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Blutige Hähne

Ein bedenkenswerter Text zu einem Brecht-Lied lässt die medialen und politischen Vorgänge rund um den Ukraine-krieg ziemlich aktuell erscheinen.

Wolfgang Koppler *

Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne
der Mächtigen kommen am Ende zum Halt.
Und gehen sie einher auch wie blutige Hähne
Es wechseln die Zeiten. Da hilft kein Gewalt.

Brechts Lied von der Moldau über die Vergänglichkeit (auch jene der Macht) wird sonst gerne in Zeiten des Umbruchs zitiert. 1968 etwa in einem Spiegel-Artikel, der die Geschehnisse dieses Jahres damals Revue passieren ließ. Auch nach der Wende in der Tschechoslowakei hat man es öfters gehört. Danach verschwindet es regelmäßig wieder in der Versenkung, obwohl es – ganz unabhängig vom Autor – unmittelbar berührt und zum Nachdenken anregt.

Dabei wäre es aktueller denn je. Wenn man ehrlich ist, wirken Putin und Selenskyj tatsächlich wie blutige Hähne. Und beide werden irgendwann wieder in der Versenkung verschwinden. Aber Selenskyj als blutigen Hahn sehen ? Obwohl er Menschen genauso bedenkenlos opfert wie Putin und dabei auch noch vorgibt, sie retten zu wollen ? Jegliche Verhandlungen ablehnt ? Wenn sich das jemand traut, zu schreiben, kann er seine journalistische Karriere an den Nagel hängen.

Da leitet man seine Artikel besser ein wie vor Kurzem ein Schreiber der NZZ (die sich im Übrigen – was den Ukraine Krieg betrifft – nicht so sehr von anderen Zeitungen unterscheidet):

Die Illusion vom greifbaren Frieden:
Am Verhandlungstisch lässt sich Putin nicht bezwingen

Die Gegenoffensive der Ukraine verläuft langsamer als erhofft, aber sie ist nicht gescheitert. Auch aus anderen Gründen ist es der falsche Moment, die Ukrainer zu Verhandlungen mit Moskau zu drängen.

Und darunter ein Foto mit ukrainischen Soldaten vor der Mutter-Heimat-Statue in Kiew. Sie wirken wie ein Teil eines Kriegerdenkmals. Und danach wird aus der ukrainischen Hymne zitiert.

Selbstverständlich muss man beide Seiten mit Fingerspitzengefühl behandeln. Zumal hier uralte Minderwertigkeitskomplexe gegenüber Westeuropa und unbewältigte Vergangenheit mit im Spiel ist. Aber es muss auch an wieder an die Vernunft erinnert werden. Und an die Opfer und Kollateralschäden dieses Krieges. In allen Teilen der Welt.

Es wechseln die Zeiten. Da hilft kein Gewalt.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Empörung über Hetzartikel gegen evangelische Theologin

Betrifft: Kolumne von Henryk M. Broder – Kleine Zeitung – unter dem Titel

„Liebe Täter, jemand betet für Sie!“

Franz Schlacher *

In dieser Kolumne greift Henryk M. Broder ein Interview der deutschen Theologin Margot Käßmann aus „Bild am Sonntag“ auf, in dem sie – drei Tage nach dem Terroranschlag in Brüssel – die Fragen „Was würde Jesus zum Terror sagen? Würde Jesus den Terroristen vergeben?“ aus ihrer (theologischen) Sicht beantwortet hat. In seinem äußerst gehässigen, Frau Käßmann persönlich herabwürdigenden und religiöse Gefühle Gläubiger verletzenden Kommentar nennt Broder die Aussagen der Theologin „Obszönitäten“ und stellt die Frage, ob ihr „Sündenstolz“ aus Quellen wie der „Posener Rede“ oder den „gesammelten Aufrufen der Rote Armee Fraktion“ sprudle.

Dazu anwortete Dr. Gerhard Hammerschmied, Klagenfurt, mit folgendem Leserbrief:

„Sehr geehrter Herr Broder,

Frau Käßmann hat recht. Die Liebe, das ist das Wichtigste am Glauben an Jesus Christus. Dass diese Liebe als Feindesliebe im Laufe der Geschichte nur eine leise Stimme hatte, wissen wir. Dass aber diese Liebe nicht wehrlos sein muss, hat uns der jüdische Philosoph Levinas vor Augen geführt: der ethische Anspruch kommt vom Anderen in seiner Nacktheit und Schutzlosigkeit her und heißt: Du wirst mich nicht töten. Aber das wissen Sie ja. Man kann ja immer behaupten, dass man seine ethischen Ziele so hoch steckt, um sie dort zu belassen, wo sie hingehören… Diese Diskussion ist so alt wie die Menschheit selbst, nur sollte man sie nicht für beendet erklären.

Erschreckend an Ihrer Argumentation ist folgendes: Sie klingt so, als ob Sie jemandem vorschreiben wollten, für wen man beten dürfe, und für wen nicht. Das ist unsere Situation, in der man auch dies erkennen müsste: Dass wir als Teil einer Struktur, hinter der wir uns in unserer Ratlosigkeit und in vorschnellen Urteilen verstecken, auch mitansehen, wie massive Kapitalinteressen nicht zuletzt der Rüstungsindustrie, ganze Landstriche und die Menschen hier und dort dem Terror aussetzen. Und wo man mit grausamem Kalkül die Not der Menschen dort auf unsere sozialen Ängste hier prallen lässt, oder Verbündete schafft, die sich dem Terror anschließen. Solchen der Selbstmordattentäter, solchen gewisser Geschäftemacher. Der Respekt vor den Opfern des Terrors und ihrer Angehörigen verlangt es, dass wir auch diese Zusammenhänge wahrnehmen.

Das ist es, was mich diesen Brief schreiben lässt: dass Sie, Herr Broder, mit welchen Absichten auch immer, ihre Fassungslosigkeit so martialisch zum Ausdruck bringen. Im Namen welcher Opfer sprechen Sie, wo ziehen Sie die Grenze zwischen Opfern und Opfern, zwischen Tätern und Tätern? Und nicht einmal davor zurückschrecken, ihre Verunsicherung mit einem Hass zu versehen, der in einer Zeitschrift wie der Kleinen Zeitung nichts zu suchen hat… Ich will diese letzten Zeilen nicht noch einmal anklingen lassen, aber Frau Käßmanns Appell als obszön und als Verhöhnung der Opfer zu bezeichnen, sie sogar in den Zusammenhang einer Posener Rede zu stellen, in der Heinrich Himmler die Ermordung von Juden glorifiziert, ist erbärmlichste Hetze, die auch mich fassungslos macht .“

* Ein Beitrag, übermittelt von Mag. Franz Schlacher, Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur.