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Todesstoß für die Wiener Zeitung

Die schwarz-grüne Bundesregierung lässt die Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Qualitätsmedium fallen. Das renommierte Blatt soll künftig nur mehr monatlich erscheinen.

Udo Bachmair

Sie gilt als älteste Zeitung der Welt. Dem seit 1703 (!) erscheinenden Blatt, das im Eigentum der Republik steht, wird seitens der Bundesregierung nun der Garaus gemacht. Keine Hoffnung mehr besteht auf weitere finanzielle Unterstützung. Mit Jahreswechsel soll das schon jetzt legendäre Medium, abgespeckt um das einnahmenträchtige Amtsblatt, nur mehr Monatszeitung sein.

Schon zu Zeiten der schwarz-blauen Koalition unter Kanzler Sebastian Kurz war die „Wiener Zeitung“ schwer unter Druck geraten. Der Ex-Regierungschef wollte aus der Wiener Zeitung überhaupt nur ein Verlautbarungsorgan der Republik machen. Nun scheint wenigstens der Fortbestand als Monatsblatt wahrscheinlich. Ein allerdings nur schwacher Trost.

Die engagierte Redaktion reagierte entsetzt auf die geplante Einstellung der Zeitung als tägliche Printausgabe: „Wenn man nun willkürlich die Grundlage der Zeitung wegdekretiert, ist zu befürchten, dass dieses Juwel namens Wiener Zeitung digital wie auch in jeder anderen Form dem Untergang geweiht ist“, sagt Chefredakteur Walter Hämmerle, der sich mit profunden und kritischen Analysen und Kommentaren einen guten Namen gemacht hat.

ÖVP-Medienministerin Raab lässt die Bereitschaft vermissen, einen Rettungsschirm für den Fortbestand der Wiener Zeitung aufzuspannen, der grüne Koalitionspartner lässt die medienpolitisch überforderte Ministerin gewähren. Damit nimmt die Regierung sehenden Auges eine weitere Reduktion der Medienvielfalt in Kauf. Vor dem Hintergrund einer ohnehin starken Boulevardisierung der Medienlandschaft hierzulande ist das von oben verfügte Ende einer qualitätsorientierten Tageszeitung jedenfalls demokratiepolitisch höchst bedenklich.

Der Presseclub Concordia-Kooperationspartner unserer Vereinigung für Medienkultur-sieht im Aus für die Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Blatt eine „Verstümmelung“. Einem hochwertigen textbasiertem Nachrichtenmedium werde der Todesstoß versetzt- und das ohne Not“.

Die Vereinigung der Europajournalistinnen und -journalisten befürchtet, dass eine Umstellung auf eine monatliche Erscheinungsweise ein erster Schritt in Richtung völliger Einstellung der Wiener Zeitung sein könnte.

Und die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zur Entscheidung der Regierung: „In der Wiener Zeitung gibt es wertvollen Raum für verschiedene Meinungen und differenzierte Berichterstattung, auch zu Wissenschaft und Kultur. Ich schätze sie als wichtige Stimme“.

Der Verlust dieser Stimme droht Österreichs Medienlandschaft noch ärmer zu machen.

Wenn Sie eine Petition für den Weiterbestand der Wiener Zeitung unterzeichnen möchten, ist dies unter folgendem Link möglich :

https://mein.aufstehn.at/petitions/fur-den-erhalt-der-wiener-zeitung?share=1f4ed472-529b-4a87-818c-4d3ba4fab876&source=&utm_medium=&utm_source

Krise im Qualitätsjournalismus

Zum viel beachteten Beitrag „Krieg und Kriegspropaganda“ (von Udo Bachmair) auf der Website der Vereinigung für Medienkultur sowie in der Zeitschrift INTERNATIONAL hat Hermine Schreiberhuber kurz und prägnant Stellung bezogen:

Hermine Schreiberhuber *

Die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg ist ein bedauerswertes Beispiel für die Krise im Qualitätsjournalimus. Militär- und Kriegslogik beherrschen die Szene. Wichtige Aspekte werden nicht hinterfragt. Grundregeln wie Quellentreue werden missachtet. Man folgt dem mainstream. Die für die Meinungsbildung massgeblichen Medienmacher und auch die unter großem Druck stehenden Berichterstatter tragen große Verantwortung.

