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Journalismus auf den Punkt gebracht

 

Hans Högl. Rezension

Wo der Journalismus steht, das bringt Heinz Pürer auf den Punkt. Er lehrte bis 2012 Publizistik in München und verfasste das Buch „Journalismusforschung“ (Konstanz 2015, TB). Zeitgeschichte prägte drei Journalisten-Generationen: die Berichterstatter nach dem Krieg, den Anwaltstypus ab 1970, die Nachrichtenjäger ab 1990 (S. 46). Im Buch geht es um Berufslage, Medieninhalte, Ethik, Online- u. Boulevard-Journalismus. Und um dessen acht Konzepte – so um objektive Vermittlung, Kritik, Marketing-Journalismus und investigativen.

Das Internet eröffnet neue Zugänge: Es gibt den Laien-, Bürger- und Online-Journalismus. Schon um 2003 wurden 7.800 Online-Journalisten gezählt, davon waren 4.400 festangestellt (S. 111). Auch deutsche Klagen über prekäre Arbeitsbedingungen sind jetzt zu hören. Professioneller Journalismus hat sein Monopol verloren. Mitspieler sind: Parteien, Wirtschaft, Einzelne. Für das Publikum ist es leichter, reziprok den Profis zu antworten. Und versus „Informationsmüll“ fehlt flächendeckende Qualitätssicherung.

Ausführlich erörtert Pürer den Boulevard: Seine Themen, seine Sprache, die Graphik und diskursive Strategien (S. 122). Boulevard geriert sich als Schützer der kleinen, machtlosen Leute und produziert Gefühle wie Jubel, Angst, Empörung über Mächtige. Da fühlt sich der kleine Mann selbst im Besitz der Macht. Über Österreichs „Krone“ schrieb Stefan Weber (1995), über die deutsche „Unterhaltungsrepublik“ Margreth Lünenburg (2012). Dem „Journalismus light“ prophezeite 1999 ein Chefredakteur keine dauerhafte Zukunft (S. 126). Wir hoffen noch.

Differenziert erörtert der Autor, wie Nachrichten ausgewählt werden, und er spart das Thema Medien-Ethik nicht aus. In der Praxis dominiert ja das Medien-Recht. Und zur Medien-Ethik zählt auch die Verantwortung der Medien-Institution selbst.

Das Buch ist klar im Aufbau, dicht und doch gut lesbar und breit fundiert – mit Sach- u. Personenindex, Bibliographie, Links von Medienberufen. 177 Seiten, utb-TB.

Wirtschaft, Werbung und Journalismus

Hans Högl. Eine Buchrezension

Publizistischer Idealismus trennt strikt Redaktion und Werbung eines Mediums – sowohl personell, inhaltlich und räumlich. Demnach dürfen Werbeziele journalistische Inhalte nicht beeinflussen. So wären also Werbekunden nicht zu schonen. Selbst strenge Chefredakteure sehen darin ein zu hehres Ziel… Dies war aber laut eines Insiders um 1980 im Wiener Magazin „profil“ Realität, das dem „Spiegel“ nacheifert. Wenn um 1980 im „profil“ ein Unternehmen inserierte, wurde dazu drei Monate lang nicht berichtet. Dies bekräftigte ein Journalist in einer Veranstaltung der „Medienkultur“ im Presseclub Concordia.

Dieses Thema erweitert Univ. Prof. Heinz Pürer in seinem neuen Buch „Journalismusforschung (utb. München) generell auf Marketing und nennt einen Typ des Journalismus „Redaktionelles Marketing“. „Es ist die konsequente Ausrichtung der redaktionellen Arbeit auf die Bedürfnisse und Interessen der Leserschaft“ und vereinbart redaktionellen Anspruch und Marktnotwendigkeit. Marketing ist im Prinzip zweifellos (!) für alle Mediengattungen wichtig, meint der Rezensent.

Redaktionelles Marketing impliziert laut Pürer eine stark kundenorientierte Sichtweise.“Hier bemühen sich Medienredaktionen, Wünsche, Interessen und Bedürfnisse des Publikums zu ergründen und „die publizistischen Produkte daran zu orientieren (nicht aber bedingungslos anzupassen)“.

Redaktionelles Marketing sucht eine Balance zwischen publizistischer Qualität und Werbung (also den Anzeigenkunden). Es ist ein „Spagat“ zwischen Qualität und Rentabilität und sei weithin Realität. Pürer sieht darin eine Zukunftssicherung für die in der Ertragskraft bedrängten Medien, aber auch die Gefahr des Abgleitens, dass redaktionelle Inhalte dem Kommerziellen untergeordnet werden.