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Corona infiziert auch unsere Sprache

Nicht einmal unsere Sprache ist immun gegen das Virus. Es verbreitet sich rasant in unserem Sprachgebrauch. Angeregt durch Vorbilder aus Medizin, Politik und Medien.

Udo Bachmair

Kein anderes einzelnes Thema hat in der jüngeren Vergangenheit unser Vokabular so stark bestimmt wie Corona, bestätigen die Sprachforscher des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim. Sie analysieren täglich die 100 Wörter, die in deutschsprachigen Onlinemedien am häufigsten benutzt werden.

Die Coronapandemie infiziert unsere Sprache. Zum Glück, denn sonst würden uns plötzlich die Worte fehlen, sagt die Medien- und Sprachwissenschafterin Susanne Kratzenberg von der deutschen Agentur „New Communication“. Was wir aktuell erleben, sei „Sprachwandel live – und zwar im Zeitraffer“. Eine Krise wie Corona hat gleichsam einen ganzen Wortschatz neu kreiert.

Vor allem die Anglizismen sind rund um die Corona-Pandemie geradezu explodiert. Das Stopfen von Löchern im deutschen Wortschatz mit englischen Fremdwörtern, wie Lockdown, Homeoffice, Homeschooling, Social Distancing etc. hat laut Susanne Kratzenberg einen Haken : Die Bedeutung vieler Anglizismen entspreche nicht oder nur teilweise ihrem Gebrauch im Deutschen.

Die Sprachwissenschafterin macht darauf aufmerksam, dass etwa Lockdown in den USA das Abriegeln von Gebäuden und Territorien bei einem Terroranschlag oder Amoklauf bedeutet. In der Coronakrise steht er im Deutschen für die Schließung zahlreicher Einrichtungen und für den Stillstand des öffentlichen Lebens.

Als weiteres Beispiel führt Kratzenberg den Begriff „Social Distancing“ an, der im Englischen die physische Distanz zwischen Menschen beschreibt. Das deutsche Wort sozial impliziert dagegen gesellschaftliche Solidarität, Verantwortung, und Gemeinsinn. Eingedeutscht „soziale Distanz“ würde also fälschlicherweise Bilder von gesellschaftlichem Abstand und einem Verbot sozialen Miteinanders entstehen lassen. Treffender wäre es, von körperlichem Abstand zu reden.

Die weitere Entwicklung der Pandemie wird offenbar bestimmen, wie lange und wie häufig sich das Coronavokabular hält. „Kandidaten für eine Verankerung im Alltag sind vor allem solche Wörter, die auch eine konkrete Veränderung in der Welt beschreiben“, so die Sprachforscher des IDS. Am Ende dieser Zeit könnten wir die Coronakrise mit einem Begriff verbinden, der dauerhaft völlig neu besetzt sei: das Wort Maske.

Unzählige neue Wortschöpfungen, Anglizismen, Redewendungen und Fachbegriffe prägen den Coronawortschatz. Erklärung und Hilfe bieten zahlreiche neue meist online erscheinende Lexika. Auch die Sprachwissenschaftler des IDS erfassen in ihrem Neologismenwörterbuch zahlreiche neue Wörter, die in der Berichterstattung rund um Corona aufgetaucht sind.

Hier der dazugehörige Link : https://www.ids-mannheim.de/index.php?id=1

Englisch auf den Schlips getreten

Hilde Weiss – Gastbeitrag einer früheren Redakteurin der „Wiener Zeitung“ – Ein aktuell bleibendes Schreiben, das sie an Hans Högl übermittelt hat. Man denke dabei auch an Corona-Wörter ( siehe dazu Beitrag „Corona infiziert auch unsere Sprache“ )

Immer mehr englische Ausdrücke zieren und verunzieren unsere Sprache. In manchen Sätzen gibt es mehr englische als deutsche Wörter. Durch das Englische werde das Deutsche besser (knapper, klarer, schwungvoller), lautet ein Argument der Denglisch-Befürworter. Ist das so? Zum Vergleich: Center, Zentrum; World of fashion, Modewelt; Show, Schau; Container, Behälter; Barbecue, Grill; Corner, Eck; wireless, drahtlos.

In der Tat: Sehr knapp ist das Event. Aber wie präzise ist es? Es ersetzt recht Diverses: Treffen, Ereignisse, Erlebnisse, Feiern, Feste, Geschehnisse, Abenteuer. Auf der Strecke bleiben hierbei Treffsicherheit und Ausdruckskraft. Woher kommt diese Scheu, (vermeintlich) neue Sachverhalte in der eigenen Sprache zu benennen? Als mangelnden Mut zum Eigenen, als Missachtung der eigenen Kultur wird dies kritisiert.