* Hermine Schreiberhuber ist Journalistin, frühere Vizechefin der APA-Auslandsredaktion sowie Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

Krieg und Kriegspropaganda

Ein Krieg geht immer einher auch mit einem Informationskrieg. Kriegspropaganda betreiben alle Kriegsparteien. Besonders gut inszeniert sich dabei die Ukraine. Mit voller Unterstützung westlicher Medien. (Beitrag veröffentlicht im Magazin INTERNATIONAL Juni 2022)

Udo Bachmair

Zwei Hauptnarrative beherrschen den Disput rund um den russischen Krieg gegen die Ukraine: Erstens der Glaube daran, dass Wladimir Putin ausschließlich mit weiteren schweren NATO-Waffen in die Knie gezwungen werden könne. Russlands Präsident würde ausschließlich die Sprache militärischer Gewalt verstehen. Das zweite Narrativ besteht darin, dass immer mehr (schwere) Waffen den Krieg und unermessliches Leid nur verlängern würden und eine weitere Eskalation damit vorprogrammiert sei. Diesem Narrativ schenken westliche Medien weder Glauben noch Aufmerksamkeit. Im Gegenteil: Friedensbewegte, die noch einen Spielraum für diplomatische Bemühungen und sinnvolle Friedensinitiativen sehen, werden als „Putinversteher“ oder naive Pazifisten gebrandmarkt.

Reine Militärlogiker fühlen sich allein schon provoziert von auch nur gemäßigten Äußerungen zur komplexen Causa. So etwa von der Meinung der SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner, Waffen und Sanktionen allein würden nicht ausreichen, um diesen Krieg zu beenden. Man müsse „mit mehr Intensität und Anstrengungen an diplomatischen Lösungen arbeiten“. Diese Perspektive ruft bei Politik und Medien jedoch kaum ein positives Echo hervor. Vielmehr dominieren Verwunderung bis Empörung über eine solche friedensorientierte Position. Im Besonderen Boulevardmedien scheinen einander in Kriegsrhetorik und Dämonisierung Putins und Russlands überbieten zu wollen.

Die regelmäßigen Auftritte des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, einmal im Tarnanzug, festen Schrittes durch Kiew marschierend, einmal im olivgrünen Militärleibchen in einem beflaggten Studio, verfehlen ihre Wirkung nicht. Unermüdlich appelliert der zum Helden stilisierte Staatschef mit martialischen Worten an den Westen, speziell die NATO, weitere schwere Waffen zu liefern. Die schon vor dem Angriffskrieg Russlands seit Jahren bereits mit westlicher Hilfe aufgerüstete Ukraine kann auf weitere massive Waffenlieferungen hoffen. Politik und Medien im Westen begleiten sie dabei mit wohlwollender propagandistischer Unterstützung.

Was den Informationskrieg betrifft, der jeden Krieg begleitet, wirken westliche Medien nahezu gleichgeschaltet. Jenseits aller Objektivitätskriterien, die man sich als Medienkonsument gerade auch in der außenpolitischen Berichterstattung wünschen würde, dominiert einseitiger medialer Mainstream. Die Russen generell böse, die Ukrainer generell gut, so lautet vielfach die Devise. Dass damit weiterer Hass geschürt und eine noch spärlich vorhandene, aber noch mögliche Gesprächsbasis endgültig zunichte gemacht wird, interessiert nur marginal.

Vernebelt vom Schwarz/Weiß-Denken und dem Festhalten an einem starren Freund/Feind-Schema stellen westliche Medien ukrainische Quellen als ernstzunehmend dar, hingegen alles, was von russischer Seite kommt, als völlig unglaubwürdig und propagandistisch. Freilich ist es für journalistische Arbeit schwieriger denn je, auf seriöse Quellen zurückgreifen zu können, auch wenn ehrliche Absicht dazu besteht. Glaubwürdige Quellen im Informationskrieg sind nämlich kaum zu orten. Aber es wäre zumindest wünschenswert, Quellen überhaupt anzugeben, was leider auch im ORF selten passiert. Auch beim Konsum von ORF-Nachrichtensendungen bleibt als Botschaft mitunter der Eindruck hängen, dass ukrainische Informationspolitik als faktenbasiert vermittelt wird, die andere Kriegspartei hingegen agiere bloß mit Fakes und Propaganda. Dabei wäre schon der Versuch von Differenzierung im Sinne eines Qualitätsjournalismus ein Hoffnungsschimmer.

