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Ministerien als Schauplätze der Macht

Manfred Matzkas neu erschienenes Buch „Schauplätze der Macht. Geheimnisse. Menschen. Machenschaften“ (Verlag Brandstätter) bietet besondere Informationen vor allem zur sozialen Entwicklung Österreichs.

Hans Högl

Was Medien so intensiv beschäftigt, sind für Manfred Matzka Blitzlichter. Er- viele Jahre Präsidialchef des Bundeskanzleramtes- kennt die Interna Österreichs Politik und sieht Lücken an Dokumenten: Es fehlen seit 25 Jahren inhaltlich aussage- kräftige Ministerratsprotokolle. Umso aufschlussreicher sind Bücher, die Geschehen weitergeben, ist der letzte Satz in seinem Buch. In ihm durchqueren wir per Ministerien Österreichs Geschichte der 1. u. 2. Republik und blicken in die eindrucksvolle Baulichkeit der Ministerien.

Nicht nur wer an öffentlichen Dienst denkt, dem ist dieses Buches zu empfehlen. Es erhellt die Rekrutierung von Personal. In der Inhaltsfülle frappieren markante Informationen – so das Versagen von Bundespräsident Wilhelm Miklas, dann kürzlich geschredderte Ministerratsprotokolle und die grundlegenden Sozialreformen um 1920. In der Herrengasse ergeht das Narrativ vom verstopften Kamin in Minister Franz Ohlas Büro, über seinen Vorgänger berichtet Minister Staribacher (1970-1983): Vor 1970 sollen barocke Kamine und Schornsteine reaktiviert worden sein.

Im Jahr 2000 beklagten sich Minister über gelöschte Computer. Die Schredder-Affäre ist präsent. Über länger Zurückliegendes schwiegen Medien. Daran zeigt sich Qualität von Büchern in Relation zu schnell hingeworfenen Berichten ohne historischen Bezug. Die Vernichtung von Dokumenten ist von Belang, doch das Versagen von Bundespräsident Wilhelm Miklas war tiefgreifend. Ab 1928 war Miklas Präsident. „Er war von Anfang an ein willfähriger Parteisoldat seiner Kanzler.“(p. 71 f.). „Er versagte kraftlos in der Phase der schrittweisen Aushöhlung der Demokratie und Verfassung durch die Regierung. Nach der Ausschaltung des Nationalrates im März 1933 unterließ er es, Neuwahlen einzufordern oder die Regierung nach ihrem formalen Rücktritt durch eine verfassungstreue zu ersetzen…“.

Und nun ein Blick zurück in die Jahre um 1920, zur unglaublichen Leistung von Sozialminister Ferdinand Hanusch. Er wuchs sehr ärmlich als schlesischer Weber auf, konnte mit elf Jahren kaum lesen und schreiben, wurde bekannter Gewerkschaftsführer und Abgeordneter in der Monarchie und Gigant der Sozialpolitik- obwohl er nur zwei Jahre Sozialminister war (p. 181). Er nützte konstruktiv die dramatische Not nach dem 1. Weltkrieg und in Wochentakt ließ er mit einem kleinen Team 83 Gesetzestexte formulieren, um eine Rätediktatur wie in München und Budapest zu verhindern, argumentierte er.

Ferdinand Hanusch wurde 1866 in Oberdorf in Österreichisch-Schlesien geboren, war sozialdemokratischer Politiker, gründet die Arbeiterkammer und prägt österreichische Sozialpolitik mit maßgeblichen und international vorbildlichen Gesetzen: Den Mindestlohn, das Verbot der Kinderarbeit, den 8-Stundentag, die 48-Stundenwoche, die Sozialversicherung, den Urlaubsanspruch, das Betriebsrätegesetz, die Arbeitslosenunterstützung, das Arbeiterkammergesetz. das Kollektiv-Vertragsgesetz (p. 182). Es sind tiefgreifende politische Leistungen am Beginn der 1. Republik, gut zu wissen für alle Demokratie-Zweifler.

Matzkas verweist auf den christlich-sozialen Richard Schmitz, einem Sozialminister, später Bürgermeister von Wien. Dieser hielt an den Sozialgesetzen fest, unterstützte den Bau der Höhenstraße. Die Nationalsozialisten sperrten ihn ins KZ. Etwas kurz gerät der Bericht über die Landwirtschaftsminister. Der erste Minister ab 1945 war der Bauer Josef Kraus – gleich- zeitig Obmann des Milchwirtschaftsfonds und Vizegeneralanwalt von Raiffeisen (p. 172 f.). Der ehemalige Bauernbunddirektor Eduard Hartmann war bis 1964 Minister. Auch er war „nebenher“ Generalanwalt von Raiffeisen.

Die verstaatlichte Industrie war meist in roten Händen: Deren Skandale erschrecken: Jene rund um Krauland, das Liefern von Noricumkanonen als neutrales Land ins Kriegsgebiet des Nahen Osten, die WBO-Involvierung NÖs, die Eurofighter-Ausschreibungen, das Aufsichtsversagen bei der Hypo-Alpen Adria, der Bau des Klagenfurter Stadions, die Telecom Affäre, die Geschäfte rund um den Blaulicht-Rundfunk, die merkwürdigen Corona-Masken-Ankäufe, der Inseraten-Missbrauch… (S. 203).

