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„Der Falter“ als erfolgreiches linksliberales Medium

Der TV-Sender ORF III brachte in André Hellers „Menschenbilder“ am 17. Oktober 2019 ein Porträt von Armin Thurnher, des Gründers der damals so genannten Wiener Stadtzeitung „Falter“. Hier ein Resumé der Hauptaussagen Thurnhers im erwähnten ORF-Beitrag :

Hans Högl

Armin Thurnher besuchte in Bregenz das althumanistische Gymnasium und lernte acht Jahre Latein und sechs Jahre Griechisch. In seiner Jugend spielte er Tennis und Klavier. Wichtig für Armin Thurnher wurde sein Onkel John, der von Vorarlberg in die USA ausgewandert war und als Wohlhabender auf Besuch kam. Dies motivierte Armin T. zu einem Studienjahr in Amerika (1967/68). Aber er fand ein anderes Land vor als in seiner Vorstellung. Es war rassistisch, und die auf Pappkarton schlafenden Armen unweit von Wolkenkratzern forderten das Weltbild des 18-jährigen heraus. Er lernte in New York die Vietnamproteste kennen, die Drogenszene, die Frauen- und Schwulenbewegung und die sexuelle Befreiung.

Beim Studium in Wien (Germanistik, Anglistik, Theaterwissenschaft) entstand die Geschäftsidee zur Programmzeitschrift „Falter“ – mit Besprechungen von Wiener Lokalen. Die Gründer des „Falters“ zielten auf eine Form von Anti-Journalismus. In den Kulturredaktionen der Medien fanden sich blinde Flecken: Schwule, Frauen, Off-Theater kamen nicht vor. Und dazu kam eine gewisse Frechheit. „Wir waren links, aber nicht das Sprachrohr einer Partei.“ „Ich empfand Kreisky als Establishment“. Thurnher hatte keine Beziehung zu ihm.

„Ich habe die antiautoritäre Flagge der Studentenbewegung hochgehalten.“ Thurnher betrachtete die Gründung stalinistischer und trotzkistischer Gruppen als „Totalverrat“. „Ich habe die Illusion verloren, dass diese Gesellschaftsform so leicht durch eine andere zu verändern ist. Aber ich blieb dabei, dass die Gesellschaft verändert werden muss.“ Dies entsprach dem Buchtitel „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“. Die Berliner TAZ wurde ein Jahr nach dem „Falter“ gegründet. Und dies nach den RAF-Exzessen. Es war auch nicht möglich, den „Falter“ im Kollektiv zu gestalten – so dass jeder alles machte.

Auch die ursprüngliche Geldlosigkeit war nicht aufrecht zu halten. Christian Reder war damals Betriebsberater (später Professor). Er wurde der erste Gesellschafter des „Falters“. Wir mussten einen kapitalistischen Betrieb führen. Es trat eine gewisse Normalisierung ein:Ohne Hierarchien zu arbeiten war undurchführbar. Es kam zu flacheren Hierarchien. Die „Kronen“-Zeitung beschuldigte Armin Thurnher, Jörg Haider in Österreich groß gemacht zu haben.

Was Diktatur ist

Hans Högl

Manchmal hören wir Leute sagen. Ist denn das bei uns eine Demokratie? Das ist ja eine Diktatur! Solche Leserbriefe sind auch in Österreichs bei weitem auflagenstärksten Zeitung, der „Krone“ fallweise zu finden. Wissen denn diese Menschen nicht, meistens sogar ältere, was im Nazismus passierte, wenn irgendwer nur die leiseste Kritik daran übte oder gar Solches wie hier schrieb:

Otto Hampel und seine Frau Elise wurden am 8. April 1943 wegen Wehrkraftzersetzung und Vorbereitung für Hochverrat hingerichtet. Ihr Verbrechen bestand darin, dass sie Postkarten wie diese schrieben: Freie Presse! Fort mit dem Hitler. Verreckungssystem. Der gemeine Soldat Hitler und seine Bande stürzen uns in den Abgrund.

Vgl. das Buch von Niall Ferguson: Türme und Plätze. Netzwerke, Hierarchien und der Kampf um die globale Macht, Berlin 2018, p. 280.

Dieses Buch des hervorragenden Historikers der Harvard University schildert in gut lesbarem Stil in 60 Kapiteln die Bedeutung von Netzwerken, also von nicht offiziellen, also informellen Beziehungen bis zu Web 2.0 – Er behandelt z.B. die Welt der Illuminaten, Pizarro, die Netzwerke der Aufklärer, die britischen Ritter der Tafelrunde, Seuchen und Rattenfänger, den Fall des sowjetischen Imperiums, die Familie Rothschild, die Revolution per Twitter. Umfang: 624 Seiten, 26 Seiten Namens- u. Sachregister.