Wenn ein Sprecher des rechtsradikalen Asow-Regiments etwa in der ZiB 1 auftritt, ohne dass eine interpretierende oder differenzierende Analyse dazu beigesteuert wird, ist dies unseriös. Oder wenn in TV-Diskussionsrunden nahezu ausschließlich Kriegs- und Militärlogik verbreitet wird, wie etwa in der ARD-Sendung „Hart, aber fair“. Oder wenn in unausgewogen besetzten Diskussionsrunden wie etwa im ORF-Format „Im Zentrum“ antirussische Feindbildpflege dominiert, darf man sich nicht darüber wundern, dass Politik und Medien zunehmend an Glaubwürdigkeit einbüßen, wenn relativierende journalistische Einordnung zunehmend schwindet.

Was sollen die Menschen denn noch glauben, wenn Journalismus nicht in der Lage zu sein scheint, zu differenzieren und die Interessenslage von allen Seiten eines Konflikts her zu sehen und zu hinterfragen. Besonders krass tritt dieses Manko in einer so komplexen Causa wie der des Kriegs gegen die Ukraine zutage.
Dass es auch anders geht, beweist immer wieder der besonnene und sachorientierte ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, der sich jenseits bloßer Kriegsrhetorik und wegen seiner nichtmartialischen und differenzierenden Beiträge großes Lob verdient. Wehrschütz kann auf authentische Quellen vor Ort verweisen, die meisten Redaktionen westlicher Medien hingegen können dies nicht. Deren Hauptquellen sind die großen US-nahen Agenturen, die nur eine Seite geopolitischer Weltsicht repräsentieren. Auch das ORF-Büro in Moskau greift kaum auf andere Quellen zurück…

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dabei helfen einzelne Begriffe und Worte, wie sie auch in der sogenannten objektiven Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt kritischen Medienbeobachtern auf, dass Äußerungen russischer Politiker durchgängig mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc. also positiv geladene Begriffe.

Abermals sei bekräftigt, dass ein Angriffskrieg im 21.Jahrhundert in Europa ein absolutes „No go“ sein sollte. Großmachtphantasien mit einem realen Krieg erzwingen zu wollen, ist menschenrechtlich und völkerrechtlich strikt abzulehnen. Krieg und Gewalt sind per se Verbrechen, besonders ein aggressiver militärischer Überfall wie der Russlands. Das heißt aber nicht, dass automatisch nur der Aggressor Kriegsverbrechen begeht. So sind etwa Meldungen über Misshandlungen russischer Gefangener durch ukrainische Soldaten rasch von der Bildfläche verschwunden..
Auch aus politikwissenschaftlicher Perspektive findet da oft eine Verzerrung statt : Wenn „unsere“ Seite einen Krieg anzettelt, herrscht mehr Zurückhaltung, es werden wesentlich mehr Beweise für mögliche Kriegsverbrechen gesucht, bevor darüber berichtet wird. Wenn „Feinde des Westens“ dasselbe machen, ist die Empörung groß. Weil die Politik empörter ist und Medien das spiegeln. Aber auch Medien ihrerseits setzen die Politik unter Druck, noch härter gegen den „Feind“ aufzutreten. Nicht zuletzt deshalb musste sich auch der zunächst zurückhaltend gewesene deutsche SPD-Kanzler Scholz dazu durchringen, der Lieferung von schweren Waffen letztlich doch zuzustimmen