Zum Finanzministerium: Hier ist von Mag. G. die Rede und vom Skandal um die Bundeswohnungen (Buwog). Der volle Namen des Ministers wird vermieden. Schon im Jahr 2000 wurde die zum privaten Vorteil ausgeübte Ministertätigkeit von Sachverständigen gerügt. Der Prozess ist im Jahr 2023 noch nicht zu Ende….also nach 23 Jahren, fast nach einer Generation – ein maßloses Verzögern meint der Rezensent.
Oft war das Justizministerium in Händen von Deutsch- Nationalen und in der 2. Republik der Freiheitlichen…..
Doch Kreiskys Justizminister Christian Broda machte Schluss mit dem „Mann als Haupt der Familie“, beendete die Diskriminierung unehelicher Kinder. In seiner Zeit wurde die Strafbarkeit der Abtreibung und der Homosexualität ab-
geschafft. Obwohl angefeindet- blieb er konsequent. Sein häufiger Satz: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

Zum Innenministerium: Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit befehligt (!) strikt hierarchisch 30.000 bewaffnete und mit weiteren Befugnissen ausgestattete Menschen (p. 134). Es ist wichtig, mit dieser großen Macht behutsam umzugehen.

Unter Innenminister Blecha verschwand ein Telegramm von Österreichs Botschafter Amry, in dem er von den seltsamen, neutralitätswidrigen Wafffenlieferungen der Firma Noricum aus Liezen in den Nahen Osten berichtete. In der Folge kam es zu seltsamen Todesfällen – nicht nur von Botschafter Amry und dem „pumperlgesunden“ Sozialdemokraten und Voestmanager Dr. Apfalter (wie mir Kenner aus dessen Mostviertler Heimat berichteten). Minister Blecha und Beamte wurden verurteilt, schreibt M. Matzka. Blecha war auch mit seinem Freund Udo Proksch verwickelt….

Ministerien sind Schauplätze der Macht. Minister wechseln oft, Beamte sind das verlässlich tragende Element.

Medien und Justizberichterstattung..

Wie berichten Medien über Justizverfahren ? Oberflächlich, befindet der folgende Gastkommentar. Als jüngsten Anlass dafür nimmt er die Berichterstattung über den Prozess rund um Bestechungsvorwürfe gegen den Ex-Grünen-Politiker Christoph Chorherr.

Wolfgang Koppler*

Da will ein Ersatzschöffe von seiner Funktion entbunden werden, weil der beisitzende Richter den Schöffen erklärt hätte, es werde so lange verhandelt, „bis alle verurteilt“ seien. Er hält dies auch in einer Niederschrift fest, welche dann in der Verhandlung (10 Tage später) an die Wand projiziert wird. Aufgrund eines Befangenheitsantrags der Verteidiger werden die Schöffen vernommen, wobei vier den Wortlaut der Aussage bestätigen, andere können oder wollen sich nicht erinnern. Eine Schöffin meint, man hätte es positiv oder negativ interpretieren können. Der vorsitzende Richter erklärt, dass das „Missverständnis“ mit dem betreffenden Schöffen geklärt worden sei. Der Befangenheitsantrag wird abgewiesen. Alles paletti ?

Sieht man sich die Zeitungsartikel an, scheint es tatsächlich so zu sein. Vor allem Qualitätsblätter handeln den Vorfall eher oberflächlich ab. Für den Standard etwa reicht es aus, dass das Gericht „es anders sieht“. Eine detaillierte und kritische Beschreibung der Vorgänge findet sich eigentlich nur in der Krone, die zumindest anmerkt „Umfangreiche Unterstützung gab es für den Kollegen aber nicht“.

Dass eine derartige Aussage, die in ihrem Wortlaut offenbar von etlichen Zeugen bestätigt wurde, an den Grundfesten der Justiz, nämlich der Unparteilichkeit und Voreingenommenheit des Richters rührt, wird nirgendwo erörtert. Selbst wenn damit nur gemeint gewesen sein sollte, es müsste gründlich verhandelt werden. Und sie ist leider kein Einzelfall im Grauen Haus. Erst vor wenigen Jahren gab es Postings eines Strafrichters mit dem Wortlaut „Wann kommt der Grasser endlich in den Häfn“, noch bevor der Prozess überhaupt begonnen hatte. Auch wenn dieser Richter am Verfahren nicht beteiligt war, wirft es doch ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung mancher Strafrichter, zumal die Postings trotz Beschwerden der Strafverteidiger nur eine mE relativ milde Disziplinarstrafe zur Folge hatten. Auch hier reagierten die Medien auffallend zurückhaltend und beschäftigten sich vor allem damit, dass der Richter ja nur der Ehegatte der im Prozess den Vorsitz führenden Richterin war und nicht mit dem grundsätzlichen Problem der Voreingenommenheit von Richtern, welche auch noch in der Öffentlichkeit (oder möglicherweise vor Schöffen) den von ihnen offenbar gewünschten Ausgang eines Prozesses kundtun. Dass sich eine solche Einstellung auch auf die Urteilsfällung in selbst geführten Verfahren auswirken könnte, wird nicht bedacht.

