe genommen. Unter dem Titel „Die unreife Republik“ durchleuchtet er in der Serie der Leykam-Streitschriften (Nr. 11) die Schwächen unseres Kleinstaates in Mitteleuropa, die Neigung der Österreicher zu Schlamperei und Bequemlichkeit, den Hang zu Übertreibung und Aggression. Zugleich geht er mit den Medien hart ins Gericht.

Von Hermine Schreiberhuber *

Bei der Präsentation des Buchs im Presseclub Concordia fielen auf dem Podium klare Worte. Autor Hämmerle stellte einleitend fest: Das kleine Österreich sei reich und habe viel Potenzial. Doch: „Schlamperei ist in Österreich, besonders in Wien, sprichwörtlich.“ Zugleich konstatierte er „eine gewisse Hilflosigkeit“ zwischen den Möglichkeiten und dem, was getan werde. „Politik ist kein Spiel.“ Auch die Medien betrachteten Politik oft als Spielwiese, statt dem Bürger Einschätzungs- und Urteilsfähigkeit zuzuerkennen.

Politikberaterin Heidi Glück schlug ebenfalls kritische Töne an. „In Österreich herrscht das Mittelmaß. Wir orientieren uns an anderen, größeren Staaten, aus Bequemlichkeit.“ Schuld seien immer die anderen. „Trittbrettfahren ist Usus.“ Diese Charakterzüge ließen sich aus der Geschichte ableiten: „Seit der Monarchie sind wir Mitläufer.Wir beherrschen den institutionellen Kompromiß.“ In anderen Worten: Politisches und wirtschaftliches Durchwursteln sei an der Tagesordnung und führe zu einer Erosion des politischen Systems.

„Der intellektuelle Diskurs ist fast verschwunden“, beklagte Glück, ehemals Pressesprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Zugleich sei die Boulevardisierung der Presse in Österreich weit fortgeschritten. Die Politiker umgeben sich mit vielen PR-Beratern, auf der anderen Seite würden die Journalisten immer weniger. Daraus resultiere „eine Schieflage“. Es mangle an Wertschätzung zwischen Politikern und Journalisten. Hämmerle merkte zum politischen Diskurs an, die Medien liefen Gefahr, sich für eine Seite festzulegen. Vor „gutem Boulevard“ habe er aber Respekt.

Armin Thurnherr, Herausgeber des „Falter“, argumentierte, hierzulande gehe es nicht nur um Schlamperei, sondern auch um den“Unwillen zur politischen Analyse“. Was gut sei, werde oft nicht genügend „argumentativ unterfüttert“. Es gelte, das Handwerk der Politik zu lernen. Die Öffentlichkeit habe oft den Eindruck, von den Politikern „beschwindelt“ zu werden. In den Medien habe sich ein korruptes System etabliert. In diesem Kontext übte Thurnherr heftige Kritik an der Subventionierung des Boulevard nach Auflagenstärke. Außerdem müsse die Jugend kritischer an IT-Belange herangeführt werden.

In der Folge einige Textstellen aus der Streitschrift von Walter Hämmerle.

(Vom Vielvölkerstaat zum Kleinstaat) „Das Spiel mit der geringen Größe des Landes irritiert Außenstehende und Landsleute, die höhere Ansprüche stellen. Der Satz ‚Österreich ist ein kleines Land’ aus dem Mund heimischer Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger ist zu oft keine Tatsachenbeschreibung, sondern eine Ausrede für den fehlenden Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen. Manchmal bietet die geringe Größe auch Schlawinern Deckung.“

(Zustand der Medien). „Ohnehin bringen Alarmismus und Empörung niemand irgendwohin, trotzdem sind sie allgegenwärtig… Journalismus im 24-Stunden-Hamsterrad trägt seinen Tel zu dieser Entwicklung bei. Atemlos werden Schlagzeilen produziert, selbst wenn wenig bis nichts passiert. Die Logik der Digitalisierung will es so. Headlines müssen Sensationelles versprechen, auch wenn im anschließenden Text maximal Unspektakuläres zu lesen ist. Der Drang und digitale Druck zur Zuspitzung haben ihren Preis. Diskussionen werden als Duelle, Gesprächsrunden als Showdowns in Szene gesetzt; und das auf allen Kanälen.“