Der Irak-Krieg im Jahr 2003 war ebenfalls ein illegaler Angriffskrieg, ausgeführt von den USA. Medien waren damals aber bei Weitem nicht so empört. Wichtige Details darüber, wie verheerend sich die Invasion auf die Zivilisten im Irak ausgewirkt hat, haben Medien damals kaum beachtet. Völkerrechtswidrige Aspekte und die Tatsache, dass wir es auch beim Irak-Krieg mit einer Aggression zu tun haben, sind damals weitgehend ausgeblendet worden.
Trotz des Irakkrieges, trotz der Bomben auf Bagdad und Belgrad, trotz des gewaltsamen Regime Change in Libyen, etc. wird die NATO in westlichen Medien durchgehend als Verteidigungsbündnis verharmlost. Dass Russland und auch andere die NATO als aggressive Militärallianz wahrnehmen und sich von ihr bedroht sehen, entzieht sich bei Medien und Politik im Westen der Vorstellungskraft und stößt weitgehend auf Unverständnis. Solange der Westen sich nicht auch in die geopolitische Interessenslage Russlands hineindenken kann, Stichwort dazu die NATO-Erweiterung, so lange werden keine effektiven Friedensschritte zu erwarten sein. Von russischer Seite ist dies zurzeit ebenfalls kaum zu erwarten, Putin verharrt in seiner seltsam historisch basierten Kriegslogik. Das muss allerdings nicht so bleiben. Auch der Westen, allen voran die EU, sollten nicht auf Dauer an militaristischer Ideologie im Zusammenhang mit diesem Krieg festhalten.

Der Ukraine sei zu wünschen, so rasch wie möglich friedliche Zustände erleben zu können. Doch beide Kriegsparteien bewegen sich nicht. Dies lässt vorerst keine Hoffnung auf eine Waffenruhe oder auf Friedensverhandlungen keimen. Das Heil ausschließlich in der Lieferung schwerer Waffen zu sehen, wie es etwa die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen unermüdlich wiederholt, erscheint höchst kontraproduktiv, ein Friedenskonzept der „Friedensunion“ EU fehlt. Für kreative Überlegungen, auf nichtmilitärischem Gebiet Friedensinitiativen anzudenken, mangelt es an Willen und Phantasie. Besonders bemerkenswert ist die militante Haltung vor allem der deutschen Grünen, die sich als früherer parlamentarischer Arm der Friedensbewegung nun ins ideologische Lager der Militaristen begeben haben und damit weiter Öl ins Feuer gießen, allen voran die grüne deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Österreichs Grüne halten da nicht dagegen
Natürlich soll hier nicht einem naiven Pazifismus das Wort geredet werden, allerdings einer von Friedensethik getragenen aktiven Friedenspolitik. Diese müsste auch Kompromissen Raum geben. Eine primitive und ebenfalls naive Kriegslogik sowie weitere beharrliche Feindbildpflege lassen jedenfalls ein sehnlichst erwartetes Kriegsende in noch weitere Ferne rücken.

Vor diesem Hintergrund plädiert der renommierte Medien- und Konfliktforscher Florian Zollmann für einen „konstruktiven Journalismus“ gerade auch in der Kriegsberichterstattung. Medien schauen auf den Krieg oft wie auf eine Sportveranstaltung: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? Und im Prinzip ohne konstruktive Lösungen einzubringen, ohne zu schauen: Welche sind die verschiedenen Interessen, was gibt es für Lösungsstrategien, und wie kann man journalistisch deeskalierend wirken? Fragen, über die es gerade auch für die Politik rege nachzudenken gilt.

Tiefpunkt des Journalismus

Die jüngste ORF-Pressestunde haben Medienkritiker als journalistischen Tiefpunkt erlebt. Zu Gast war die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ). Dazu als Einleitung das folgende Zitat von Kleine Zeitung-Chefredakteur Patterer, das zunächst einmal keines Kommentars bedarf..

