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Besuch in Dresden und AfD-Nachlese

Einem Journalisten erzähle ich von meiner Fahrt nach Dresden. Er: „Fahrst du AfD-Schauen“? Ja, das war sein Wort. Welches Medium stürzte sich nicht auf die AfD und die Gefahr des Rechtsruckes? Bei Gesprächen in Dresden erfuhr ich darüber beiläufig und gezielt politisch Hintergründiges, kaum Erwähntes und Einiges zur DDR. Das ist Thema meines Blogs der Medienkultur.

Hans Högl- Reportage

Anlass für den Acht-Tage-Aufenthalt im barocken Dresden und in dessen Neustadt war die Geburtstagsfeier eines 50-jährigen Verwandten. Nun – einige Beobachtungen und Gespräche. Eine Universitäts-Angestellte, aus Württemberg stammend, erwähnte, dass auch in den neuen Bundesländern eine Solidaritätsbeitrag geleistet wird. Ein sonst kaum erwähntes Faktum.

Vor 14 Tagen war die Landtagswahl in Sachsen, einem Land mit 18.420 qkm (wie NÖ), aber mit 4,1 Mio Einwohnern. Nun will die Stadt Dresden die verbliebenen Wahlplakate von Amts wegen entfernen. Ein AfD-Plakat hat den Text: „Der Islam passt nicht zu unserer Küche“. Darunter grunzt ein Schwein. Und der weitere Text lautet: „Trau Dich. AfD Deutschland“. Auf einem anderen AfD-Plakat waren Frauen in Tracht abgebildet. Die „Humanisten“ sind bundesweit eine absolute Minderheitenpartei (rationalistisch, säkular). Ihr Plakat trug die Aufschrift: „Zeigt Ihnen (der AfD) den Vogel! Wohl auch nicht die angemessene Art mit anderen umzugehen. Schon gar nicht von Altliberalen. Auf einer Hausfront steht in übergroßen Lettern geschrieben: für VIELFALT, für TOLERANZ, für DRESDEN. Der Text eines anderen Plakates lautet: „Deutschland kränkelt. Sachsen kann`s alleine. Säxit. Blaue Partei -Team Petry. Make Sachsen scheen again.“

Kurz die doch unerwarteten Landtags-Wahlergebnisse in Dresden am 1. Sept. 2019: CDU 26,8 % / AfD 20,7 % (plus 12,5 %) / Die Grünen 16,9 % / die LINKE 11,4 %,/ die SPD 8,5 % .

In einem Restaurant in Pirna, einem Vorort Dresdens elbaufwärts, kam ich mit einem Pensionisten aus Senftenberg ins Gespräch. Dieser Ort hat eine Partnerschaft mit Senftenberg bei Krems. Ich sagte: „Mir schmeckt der Eiscafe nicht“. Er: „Ja – ihr habt in Wien den besten Café.“ Der politische Teil unseres Gesprächs: Er bekundete seinen Stolz über die mächtigste Frau der Welt, eine kleine Physikerin. Sie habe wohl den Satz „Wir schaffen das“ gesagt, um dem belasteten Image Deutschlands ein positive Note zu geben. Dann sagte der Pensionist: In die BRD sind nach 1945 viele ostdeutsche Betriebe ausgewandert und sie haben die BRD entwickelt. Siemens aus Berlin ließ sich in München nieder und von Zwickau kam der Audi in den Westen. Hier wird klar, dass es den „Ost“-Deutschen um ihre Würde geht. Sie wollen nicht Deutsche zweiter Klasse sein. Fehlende Wertschätzung gilt als zentral für den Aufstieg der AfD. Unter den AfD-Wählern befinden sich viele Enttäuschte.

Zwickau hatte als Stadt des Autobaus einen guten Ruf. Hier entstand 1932 die Auto-Union mit Firmen wie Horch, Audi, DKW, Wanderer. Das Kleinauto „Trabi“ wurde in Zwickau hergestellt- 33 Jahre lang lief der Trabi nahezu unverändert vom Band. DDR-Bürger mussten bis zu 15 Jahre auf die Lieferung ihrer Bestellung warten.

Ein andere Situation: Am Hochufer der Elbe sind Parkanlagen, Schlösser und schöne Villen, über deren guten Zustand staunte ich und fragte eine vorbeikommende Frau: „Wie kommt es, dass diese Villen so gepflegt und in einem solch` guten Zustand sind?“ Sie: In der DDR bekamen Hauseigentümer keine Reparaturmittel und man ließ Häuser und historische Bauten verfallen. Und die Villen waren in einem lamentablen Zustand. Die Leute habe sie nach der Wende allmählich renoviert. Und sie kenne Studien, denenzufolge die SED-Kommunisten ähnliche Erziehungsmethoden wie die Nazis hatten. Deren Vergangenheit wurde nicht aufgearbeitet.

Als Grund für die Erfolge der AfD nannte sie auch die Armut in Sachsen. Sie betrage um die zehn Prozent. Und diese Leute kommen mit der Globalisierung und Digitalisierung nicht zurecht. Ja – und es gibt Rechte. Doch insgesamt hat sich der „Osten“ ungemein positiv entwickelt und seit 1989 unglaubliche Fortschritte gemacht.

Bei der Rückfahrt im Zug erlebte ich vor der Sächsischen Schweiz lauten Klamauk. Frauen zwischen 35-45 trugen einheitlich ein rotes Sportdress mit der Aufschrift „Guck mich nicht an“. Sie waren früher Handballerinnen und kamen aus Chemnitz. Sie tranken Sekt und boten mir an, mitzuhalten. Irgendwann lenkte ich das Gespräch auf Politik. Eine Handballerin: „Über Politik reden wir nie“. „Nun-was habt Ihr gewählt – die AfD? “ – „Nee“- und eine von ihnen sagte: „Die Angela- wortwörtlich – die „Ändschi“. Und das war alles über Politik. „Habt ihr die DDR noch erlebt.“ „Ja – eigentlich hatten wir eine schöne Jugend. Uns hat nichts gefehlt. Es war eben so. Ab 22 Uhr war mit dem Ausgehen Schluss. Das Bier hat nicht geschmeckt. Und das Geld war knapp, selbst um in Nachbarländer zu fahren.“ „Möchtet Ihr zurück in die DDR „- „Nee! Unsere Eltern und vor allem Großelten haben Arges erlebt. Sie tun sich schwer mit der Umstellung. Aber sie freuen sich, wenn sie nach Griechenland fahren können.Und wir machen einen Ausflug nach Prag.“

Da erinnere ich mich, eben an den Spruch der Wende: „Wir wollen raus!“-als Ruf von Demonstranten. NB: Nächstes Jahr wird ein Vindobona-Railjet Dresden direkt mit Wien verbinden-ohne Unterbrechung in Prag.