„Die Welt der Nachrichten ist zum Kampfplatz geworden. Nicht alle Akteure setzen dabei auf Transparenz und Fairness. Statt dessen wird getarnt, getäuscht, verwischt – alles nur, um zu verwirren.“

Das Buch hat nur gut 100 Seiten, doch der Inhalt wiegt schwer: Historische Fakten über das Werden Österreichs, Einschätzungen von Literaten wie Karl Kraus, Stefan Zweig, Robert Musil, Joseph Roth. Reaktionen auf Aktuelles von der Pandemie bis zum Ukraine-Krieg. Der Autor ist überzeugt: Die Republik braucht eine neue Verantwortungskultur.

* Mag.a Hermine Schreiberhuber ist Journalistin und Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

Todesstoß für die Wiener Zeitung

Die schwarz-grüne Bundesregierung lässt die Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Qualitätsmedium fallen. Das renommierte Blatt soll künftig nur mehr monatlich erscheinen.

Udo Bachmair

Sie gilt als älteste Zeitung der Welt. Dem seit 1703 (!) erscheinenden Blatt, das im Eigentum der Republik steht, wird seitens der Bundesregierung nun der Garaus gemacht. Keine Hoffnung mehr besteht auf weitere finanzielle Unterstützung. Mit Jahreswechsel soll das schon jetzt legendäre Medium, abgespeckt um das einnahmenträchtige Amtsblatt, nur mehr Monatszeitung sein.

Schon zu Zeiten der schwarz-blauen Koalition unter Kanzler Sebastian Kurz war die „Wiener Zeitung“ schwer unter Druck geraten. Der Ex-Regierungschef wollte aus der Wiener Zeitung überhaupt nur ein Verlautbarungsorgan der Republik machen. Nun scheint wenigstens der Fortbestand als Monatsblatt wahrscheinlich. Ein allerdings nur schwacher Trost.

Die engagierte Redaktion reagierte entsetzt auf die geplante Einstellung der Zeitung als tägliche Printausgabe: „Wenn man nun willkürlich die Grundlage der Zeitung wegdekretiert, ist zu befürchten, dass dieses Juwel namens Wiener Zeitung digital wie auch in jeder anderen Form dem Untergang geweiht ist“, sagt Chefredakteur Walter Hämmerle, der sich mit profunden und kritischen Analysen und Kommentaren einen guten Namen gemacht hat.

ÖVP-Medienministerin Raab lässt die Bereitschaft vermissen, einen Rettungsschirm für den Fortbestand der Wiener Zeitung aufzuspannen, der grüne Koalitionspartner lässt die medienpolitisch überforderte Ministerin gewähren. Damit nimmt die Regierung sehenden Auges eine weitere Reduktion der Medienvielfalt in Kauf. Vor dem Hintergrund einer ohnehin starken Boulevardisierung der Medienlandschaft hierzulande ist das von oben verfügte Ende einer qualitätsorientierten Tageszeitung jedenfalls demokratiepolitisch höchst bedenklich.

Der Presseclub Concordia-Kooperationspartner unserer Vereinigung für Medienkultur-sieht im Aus für die Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Blatt eine „Verstümmelung“. Einem hochwertigen textbasiertem Nachrichtenmedium werde der Todesstoß versetzt- und das ohne Not“.

Die Vereinigung der Europajournalistinnen und -journalisten befürchtet, dass eine Umstellung auf eine monatliche Erscheinungsweise ein erster Schritt in Richtung völliger Einstellung der Wiener Zeitung sein könnte.

Und die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zur Entscheidung der Regierung: „In der Wiener Zeitung gibt es wertvollen Raum für verschiedene Meinungen und differenzierte Berichterstattung, auch zu Wissenschaft und Kultur. Ich schätze sie als wichtige Stimme“.

Der Verlust dieser Stimme droht Österreichs Medienlandschaft noch ärmer zu machen.