Zitat des Tages ( 6.2.2020) und Reaktionen.
(Ausgewählt von Udo Bachmair)

„Frau Bürgermeisterin, wir haben ja heute den-die selbe Anfahrt gehabt von Graz aus und Sie haben mich leider mit Ihrem rumänischen Flitzer auf den letzten Metern noch-noch abgefangen und überholt, ah, ich lebe selbst in der Stadt und jetzt hat man ja nach diesem Beben von-von Graz, wie es von den Medien bezeichnet worden ist, noch nicht allzu viel mitbekommen an größeren Veränderungen, ähm man, es ist auch noch viel unklar, was Sie mit dieser bürgerlichen Stadt denn eigentlich ähm vorhaben. Was man mitbekommen hat, war, dass Sie Eingriff in die Stilistik vorgenommen haben äh Sie haben zum Beispiel die Designmöbel Ihres Vorgängers äh weggeräumt und haben Ihre abgewohnten Ikeamöbel, was die steirischen Tischler nicht sehr gefreut hat, wie wir mitbekommen haben äh hingestellt mit der mit der Kinderspielecke, jetzt schätz ich Ihre Bescheidenheit, aber unterliegen Sie nicht einem einem Mißverständnis, was das Rollenbild betrifft, Sie sind jetzt nicht mehr die Sozialarbeiterin, Sie sind die Managerin der zweitgrößten Stadt in diesem Land, ist Ihnen das bewusst und nehmen Sie diese Rolle an überhaupt ?“

So leitete der Chefredakteur der Kleinen Zeitung, Patterer, die heutige ORF-Pressestunde mit Elke Kahr ein. Sie ist seit 3 Monaten Bürgermeisterin von Graz und hat sich weit über die Grenzen ihrer Partei, der KPÖ, einen positiven Namen als besonders engagierte und ehrliche Sozialpolitikerin gemacht.

Ein bisher im Zusammenhang mit einer ORF-Pressestunde bisher beispielloser Shitstorm hat in den Social Media als Reaktion auf eine Serie an extrem untergriffigen Fragen an Elke Kahr eingesetzt. Gemeinsamer Tenor der Reaktionen: Patterer und und die ORF-Redakteurin Claudia Dannhauser hätten ein jämmerliches Bild des österreichischen Journalismus gezeigt.

„Selbst auf wirklich dumme und feindliche Fragen gibt es g`scheite Antworten,“ schreibt etwa Martin Margulies. Und Franz Schnabl, nö. Landeshauptmannstv.(SPÖ) mutmaßt: „Das Ende der Ära Kurz muss für manche ja wirklich schmerzhaft sein, wenn man einer gewählten Bürgermeisterin derart arrogant und besserwisserisch begegnet“.

PR-Experte Rudi Fußi spricht von „Fehlleistung des ORF“ und auch Lukas Resetarits ortet einen „Tiefpunkt des österreichischen Journalismus“.

Die Journalistin Cathrin Kahlweit, Österreich-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, resumiert ebenfalls auf Twitter:

„Habe mir die Pressestunde angeschaut: Man kann von Elke Kahr viel lernen: cool bleiben, sachlich bleiben, bei sich bleiben, nicht auftrumpfen, nicht augenrollend verraten, was man denkt.“

ORF: Todesstoß nur knapp abgewendet

Jüngste Enthüllungen zeigen, wie knapp der ORF an seiner Zerschlagung vorbeigegangen ist.

Udo Bachmair

Um ein Haar wäre sie Realität geworden: Die Zerschlagung des ORF. Der Machtrausch der Regierung Kurz/Strache nach dem Vorbild des Autokraten Viktor Orban hätten den ORF und letztlich auch die übrige Medienlandschaft Österreichs beinahe unter totale Regierungskontrolle gebracht. Das geht einerseits aus Straches auf Ibiza geäußerten Plänen hervor, einen ORF-TV-Kanal an einen superreichen Investor zu veräußern. Andererseits aus den nun enthüllten Geheimabsprachen aus der Zeit der ÖVP/FPÖ-Koalition, dem ORF die Gebühren zu streichen.

Diese Maßnahme hätte den ORF ins Mark getroffen. Vor allem aber auch die Absicht, den Wegfall der ORF-Gebühren mehr oder weniger aus dem Bundesbudget auszugleichen. Damit wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk fix an die schwarz-blauen Kandare genommen worden. Der Plan war jedoch zum Scheitern verurteilt. Er war an die Öffentlichkeit gelangt und hatte entsprechenden Widerstand erzeugt. ÖVP und FPÖ mussten sich damit begnügen, sich zumindest die wichtigsten Führungspositionen im Unternehmen aufteilen zu können.