Immer mehr Menschen verschlägt es offenbar die (eigene) Sprache: Das Meiste taucht mit einem englischen Begriff versehen bei uns auf, und und fehlt Selbstwertgefühl, der Angelegenheit in Ruhe einen neuen Namen zu verpassen.

Was fehlt dem Luftsack (Airbag) und was der Hauptzeit (Primetime)? Senkrechtstarter lassen sich gerne als Shootingstar feiern, ohne zu bedenken, dass das im Englischen Sternschnuppe heißt, auch falling star genannt — Inbegriff des Kurzlebigen. Und auch das beeindruckendste Shopping-Center kommt vom mittelenglischen Wort shoppe für Schuppen.

Eigenbauentlehnungen: Obendrein sitzen wir Scheinentlehnungen auf: vieles in unserem Wortschatz klingt englischer als es ist. Zum Beispiel ist Talkmaster eine deutsche Erfindung. Die heißt im Englischen chat-show host bzw. vom talk-show host.

Auch den Dressman sucht man im Englischen vergeblich: dort heißt er male model. Und das Steppen ist Eigenbau nach fremdem Vorbild (to step, schreiten, treten). Handy heißt im Englischen handlich, praktisch, nützlich. Das Mobiltelefon heißt mobile (phone).Ein Handyman ist kein Telefonmann, es ist in geschickter Heimwerker.

Top — das kommt tatsächlich aus dem Englischen. Es existiert aber auch in unserem Zopf, dem „Obersten“, der vom mittelnieder-deutschen Wort top für höchstes Ende kommt, da Zöpfe ursprünglich am Scheitel gebundene Haarbüschel waren.

Als Scheinentlehnung erweisen sich unsere Slips, die „Schlüpfer“ (die „Schlüpfrigen“), die aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen, als die Unterhosen immer kleiner wurden und der alte Name ihnen folglich zu groß. Im Englischen heißen sie allerdings underpants (Unterhosen), panties und briefs (Kurze), und slip meint ein Unterkleid oder einen Unterrock.

Slips gibt es im Deutschen schon sehr viel länger: Sie stecken z.B. im Schlips, in Form des niederdeutschen Wortes Slip für lose Enden (von Halsbinden) und andere Zipfel. Jemand auf den Schlips treten, das meint aber die Rockschöße, die Rockzipfel (und nicht, wie meist angenommen, die Krawatte). Unter Rock muss man sich dabei das Ursprüngliche, nämlich einen Mantel vorstellen.

Sprachdickicht. Österreichisches Deutsch

Hans H ö g l

Einem Gast im ORF-Publikumsrat empfahl ich das Buch dazu aus Schweizer Sicht, nämlich Roger Blum: Unseriöser Journalismus? Beschwerden gegen Radio und Fernsehen in der Schweiz (2016).  Den Bekannten aus dem Klub Logischer Denker, dachte ich, sollte es doch interessieren, beschwerte er sich doch, als Gast und ORF-Gebührenzahler kein Wort zur Diskussion im Publikumsrat beitragen zu können. Seine Antwort: „Ich habe daheim einen Stoß von Büchern, die ich noch nicht gelesen habe“.

Ja, mir geht es ähnlich. Endlich lese ich einige Kapitel aus dem überaus lesenswerten Buch: Robert Sedlaczek, Wenn ist nicht würdelos. Rot-weiß-rote Markierungen durch das Dickicht der Sprache, Ueberreuter 2010. Und da fand ich Bemerkenswertes zum Sprachwandel: Martin Luther war in seiner Bibelübersetzung um den sprachlichen Ausgleich zwischen Nord und Süd des deutschen Sprachraumes bemüht. „Der katholische Süden lehnte allerdings nicht nur Luthers Thesen ab, auch seine Rolle als Sprachreformer stieß auf wenig Gegenliebe.“ (S. 10). Und Maria Theresia holte einen Sprachlehrer aus Thüringen an das Theresianum, um den Schülern „gutes“ Deutsch beizubringen. Dieser Herr und vor allem ein Buch eines Leipziger Oberlehrers trugen zum sprachlichen Minderheitskomplex in Österreich bei.

Aber dies ist Sprach-Geschichte. Robert Sedlaczek  ist Kolumnist in der „Wiener Zeitung“ und erläutert, wie in strittigen Fällen umzugehen ist und dies oft humoristisch. Damit bietet er  mehr als Wörterbücher zur Rechtschreibreform, indem er Begründungen bietet.  Sein Brief an eine Journalistin wegen des Binnen-I ist recht amüsant. Andere Themen: Anglizismen / Spaß oder Spass – beides ist in Österreich möglich. Wer weiß, dass dieses Wort aus dem Italienischen „spasso“ (Vergnügen) kommt? (S. 23)/ wurst, Wurst/ deutsch oder Deutsch mit vielen Tücken/ Floskeln im TV; Spalten mit der Frage „Hätten Sie`s gewusst?“ …..