Gerade die Richter des Grauen Hauses mit seiner problematischen Vergangenheit, erst recht aber die Medien, sollten endlich begreifen, dass sie selbst und die in der Justiz Tätigen fehlbar sind. Und vor Hybris nicht gefeit. Sonst nützen noch so viele Gedenktafeln nichts. Die Justiz ist kein Allheilmittel unserer infantil-narzisstischen Gesellschaft, sondern bedarf wie jede andere Institution selbst der Kritik. Von innen und von außen. Man sollte diesen mutigen Ersatzschöffen ehren. Was leider nicht geschehen wird.

*Gastauthor Mag. Wolfgang Koppler ist freier Journalist und Publizist und lebt in Wien

Medien und Politik: Kurz polarisiert

Neuer starker Mann ?

Udo Bachmair

Messias, Heilsbringer, Erlöser, Alleinherrscher, Orban-Bewunderer, Österreichs Erdogan, etc.. So und ähnlich wird der große ÖVP-Hoffnungsträger Sebastian Kurz im Boulevard, vereinzelt aber auch in Qualitätsmedien, polemisch zugespitzt tituliert. Jedenfalls glaubt die ÖVP, der frühere (christlichsoziale) Inhalte verlorengegangen sind und die an ihrer schwerfälligen Struktur laboriert, nun also in einem „Dominator“ das Heil zu finden.

Ein Wunder nur und für viele überraschend, dass auch solche ÖVP-Politiker, deren Hausmacht Länder und Bünde sind, sich so ohne Weiteres demontieren lassen.. Geblendet von hohen Umfragewerten für den nun mit Allmacht ausgestatteten Jungpolitiker. Die Umfragehochs hat es zunächst übrigens auch für einen Karl Keinz Grasser oder einen Werner Faymann gegeben…

In der Serie der Kommentare zum „Umsturz“ innerhalb der einst staatstragenden Partei sticht besonders die nun folgende Analyse des Politikwissenschafters Anton Pelinka hervor :

Ist die ÖVP noch zu retten ?

Sebastian Kurz hat seine Partei abgeschafft und eine Forza Austria aus der Taufe gehoben: Sie dient als Applauskulisse für einen politischen Senkrechtstarter.

Von Anton Pelinka

(Aus der ZEIT Nr. 21/2017)

Die Idee hatten schon einige vor Sebastian Kurz. Erhard Busek etwa, der irgendwann in den dürren Jahren der Volkspartei die Auflösung und dann freilich die sofortige Neugründung dieser so mühsam zu führenden Partei empfahl. Sebastian Kurz ist da bescheidener: Er verlangt nur die Auflösung seiner Partei. Und diese hat nun mit demonstrativer Lust und Freude auf die zentrale Kompetenz, die einer Partei im System der parlamentarischen Demokratie zukommt, verzichtet – auf die Nominierung der Personen, die für einen Sitz im Parlament kandidieren.

Diese Aufgabe haben die schwarzen Granden nun an einen abgetreten, dem sie nur deshalb so blindlings vertrauen, weil er seit geraumer Zeit gute Umfragewerte hat. Ob sich die Liste Sebastian Kurz als reines Instrument persönlicher Ambitionen entpuppt, ob sie sich zu einer neuen Partei mausert oder ob hinter dem dynamischen Appeal nicht doch die alte Volkspartei wieder zum Vorschein kommt – für alles, was da noch kommen kann, hat die Partei die Verantwortung an eine einzige Person delegiert.

Nun hat die ÖVP ihren eigenen Dominator auf den Schild gehoben – ihren mit hoch gespannten Erwartungen ausgestatteten Retter aus der Not. Die ÖVP war es leid, seit Jahren immer nur als Dritte gehandelt zu werden. Dass Wolfgang Schüssel einmal aus der Position des Dritten das Kanzleramt erobert und dieses dann mit einem fulminanten Wahlsieg verteidigt hatte, das mag Kurz, den viele in der ÖVP schon als den Widergänger des letzten schwarzen Kanzlers sehen, als Muster vorschweben. Chancen auf solch einen Erfolg hat er auch – freilich wohl nur im Bündnis mit den Freiheitlichen.

Nach Anthony Downs – dessen Ökonomische Theorie der Demokratie aus dem Jahr 1957 eigentlich alle kennen sollten, die sich mit Politik beschäftigen – lassen Parteien und Politiker nichts unversucht, um einen Wahlerfolg zu sichern. Sie werden um des Erfolges willen alle Grundsätze über Bord werfen, die sie gestern noch beschworen haben, und alle Freunde opfern, die auf dem Weg zur Spitze noch nützlich gewesen waren.

Kurz soll also die Volkspartei retten. Freilich gleicht das, was die ÖVP gerade macht, einem Selbstmord aus Furcht vor dem Tod. Medien und Politik: Kurz polarisiert weiterlesen