Der Unart der Geheimabsprachen konnte sich auch der grüne Koalitionspartner nicht entziehen. Er wurde dabei ertappt, ebenfalls Absprachen über personelle ORF-Besetzungen getroffen zu haben. Der Unterschied zu schwarz-blau ist jedoch evident: Während die ÖVP/FPÖ-Koalitionäre den ORF in seiner bisherigen Form offenbar nicht mehr wollten, wehrten sich die Grünen als neuer Partner gegen eine Zerschlagung des öffentlich rechtlichen Rundfunks. Jedenfalls bisher erfolgreich. Auch demokratiepolitisch ein Erfolg.

Übrigens hält das ORF-Gesetz ( § 1 ) die „Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des ORF“ fest. Eine Pflichtlektüre für all diejenigen, die den ORF parteipolitisch missbrauchen wollen.

Die ORF-Journalist*innen haben die auch vom ORF-Redakteursstatut zugesicherte Eigenständigkeit immer wieder verteidigt und zu Teilen auch erhalten können. Klar äußert sich der durchaus selbstbewusste Redakteursrat zu den umstrittenen Nebenabsprachen:

„Wir verurteilen die Postenschacherei auf das Schärfste“

Hilfe für bedrohte Journalist*innen

Die Polarisierung in der Gesellschaft nimmt nicht zuletzt angesichts der Corona-Causa zu. Vor diesem Hintergrund kommen auch Journalist*innen zunehmend in Bedrängnis.

Udo Bachmair

Angriffe gegen Journalist*innen im Netz, vereinzelt auch Attacken auf der Straße, am Rande von Demos, zeigen ein bedrohliches Szenario für die gesamte Medienbranche. Hinzu kommen Versuche, Journalist*innen schwerwiegende juristische Folgen anzudrohen. Demokratiepolitisch besonders bedenklich, denn kritische Berichterstattung wird dadurch nicht gerade begünstigt.

Der engagierte Presseclub Concordia, Kooperationspartner unserer Vereinigung für Medienkultur, sagt dieser Entwicklung vehement den Kampf an. Er hat den „Rechtsdienst Journalismus“ ins Leben gerufen. Diese einzigartige Initiative will gezielt zur rechtlichen Unterstützung von Journalist*innen beitragen, nicht zuletzt zu einer „Stärkung der freien Berichterstattung“

Wie soll dies nun konkret erreicht werden ? Der erste Schritt, so der Presseclub, liege in der „Selbstermächtigung von Journalist*innen durch Schärfung ihrer rechtlichen Kompetenzen“. Unterstützt von regelmäßig stattfindenden Schulungen im Medien- und Urheberrecht, um „Angriffsflächen von vornherein auszuschließen und unzulässige Einschüchterungsversuche zu identifizieren“

Auf einer zweiten Stufe bietet der „Rechtsdienst Journalismus“ individuelle Rechtsauskunft, insbesondere bei Bedrohung durch Einschüchterungsklagen sowie eine Beratung über Möglichkeiten, sich gegen psychische und physische Angriffe juristisch zu wehren. In ausgewählten Fällen missbräuchlicher Klagen wird gegebenenfalls auch finanzielle Hilfe geleistet.

Projektleitung und Kontakt:

w.strobl@concordia.at

Feindbild Moskau

Die jüngste KURIER-Analyse von Konrad Kramar hat eine wohltuend differenzierende Sicht des Ukraine-NATO-Russland-Konflikts vermittelt. Eine Seltenheit in unseren Medien.

Udo Bachmair

Die Analyse Konrad Kramars hebt sich positiv ab von einseitigen Kommentaren in anderen westlichen Medien, die beharrlich das Feindbild Russland pflegen. Denn gerade auch dieser komplexen Causa ist mit einem bloßen Schwarz-Weiß-Denken nicht beizukommen.

