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Was ist Europa?

Zur Identität Europas – aus Sicht des Politologen Anton Pelinka

Hans H ö g l

Im Sinne der Medienkultur ist es wichtig, Positionen zu klären, exakte Diktionen zu verwenden. So nimmt in einem Beitrag Univ. Prof. Anton Pelinka Stellung zu Europa:

Europa ist nicht eine lose Konföderation von Staaten, die Aspekte ihrer Souveränität aufgegeben haben. Die Union ist keinesfalls ein voll entwickelter Bundesstaat – und es ist zweifelhaft, ob sie je zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ wird.

Europa ist nicht – definiert durch Charles de Gaulles Diktum – ein Kontinent begrenzt durch den Ural und den Atlantik. Nicht alle Regime in diesen Grenzen haben Anspruch auf Mitgliedschaft in dieser Union – keine Diktaturen wie Belarus; keine Systeme, die nicht voll funktionsfähige Demokratien sind; keine Länder mit einer eindeutig negativen Bilanz in Sachen Menschenrechte; keine Wirtschaftsräume mit großen Schwierigkeiten, mit Regeln der Marktwirtschaft umzugehen. Nicht jede und jeder kann Europa sein – nur weil die geografische Lage dafür spricht.

Europa ist laut Pelinka und in seiner Reihung das Konzept der gemäßigten Linken (Sozialdemokraten, Grüne) und der gemäßigten Rechten (Konservative, Christdemokraten, Liberale). Europa ist nicht vereinbar mit den Interessen von Nationalisten und Rassisten und Antisemiten und Xenophoben – aber auch nicht mit den Interessen und Vorstellungen von Leninisten oder von Anarchisten.

Die Aufgabe Europas ist die Sicherung des Friedens: Friede durch Demokratie, Friede durch Überwindung der Vergangenheit – der nationalsozialistischen wie der faschistischen, aber auch der kommunistischen; auch der Vergangenheit, die durch den unbeschränkten Vorrang nationaler Interessen bestimmt war.

Europa: Bauplan, Visionen. Buch von Bernd Posselt

Hans Högl. Buchrezension

Wien, 21.Jänner. Der deutsche EU-Abgeordnete und Pan-Europäer Bernd Posselt präsentierte heute im Leopold-Figl-Haus in Wien sein neues Buch „Bernd Posselt erzählt Europa. Geschichte und Personen – Bauplan und Visionen, Regensburg 2018. Mit Personenindex. 239 S.

Einführend verwies Alt-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel darauf, dass in diesem Haus 1945 vom  Ex-KZ`ler und Bauernbündler Leopold Figl und Mitbegründer der Volkspartei Lebensmittel für die Hungernden in Wien verteilt wurden.

Posselt sieht für die europäische Identität einen doppelten Dreiklang: das Christliche, das Jüdische und Humanistische, ferner drei große Sprachgruppen: das Germanische, Romanische und Slawische und dies mit autochthonen Minderheiten.

Bernd Posselt hat einen sudetendeutschen Vater, seine Mutter ist Südsteirerin, aus dem heutigen Slowenien. Das Schicksal der Eltern motivierte ihn für ein übernationales Europa und gegen die Auswüchse des Nationalismus. Für die Einigung Europas erachtet Posselt nicht nur Westeuropäer als relevant, sondern auch Osteuropäer wie Vaclav Havel, Landsbergis, Papst Johannes Paul II. und andere.

Im Buch wird ein Zitat von Franz-Josef Strauss aus dem Jahre 1968 graphisch stark hervorgehoben (S. 10): „Die Nationalstaaten sind im heutigen Europa, aber auch sonst allein auf Grund ihrer Größenordnung und Bevölkerung anachronistische Gebilde…“. In diesem Punkt äußert sich Robert Schuman wesentlich differenzierter (vgl. meinen Blog am 15.1.). F.J. Strauß forderte auch die „Vereinigten Staaten von Europa“, „was auch immer er damit meinte“, so Posselt.

Der Autor lobt Wolfgang Schüssel, der als EU-Ratsvorsitzender für das europäische Lebensmodell eingetreten sei, das sowohl Freiheit der Person wie Gerechtigkeit in sozialer Marktwirtschaft verbindet und sich vom „American Way of Life“ unterscheidet.

Zur heiklen Frage „sozialer Marktwirtschaft“ nennt Posselt maßgebliche Autoren, bekundet aber auch Ludwig Erhards Auffassung, derzufolge sich soziale Probleme in einem funktionierenden Markt quasi von selbst lösen. Wichtig bleibt darin, wie konkret der Anspruch sozialer Marktwirtschaft eingelöst wird oder auch nicht. Das wird vielfach mit dem Stichwort „Neoliberalismus“ hinterfragt. Als Rezensent erinnere ich an die erschreckend hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Italien und an die Unruhen in Frankreich.

Posselt sieht drei Gegenpositionen versus EU:

a) Die einen kritisieren dies und jenes daran, zerlegen sie dann aber im Grunde völlig.

b) Andere bekunden, zwar Europa zu wollen, wünschen aber ein Mehr an Nationalstaat.

c) Dritte sind o f f e n nationalistisch und Posselt meint sowohl von rechts wie von links. Hier vereinfacht wohl Posselt die Sachlage, denn linke Positionen fordern entweder eine Sozialunion der EU oder die radikale Linke lehnt die EU generell ab.

Alles in Allem: Das Buch ist sehr lesenswert, da der Autor auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen kann. Und es ist gut lesbar.