Schlagwort-Archive: Fehlentwicklungen

Soziale Medien und ihre Gefahren

Bei allen Vorteilen, die die sogenannten sozialen Medien mit sich bringen können, treten andererseits immer krassere Fehlentwicklungen zutage.

Wolfgang Koppler *

Auf den ersten Blick erscheinen soziale Medien als millionenfach erweiterter Bassenatratsch. Gerüchte, Geschimpfe, aber auch Hass, Ängste, Vorurteile und Parolen verbreiten sich in Windeseile. Obwohl Bassena und Dorfbrunnen längst verschwunden sind und sich Hausbewohner meist nicht einmal mehr vom Sehen her kennen, haben Tratsch, Vorurteile, Hassorgien und diffuse Ängste über Stadt- und Landesgrenzen hinweg auf diese Weise Hochkonjunktur.

Was weniger bekannt ist, man kann Stimmungen und Meinungen auf diese Weise automatisiert und gezielt steuern. Nicht nur, aber besonders in Kriegszeiten. Man lässt einfach Millionen automatisierter Meldungen aus nicht identifizierbarer Quelle im richtigen Moment vom Stapel und überschwemmt damit die sozialen Medien. Damit lassen sich sehr schnell Emotionen, insbesondere diffuse Ängste erzeugen. Diese Methode wird durch das altbekannte Prinzip „Haltet den Dieb“ ergänzt und ausschließlich die Meinungsmanipulation seitens des politischen oder militärischen Gegners zum Thema gemacht. Vom Mainstream abweichende oder auch nur kritische Stimmen werden zudem in den herkömmlichen Medien als links – oder rechtsradikal oder auch nur als verschwörungstheoretisch gebrandmarkt und sind damit im wahrsten Sinne des Wortes indiskutabel, also außerhalb des gesellschaftlichen Rahmens.

Eine brisante Studie der Universität von Adelaide und ein diesbezüglicher Artikel des australischen Journalisten Peter Cronau lässt in Sachen Ukrainekrieg und soziale Medien – aber auch weit darüber hinaus – die Alarmglocken schrillen: Da wurden mit Beginn des Ukrainekriegs automatisiert Millionen antirussischer Meldungen, also Tweets aus gefälschten Konten abgesetzt. Und merkwürdiger Weise lange Zeit nicht gelöscht. Prorussische Meldungen folgten erst mit etlichen Tagen Verspätung. Und in einem viel geringeren Ausmaß. Und es ging nicht um Information oder Richtigstellung von Falschmeldungen, sondern primär um die Erzeugung von Ängsten. Die Herkunft solcher „bots“ (Kurzwort für Roboter) ist natürlich nicht feststellbar. Aber die Stoßrichtung ist klar.

Die unabhängig erstellte Studie der Universität von Adelaide wurde von den westlichen Medien schlichtweg ignoriert. Gleichzeitig beschäftigten sich westliche Medien nahezu ausschließlich mit russischen Trollfabriken, sodass der Eindruck entstand, der Informationskrieg werde nur von Seiten des Gegners betrieben. Das ist keine Aufklärung mehr, keine Bekämpfung von Fakenews, sondern bloße Manipulation. Die Quelle ist übrigens absolut seriös – Peter Cronaus ist einer der arriviertesten und preisgekrönten Investigativjournalisten Australiens und auch für den öffentlich-rechtlichen Sender ABC tätig:

https://declassifiedaus.org/2022/11/03/strongmassive-anti-russian-bot-army-exposed-by-australian-researchers-strong/

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Deutsche Leitmedien im Visier

Medienkritiker, unter ihnen auch der deutsche Philosoph Richard David Precht, orten angesichts „einseitiger außenpolitischer Berichterstattung und Übernahme ukrainischer Kriegspropaganda“ abnehmende Glaubwürdigkeit westlicher „Mainstream-Medien“.

Udo Bachmair

Veröffentlichte Meinung entspricht nicht zwangsläufig der Meinung der Mehrheit der Bevölkerung. Deutlich wird diese Erkenntnis etwa an der Beantwortung der Frage „Sind Sie für weitere NATO-Waffenlieferungen an die Ukraine ?“ Einer jüngsten OGM-Umfrage zufolge antworten mehr als 50 Prozent der Befragten auf diese Frage mit „Nein“. Diametral entgegengesetzt hingegen die meisten westlichen Kommentare aus Medien und Politik. Sie huldigen vielfach reinster Kriegs- und Militärlogik.

Vor allem die deutschen Grünen, früher noch wesentlicher Teil der Friedensbewegung, gefallen sich in ungewöhnlich scharfer Kriegsrhetorik. Allen voran Außenministerin Annalena Bärbock, die ganz und gar auf eine Kriegsentscheidung auf dem Schlachtfeld setzt. Für diplomatische Friedensbemühungen zur Beendigung der russischen Aggression fehlt dabei jegliche Phantasie und Absicht. Bärbock befindet sich damit in „guter“ Gesellschaft mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls jegliche Verhandlungsbereitschaft vermissen lässt.

Fehlentwicklungen westlicher Medien und Politik in der Haltung zum Ukraine-Krieg prangert neben anderen auch niemand Geringerer als der bekannteste deutsche Philosoph der Gegenwart, Richard David Precht, an. Precht, der keineswegs im Verdacht steht, im äußersten rechten oder linken politischen Eck angesiedelt zu sein, macht sich berechtigte Sorgen um die Auswirkung aktueller Berichterstattung von (deutschen) Leitmedien auf die Demokratie. Sorgen, die er in seinem neuen Buch mit dem Titel „Die vierte Gewalt“* eindrucksvoll niedergeschrieben hat.

„Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist, zum Beispiel in Bezug auf die Lieferung schwerer Waffen“ so lautet einer der wesentlichen Vorwürfe Prechts in dessen neuem Buch.

Precht selbst dazu in einer turbulenten Lanz-Talkshow kürzlich im ZDF : „Sowohl Journalisten als auch Politiker haben sich innerhalb sehr kurzer Zeit in der unübersichtlichen Situation des Kriegsausbruchs auf ein Narrativ geeinigt.“ Und Precht weiter: „Glauben Sie ernsthaft, dass ausgeglichen in den deutschen Leitmedien die Position der Zweifler an den Waffenlieferungen genauso breit zu Wort gekommen ist ?“ Eine befriedigende Antwort darauf ist ausgeblieben.

Der in der erwähnten ZDF-Sendung schwer unter Beschuss geratene Autor hat unterdessen gegenüber der ZEIT dafür plädiert, dass einzelne NATO-Staaten die Nicht-Aufnahme der Ukraine garantieren sollten. Das wäre eine der Maßnahmen zur Deeskalation.

Eine seriöse Reaktion auch auf diese Frage gibt es bis dato nicht. Precht muss sich hingegen mit dem üblichen Vorwurf von Militärlogikern abspeisen lassen, er sei ein „Putinversteher“ sowie ein Naivling, der einen „Diktatfrieden“ wolle. Apropos: Der Begriff Frieden wird damit in der medialen Öffentlichkeit zunehmend negativ aufgeladen. Ein offenbar bewusst gesetztes Wording, das Politik und Medien gemeinsam eifrig weiterverbreiten.

* Buch-Neuerscheinung „Die vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer, Fischer-Verlag