Wenn Sie eine Petition für den Weiterbestand der Wiener Zeitung unterzeichnen möchten, ist dies unter folgendem Link möglich :

https://mein.aufstehn.at/petitions/fur-den-erhalt-der-wiener-zeitung?share=1f4ed472-529b-4a87-818c-4d3ba4fab876&source=&utm_medium=&utm_source

Hat Corona auch die Demokratie infiziert ?

Wie steht es in Corona-Zeiten um unsere Demokratie ? Diese Frage war Gegenstand einer bemerkenswerten Veranstaltung der „Wiener Zeitung“.

Udo Bachmair

„Gefährdet das Virus die Demokratie ?“ bzw. „Wie sehr sind Grund-und Freiheitsrechte im Stresstest?“ Zwei jener bangen Fragen, um die die Podiumsdiskusssion unter Leitung des Chefredakteurs der „Wiener Zeitung“, Walter Hämmerle, gekreist ist. Eingeladen waren die Demokratieforscherin Tamara Ehs und der Politologe Wolfgang Merkel.

Professor Merkel ortet einen „Niedergang der Qualität der Demokratie“. Dies sei schon seit einigen Jahren zu beobachten. Diversen Studien zufolge habe Österreich in Demokratie-Rankings einige Plätze eingebüßt – besonders wegen mangelnder Transparenz und Informationsfreiheit und auch wegen einer Verschlechterung der Pressefreiheit.

Die Corona-Krise hat die Situation zusätzlich verschärft. Sie erzeuge einen „unglaublichen Einschnitt in Grund- und Freiheitsrechte ohne großen Widerspruch“, befindet auch Moderator Hämmerle. Die beiden Wissenschafter Ehs und Merkel sehen große Defizite in den demokratischen Kontrollsystemen, im Besonderen sei die Kontrollfunktion der Opposition gestört.

Kritik auch am ORF, im Speziellen an der ZiB 1 : Dass Regierungs-Pressekonferenzen ohne kritische Einordnung durchgeschaltet werden, bewertet Politik- und Medienforscherin Tamara Ehs als „schockierend“. Die Opposition habe „abgedankt“. Sinnvoll wäre unter anderem ein begleitender U-Ausschuss im Parlament, der Gesetze neu prüft.

Bürgern sollten zudem Gewissheit haben, wirklich mitentscheiden können. Dafür wäre laut Merkel ein „Modell mit gelosten Bürgerräten mit repräsentativem Charakter wie in Irland“ erstrebenswert. Ob ein solches Modell angesichts der realpolitischen Situation tatsächlich effektiv und nicht zahnlos sein kann, bleibt allerdings fraglich.

Wiener Zeitung zur „Lage in Österreich“

Hans Högl

Mir scheint: der Leitartikel von Walter Hämmerle, dem Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, trifft im Beitrag (27.4.2019) über „Die Lage in Österreich“ den Nagel auf den Kopf. Er ist mit der Nüchternheit eines gebürtigen Vorarlbergers geschrieben und nicht von einem Parteihengst. Ich bringe davon die letzten Abschnitte aus der Online Version.

Walter Hämmerle: „Dass das Klima zwischen den Parteien und Engagierten vergiftet ist, heißt – noch – nicht, dass auch die breite Bevölkerung ähnlich polarisiert ist. Rechtsextremismus ist ein Problem (wie jeder andere Extremismus), aber Gerichte und Medien kennen längst kein Pardon mehr; und seit einiger Zeit zieht auch die FPÖ harte Konsequenzen bei Fehltritten.

Dass sich die FPÖ von Medien, insbesondere dem ORF, verfolgt fühlt, ist auch ein Mittel zum freiheitlichen Zweck, sich selbst als Opfer zu stilisieren. Die realen Bedrohungen für die Medienfreiheit sind wirtschaftlicher, nicht politischer Natur. Und Österreichs Gesellschaft wie Sozialsystem sind ungebrochen hoch attraktiv, jedenfalls für alle, die von außen auf das Land blicken. Und offen sind wir noch dazu: Pro Kopf hat Österreich 2018 die meisten Flüchtlinge aller EU-Staaten aufgenommen.“