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Stirbt der ländliche Raum? Eine spannende Diskussion

Die Vereinigung für Medienkultur hat zur Podiumsdiskussion „Ländlicher Raum – Stiefkind für Politik und Medien“ geladen. Es war ein gut besuchter spannender Diskussionsabend mit höchst kompetenten Gästen.

Udo Bachmair

Den Abend im renommierten Presseclub Concordia hat der Zukunftsforscher und Experte für Globale Dörfer, Franz Nahrada, mit der Präsentation seines Projekts „DorfUni“ eröffnet. Das Motto des Projekts lautet „Bildung für Alle Allerorts“. Gemeinden sollen gemeinsam mit Universitäten praxisrelevantes Wissen teilen. Als Ziel definiert Nahrada, den ländlichen Raum durch Wissensaustausch und andere gemeinsame Aktivitäten zu stärken und weiterzuentwickeln.

Der bekannte Verkehrsplaner Hermann Knoflacher warnte davor, das Land weiter in die Städte „ausrinnen“ zu lassen. So müsse dem ungebremsten Ausbau von (Umfahrungs-)Straßen Einhalt geboten werden. In der Praxis stehe die Bauordnung immer wieder im Widerspruch zur Raumplanung, ein Umstand, der manche Bürgermeister zu problematischen Umwidmungen verleite.

Christa Kranzl, Kommunalpolitikerin und Unternehmerin, plädierte für einen Ausbau des Öffentlichen Verkehrs, im Besonderen eine Reanimierung von Bahnverbindungen. So sollte etwa die Donauuferbahn dringend wieder in Betrieb genommen werden. Nachhaltige Mobilität sieht die frühere Verkehrsstaatssekretärin auch am Land nur durch den Öffi-Ausbau gegeben.

Der Unternehmensberater und Projektentwickler Karl Heinz Wingelmaier präsentierte beunruhigende Zahlen. Demnach würden 4 von 10 Dörfern schrumpfen. Frühere Infrastruktur gehe weitgehend verloren. Kinderbetreuungsplätze, Gasthäuser, kleine Geschäfte würden immer rarer. Der Bodenverbrauch durch (Woechenend-)Einfamilienhäuser habe enorm zugenommen. Die Folgen seien hemmungslose Versiegelung des Bodens und Zersiedelung des ländlichen Raums.

Ulrike Rauch-Keschmann vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit erklärte, es müsse alles getan werden, um Arbeitsplätze durch Tourismusprojekte und.andere Maßnahmen zu schaffen. Zudem gelte es, ein lebendiges Vereinsleben wiederherzustellen. Grundsätzlich gehe es um „Entschleunigung statt Beschleunigung“.

Vereinzelt wurde in der Diskussion der Vorwurf erhoben, dass die Medien nicht genügend Bewusstsein und Sensibilität für den ländlichen Raum vermittelt hätten. Michael Jungwirth von der Kleinen Zeitung hingegen meinte, Schuld an der Entwicklung seien nicht nur die Medien, sondern auch die Globalisierung und das Verhalten der KonsumentInnen. Diese würden zwar immer wieder das Greißlersterben im ländlichen Raum beklagen, gleichzeitig aber zunehmend in Supermärkten am Rande der Städte einkaufen, gab Jungwirth zu bedenken.

Besonders kompetent moderiert hat den Diskussionsabend der Vizepräsident der Vereinigung für Medienkultur, Hans Högl.

Ländlicher Raum : Stiefkind von Politik und Medien

Die Vereinigung für Medienkultur lädt ein zu einem Diskussionsabend über den ländlichen Raum, dessen Bedeutung und Entwicklung Politik und Medien mehr am Herzen liegen sollten.

Zum Thema ein mit profunden Experten und Expertinnen besetztes Podium.

Termin: Montag, 9. März 2020, 19 Uhr

Ort: Presseclub Concordia, Bankgasse 8, 1010 Wien

Am Podium:

Mag. Michael Jungwirth
Innenpolitik-Redakteur der „Kleinen Zeitung“

Univ. Prof. Dr. Hermann Knoflacher
44 Jahre Verkehrsplaner in Stadt und Land, Globaler Fußgehervertreter der UNO,
Kolumnist in der Zeitschrift „Die ganze Woche“

Dr. Christa Kranzl
Staatssekretärin a.D. im Bundesministerium für Verkehr und Innovation, Kommunalpolitikerin, Unternehmerin

Mag. Franz Nahrada
Zukunftsforscher: „GIVE“- Labor für Globale Dörfer, er verbindet Info-Technologie und Ökologie für Lebenschancen kleinräumiger Siedlungen