Der außenpolitische Mainstream westlicher Berichterstattung unterstellt fast ausschließlich der russischen Seite die Befeuerung des Säbelrasselns zwischen Russland und der NATO. Kaum in Medien zu vernehmen ist hingegen, dass Russland sich einem Bedrohungsszenario seitens der NATO gegenübersieht.

Dem US-dominierten Militärbündnis wirft Moskau ein in jüngster Zeit besonders aggressives Verhalten mit provokanten militärischen Aktivitäten unmittelbar an der russischen Ostgrenze vor. Gleichzeitig betrachtet Russland sich durch eine immer wieder angekündigte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine in seiner Sicherheit bedroht.

Dass Qualitätsjournalismus beide Seiten eines Konflikts beleuchten sollte, erscheint als Binsenweisheit. Diese sollte aber dennoch immer wieder in Erinnerung gerufen werden, besonders auch in geopolitischen Fragen.

( Gekürzter Beitrag eines von Udo Bachmair im KURIER erschienenen Kommentars )

ORF als Spielball der Politik

Angesichts der Wahl der neuen ORF-Spitze durch den Stiftungsrat stellt sich mehr denn je die Frage nach der Unabhängigkeit der Berichterstattung des für Österreichs Medienlandschaft wohl wichtigsten Unternehmens.

Udo Bachmair

Im ORF-Stiftungsrat, dem oberstes Entscheidungsgremium des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, kann erstmals eine klare Mehrheit der größeren Regierungspartei einen ORF-Generaldirektor allein bestimmen. Das Gremium ist offiziell unabhängig, gemäß österreichischer Realpolitik jedoch parteipolitisch besetzt.

Dass nun die Regierung ohne Rücksicht auf Oppositionsparteien einen nur ihr genehmen Kandidaten in den ORF-Chefsessel hieven kann, erscheint Medienbeobachtern demokratiepolitisch höchst bedenklich. Es liegt nun an den ORF-Journalisten, trotz aller Einflussversuche unabhängige Berichterstattung zu garantieren.

Zur Causa ORF im Folgenden ein Auszug aus einer Rede, die ich aus Anlass einer alternativen Medienenquete gehalten habe :

Ein unabhängiger Rundfunk ist unverzichtbarer denn je.

Natürlich kann und soll der Wert des Öffentlich-Rechtlichen neu diskutiert, teils auch neu definiert werden.

Das erscheint umso notwendiger im Umfeld einer Medienlandschaft, die geprägt ist von einem beispiellosen Konzentration an Boulevardmedien speziell im Osten unseres Landes.

Dem ORF und den Qualitätszeitungen kommt in dem Zusammenhang eine besondere Rolle zu. Auch als Gegengewicht zu all dem, was sich an höchst bedenklichen Inhalten in den sogenannten „Sozialen“ Medien abspielt. Hass und Hetze gegen Minderheiten, insbesondere gegen Flüchtlinge und Asylwerber.

Der ORF dagegen muss ein Hort sein für seriösen differenzierenden Qualitäts-Journalismus

Er kann die Rolle aber nur dann erfüllen, wenn von ihm und seinen Programmitarbeitern Druck genommen wird.

Und: Wenn auch seine Finanzierung gesichert ist.

Aus meiner Sicht sollte das bisherige Finanzierungsmodell erhalten bleiben, teils Werbeeinnahmen, teils Einnahmen über die Gebühren. Diese jedenfalls sollten von den jeweiligen Landesabgaben entschlackt werden.

Keinesfalls zu begrüßen wäre der Vorschlag, den ORF aus dem Bundesbudget zu finanzieren. Denn dann müsste die ORF-Führung jährlich zum Finanzminister pilgern, um demütig die Sicherstellung der weiteren Finanzierung zu erbitten.

Erwartetes Wohlverhalten seitens des ORF verstünde sich in diesem Fall wohl von selbst. Auf der anderen Seite ein noch effektivere Zugriffsversuche der großen Regierungspartei auf das Unternehmen.

Der ORF muss allerdings die finanzielle Unterstützung im wahrsten Sinn des Wortes auch verdienen:

In erster Linie mit Qualität seiner Programme und journalistischer Glaubwürdigkeit.

