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Angstgefühle und Panik in der Moderne

Die fulminante Edvard-Munch Ausstellung in der Albertina in Wien genießt große Aufmerksamkeit, im Besonderen das Bild „Der Schrei“. Es symbolisiert Angst- und Panik- Lebensgefühle auch in der Moderne – ob es um Klimaangst, Corona oder den Ukraine-Krieg geht.

Hans H ö g l

Das Bild „Der Schrei“ ist ein Extremausdruck von Angst, Panik, Schrecken. Nicht ein bestimmter Mensch zeigt das Entsetzen, sondern einer für alle. Ein Bild, aus der Lebensangst von Munch geboren, nimmt uns in die Existenzangst des Künstlers hinein. Hier revoltiert Munch gegen den Naturalismus und Impressionismus, und das Bild „Der Schrei“ wird Ikone des Expressionismus- gestaltet 1893 und 1910 – ein Sinnbild unserer letzten Jahrhunderte mit schrecklichen Katastrophen und Ängsten und zwar auch in einer säkularen, aufgeklärten Welt, die nun seit mehreren hundert Jahren die Welt dominiert.

Wer sich z.B. nicht nur mit den Verbrechen des Nazismus, sondern auch mit denen in Russlands Vergangenheit befasst, wie ich kürzlich, findet die Brutalität und Menschenverachtung – schon am Ende der Französischen Revolution und imitiert von Lenin in der Russischen Revolution und die systematisch geplanten Hungersnöte in der Ukraine um 1930 schon beim Lesen (!) unerträglich.

Warum dies so war, danach fragt der frühere Maoist und französische Spitzenhistoriker Stéphane Courtois in dem im deutschsprachigen Raum kaum rezipierten, beziehungsweise verdrängten Werk „Die Verbrechen des Kommunismus“ p. 793-825 (1998 Piper). Und wie die Mannschaft um Putin heute in der Ukraine werkt, ist ebenso bedenklich wie die Brutalität des Westens – so im Irak und Chile und Vietnam usw., obgleich sich der Westen so gern scheinheilig auf individuelle Menschenrechte beruft.

Im „Schrei“ wird der Mensch Symbolfigur für das Sich-Verlieren des Einzelnen im Ganzen: Die Urangst der Gesellschaft am Beginn der Moderne.

Edvard Munch hat die Angstattacke beschrieben: Ich ging den Weg entlang mit zwei Freunden. Die Sonne ging unter. Der Himmel wurde plötzlich rot. Ich stand zitternd vor Angst. Und ich fühlte einen lauten, unendlichen Schrei durch die Natur. So beschreibt es Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina. Das Interview findet sich im Massenblatt der „Krone“.

Die Ausstellung über das Werk von Munch ist in Wien bis 19. Juni zu sehen – in chronologischer Reihenfolge – vor allem das Spätwerk. Es werden auch thematisch ähnliche Werke anderer Künstler gezeigt – so von Andy Warhol, Miriam Cahn und Peter Doig.

NB. Auffällig ist: Ich habe drei Medien-Rezensionen vor mir. Das Bild „Der stumme Schrei“ ist zwar abgebildet, doch nirgends findet sich ein Hinweis, dass dieses Bild selbst nicht in Wien ausgestellt wird. Auf Nachfrage erfahre ich, dass es nicht entliehen wird.