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Bedrohliches Kriegsgetöse (2)

Medien und Politik schüren Angst und Panik vor einem Angriff Russlands auf die EU und die NATO. Das erhöht die Zustimmung zu weiterer hemmungsloser Aufrüstung.

Wolfgang Koppler *

„Die NATO ist nicht nur von außen bedroht“, lautet ein Artikel jüngst in den Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN). Darüber ein Foto mit Panzer und drauflos stürmenden Soldaten. Stoltenberg und das NATO-Emblem haben offenbar ausgedient und wirken zu wenig kriegerisch.

Anlässlich des uns bevorstehenden 75-Jahr-Jubiläums der NATO im April und wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Probleme im Westen müssen natürlich Ängste vor inneren und äußeren Feinden geschürt werden. Auch um die Opferbereitschaft der Bevölkerung zur Erhöhung der Rüstungsbudgets zu steigern. Und so beginnt der Autor natürlich mit dem äußeren Feind Russland. Ein zunehmend kriegerischer russischer Präsident Putin könnte das Militärbündnis in weniger als einem Jahrzehnt angreifen, wird der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius zitiert (vielleicht sollte er noch seinen Vornamen ändern: Boris könnte zu russisch wirken).

Wer weiß, was dann sein wird ? Auf jeden Fall wäre Putin dann an die 80. Und wer weiß, ob er dann noch am Leben sein wird, wer dann in Russland überhaupt an der Macht ist. Und Russland hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Interesse, Polen, das Baltikum oder gar Schweden anzugreifen. Das sind – aus der Sicht Russlands – keine strategisch oder auch nur kulturell – bedeutsamen Gebiete. Alles andere ist bloße Spekulation und Kaffeesudleserei. Genauso gut können wir uns auf einen Angriff der Außerirdischen vorbereiten oder auf einen Ausbruch eines der 50 Supervulkane, die es auf der Erde gibt. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werden wir aber angesichts der jetzt schon besorgniserregenden Daten in 10 Jahren den Klimawandel und das Elend in den Entwicklungsländern weit stärker zu spüren bekommen als uns lieb ist. Aber mit solchen weitaus realistischeren Vorhersagen steigert man keine Rüstungsbudgets,

Um Politik und Bevölkerung aber trotzdem zu sensibilisieren, muss man Horrorvisionen erzeugen und sich dabei auf Experten berufen. Wie das auch Pistorius tut: „Unsere Experten rechnen mit einem Zeitraum von fünf bis acht Jahren, in dem dies möglich sein könnte“ (man beachte das Wort „möglich“ und mein obiges Stichwort „Kaffeesudleserei“). Da es dem Autor scheinbar darum zu tun ist, die Panik noch zu steigern, stellt er in der Folge einige Suggestivfragen: „Ist der Angriff Russlands gegen die Ukraine nur ein Testlauf, um zu sehen, wie ernst es den westeuropäischen Staaten mit ihrer Verteidigungsbereitschaft ist ? Falls es Putin gelingen sollte, die Ukraine niederzuringen, wendet er sich dann seinem Hauptfeind ‚NATO‘ zu ? Testet er den Artikel 5 des NATO-Vertrages“ ? (Anm: Beistandspflicht)

Um diesen geradezu bohrenden, aber eher substanzlosen Fragen Nachdruck zu verleihen (wobei der Autor zugesteht, dass seine Visionen in Westeuropa als eher unwahrscheinlich abgetan werden), wird dann Schwedens Oberbefehlshaber General Michael Byden zitiert, der die Schweden aufgefordert hätte, sich „mental“ auf den Krieg vorzubereiten. Und dann folgt noch einmal Pistorius, der in seinem Interview die schwedischen Warnungen „aus skandinavischer Sicht als verständlich“ bezeichnet hätte. Ich würde eher sagen, aus Sicht der skandinavischen Regierung und der Militära, die den sich jetzt bald zwei Jahre hinziehenden Beitrittsantrag ja irgendwie rechtfertigen müssen.

Und natürlich darf im gegenständlichen ÖON-Artikel der Hinweis auf die historisch verständliche Besorgnis der Polen nicht fehlen. Weshalb Polen gegenwärtig gefährdet sein sollte, kann der Autor nicht darlegen.