Diese kann und sollte etwa auch in der außenpolitischen Berichterstattung gestärkt werden. Durch weniger Schlagseite bei so komplexen Causen wie etwa dem Ukraine-, Nahost oder Syrien-Konflikt.

Oder in der innenpolitischen Berichterstattung darauf zu achten, nicht der gespenstisch gut inszenierten Regierungspropaganda auf den Leim zu gehen.

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk sollte bestrebt sein, seinen Kultur-und Informationsauftrag auch mit einer besseren Durchmischung auf die einzelnen Kanäle zu erfüllen. So wären sicher weitere Programmkorrekturen von ORF 1 vonnöten. Damit kann der Kritik begegnet werden, dieser Kanal sei programmiert wie ein kommerzieller Privatsender.

Das heißt: Der ORF muss sich klar unterscheidbar machen.

Das gelingt zum überwiegenden Teil bei ORF 3 sowie bei Ö 1.

Und das soll so bleiben. Das soll nicht durch neue Zugriffsversuche auf den ORF gefährdet werden.

Österreich: Druck auf Medien gestiegen

Österreich hat wahrlich keinen Grund, bezüglich Presse- und Medienfreiheit auf andere Staaten verächtlich hinabzublicken. Denn unser Land schafft es weiter nicht zurück in die „Spitzengruppe guter Pressefreiheit“, stellt „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) fest.

Udo Bachmair

Freilich ist es ein bedrückendes Ergebnis, dass die Presse in immerhin 73 Prozent aller von ROG untersuchten Staaten komplett oder teilweise behindert wird. Doch mit dem Finger auf andere zu zeigen, ohne selbst ein Vorbild zu sein, erscheint moralisch unangebracht.
Der Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell ortet direkten und indirekten Druck, dem Medien auch hierzulande vermehrt ausgesetzt seien. Er verwies kürzlich in einer Pressekonferenz u.a. auf ständige Interventionsversuche von Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz bei Chefredakteuren. Das vor dem Hintergrund „finanzieller Abhängigkeit der Medien von der Regierung“.

Hausjell kritisierte zudem die sich abzeichnende Einstellung der „Wiener Zeitung“ ( siehe dazu meinen Beitrag „Schlag gegen Qualitätsjournalismus“ auf unserer Website www.medienkultur.at ). Die Reduktion der Wiener Zeitung auf eine „zentrale Verlautbarungsstelle“ ( Sebastian Kurz ) verleitet heute Hans Rauscher im STANDARD zu der Frage: „Ist das die Pressefreiheit, die sie meinen..?“

Die Sprecherin von „Reporter ohne Grenzen“, Rubina Möhring, übte in dem Pressegespräch Kritik an der Medienpolitik der Regierung auch im Zusammenhang mit dem ORF. Die streng der Kurz’schen „Message Control“ unterworfenen Pressekonferenzen, zelebriert vornehmlich in der ZiB 1, hätten gezeigt, wie sehr der ORF „während der harten Zeit der Corona-Krise benutzt wurde wie ein Staatsfernsehen.“

Auch Opposition und Journalistengewerkschaft nahmen den eher bedenklichen nur 17. Platz Österreichs im Pressefreiheits-Ranking zum Anlass für Kritik. Im Fokus standen dabei die üppigen Regierungsinserate für ohnehin finanziell gut gepolsterte Massenblätter. SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried forderte unter anderem eine „massive Erhöhung der Presseförderung sowie die Vergabe von Inseraten nach geregelten Prozessen“. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker prangerte eine „unreflektierte Übernahme von Regierungspropaganda in reichweitenstarken Medien“ an. Und für NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter geht „Türkis-Grün den Weg von Türkis-Blau in Richtung Einschränkung der Pressefreiheit munter weiter“.

Kommunikationsexperte Fritz Hausjell – er ist auch Mitglied des Beirates der Vereinigung für Medienkultur – appelliert an die Medienverantwortlichen, „eine Fact-Finding-Mission in die skandinavischen Länder zu machen“, mit dem Ziel, Österreich in Sachen Pressefreiheit wieder in die Nähe der vorderen Plätze zu bringen.