Mag. Ulrike Rauch-Keschmann
leitet im Bundesministerium für Nachhaltigkeit die Sektion Tourismus/Regionales und ist für den Masterplan „Ländlicher Raum“ zuständig

Karl-Heinz Wingelmaier
Projektentwickler für nachhaltige CO2- freie Gebäude, Founder und Berater mehrerer Unternehmen. Bauträger Cäsar 2009

Moderation:

Hans Högl, Prof. Dr. MMag.
Autor: „Bin kein Tourist, ich wohne hier. Dörfer im Stress“
Vizepräsident der „Vereinigung für Medienkultur

Anmeldung erbeten: stifter@medienkultur.at

Ein Europa, das wir wollen: Pro-EU- Impulse.

Hans Högl – Originalbericht

Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union führt in der jüngeren Generation zu bedeutsamen, auffälligen Gegenbewegungen in diversen Ländern. Dies wurde deutlich am 12. Mai im ganztägigen Symposion Der Mensch im Zentrum im Haus des Europäischen Parlaments in Wien.

Der rechtspopulistische Diskurs, die reelle EU-Krise und das überzogene Krisengerede[1] rufen Pro-Europa-Impulse hervor. Aus der Erfahrung von Gefahr entsteht neue Identität. Die Podiumsdiskussion – Ein Europa, das wir wollen – verdient spezielle Hervorhebung. Hierbei trat die jüngere Generation als aktive Zivilgesellschaft auf: Bürgerforen, pro-europäische Initiativen und Organisationen.

Der Künstler Alexander Göbel betonte: Es fehle das Gefühl, Europäer zu sein.[2]. Josef Zeisel vertrat die IG-Eurovision und das Projekt European Public Sphere, Tassilo Seidl-Zellbrugg, Vorstandsmitglied der Initiative Zivilgesellschaft, engagiert sich in der Europäischen Kreditinitative, Andreas Müller kam von Democracy international. Und präsent war die Junge Europäische Bewegung (JEB). Ein Kinderchor des Piaristengymnasiums sang die Europahymne. Diese Initiativen entstanden vielfach nach dem Brexit, und ihr Anliegen ist der Bestand und die Vertiefung des des europäischen Projektes.

[1] a) Der Jurist Wolfgang Kretschmer und die Europa-Abgeordnete Eva Lichtenberger betonten, dass im Alltag die europäischen Gesetze gut funktionieren. b) Bemerkenswert war der Hinweis von Dr. Ulrich Habsburg-Lothringen: Die EU müsse neben den romanischen und germanischen Nationen auch den slawischen mehr Beachtung schenken. c) Kommissar Johannes Hahn betonte am 11. Mai in einem Vortrag in Klosterneuburg, dass die Einstimmigkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik einen Hemmschuh darstelle, aber große Länder keine Änderung wünschen.

[2] Eine konstruktive erste Antwort darauf sind der Entwurf eines Europa-Logos  mit 12 gelben Sternen auf blauem Grund, die herzförmig angeordnet sind und die von Bürger*innen verfasste „Europäische Deklaration“. Vgl. das Buch: Peter Gowin und Nana Walzer: Die Evolution der Menschlichkeit. Wege der Gesellschaft von morgen (Wien 2017, Verlag Braumüller).

 

 

„Humanitäre Intervention“ als Legimitationsrhetorik

Karl Heinz Wingelmaier

„In der Legitimationsrhetorik für militärische Interventionen bedient man sich gerne der Doppelstrategie. Eher gebildete Teile der Bevölkerung lassen sich recht leicht unter dem Banner von “humanitärer Intervention“ für Angriffskriege gewinnen. Der übrige Teil lässt sich am leichtesten durch Angsterzeugung über bösartige und gewalttätige Kräfte überzeugen. Ein historisch berühmtes Beispiel mit gewaltigen grauenvollen Konsequenzen zeigt den ehemaligen US-Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 vor dem UN – Sicherheitsrat, in der Hand ein pulvergefülltes Röhrchen. Dieses sollte der ultimative Beweis sein, dass Saddam Hussein über Arsenale von Massenvernichtungswaffen verfügt. Dieser Nachweis richtete sich vor allem an die Amerikaner und hatte das Ziel vor Augen, die Ängste derart zu schüren, dass eine von langer Hand geplanten Invasion im Irak nichts mehr im Wege steht. Dieses Täuschungsmanöver hatte den Effekt, dass ein „Kollateralschaden“ als Folge auftrat, der mehr als 100 000 irakischen Zivilisten kurz darauf das Leben kostete.“

Aus einem Vortrag, den Karl Heinz Wingelmaier – Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur – kürzlich in kleinerem Kreis gehalten hat.