Da dies alles wenig stichhaltig ist, um eine massive Erhöhung der europäischen Verteidigungsbudgets zu begründen, darf natürlich auch die Angst vor einem möglichen Sieg Trumps bei den kommenden US-Präsidentschaftswahlen nicht fehlen. Dieser hat ja – im Gegensatz zu Biden – an Europa und seinen antirussischen Reflexen wenig Interesse und liebt mehr die Auseinandersetzung mit China, Wenn dass kein Grund ist, die europäischen Verteidigungsbudgets hinaufzuschrauben ? Endlich auf die lästige „Friedensdividende“ zu verzichten ? Zumal die Polen ihr Rüstungsbudget schon unter der PiS-Partei auf 4 % (und heuer auf mehr als 4 %) hinaufgeschraubt haben ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Ukraine und Friede 1648?

Wie HEUTE Kriege laufen zeigt der 30-jährige Krieg (Prof. H. Münkler). Darum Rückblende in Ukrainekrise auf Frieden von 1648

Hans Högl – zur TV-Doku „1648. Der lange Weg zum Frieden“

Prof. Herfried Münkler: Wahrscheinlich können nicht Politiker (Putin usw.) die Probleme lösen, sondern es ist ein langes Geschäft der Diplomatie. – Reden Regierungen miteinander, besteht Friedenshoffnung. Eine Rückblende auf 1648 lohnt: Der Krieg um Konfessionen und Macht auf dem Kontinent wurde nicht auf dem Schlachtfeld entschieden, sondern am Verhandlungstisch – nach 30 Jahren Verwüstung, Massenmord, Pest und Cholera.

5 Jahre Verhandlungen zwischen Reich, den protestantischen und katholischen Fürsten, Frankreich und Schweden, gingen dem Vertrag von 1648 voraus. Graf Maximilian Trauttmansdorff legte als habsburgischer Unterhändler 5 Verhandlungsentwürfe vor. Er gilt als Architekt des Friedens. Warum reden wir viel mehr von Kriegsmachern als von Friedensstiftern, den unsichtbaren Gestalten? Wie gelang der Diplomatie der Friede? Ein Dank gilt dem deutschen Historiker Herfried Münkler, dies erforscht zu haben. -Unter Leitung des WDR wurde die Doku „1648- Der lange Weg zum Frieden“ gestaltet, noch abrufbar in der ARTE-Mediathek bis 9. Februar 2 0 2 3 (!) – gesendet vor Mitternacht am 8.2.2021 ab 23:50 – also für Geschichtskenner in einem anspruchsvollen Sender mit 1,5 % Zusehern.

Fokus sind die Friedensverhandlungen selbst und die Akteure. Seit 14 Tagen war der Reiter des Kaisers mit dem Friedensvertrag unterwegs, und dann konnte der kaiserliche Gesandte in Münster den Brief aufs Erste nicht dechiffrieren….Der Vertrag enthielt 300 Paragrafen, jeder davon war umkämpft.-Die Einsicht: Konfessionsfragen können nicht gelöst werden, aber das Zusammenleben ist rechtlich möglich. Das größte Friedenswerk der Neuzeit beendet den Dreißigjährigen Krieg und legt ein Fundament für ein geeintes Europa.

Verletzung des Völkerrechts nur in China?

Erstaunliche Kritik an Menschenrechtsverletzungen des Westens

Hans Högl: Buchrezension. Nils Melzer (2021): Der Fall Assange. Geschichte einer Verfolgung, München. Piper, 1. Aufl.

Bei der Olympiade wird auf Verletzungen der Menschenrechte in China hingewiesen. Mit Recht. Aber wir im Westen sollten auch selbstkritisch sein. Nils Melzer ist Völkerrechtsprofessor, ernannt zum UNO- Sonderberichtserstatter für Folter, ein unbezahltes Ehrenamt. Der gebürtige Schweizer Melzer befasst sich schon 20 Jahre mit dem Kriegsvölkerrecht (p.14) und hat auf vier Kontinenten Gefangene, Häftlinge und Angehörige besucht.Er war Rot-Kreuz-Delegierter in Kriegsgebieten.

Das Buch „Der Fall Assange“ (2021) berichtet auf 336 Seiten von der Untersuchung dieses Falles. Anfangs wollte Melzer dies nicht – weil negativ voreingenommen durch Medienberichte, in denen Assange als „Vergewaltiger, Hacker, Spion und Narzist“ punziert wurde (p. 30). Doch dann untersuchte er den Fall Assange zwei Jahre und rund 10.000 Seiten Verfahrensakte und Korrespondenz.

„Ich schreibe dieses Buch, weil ich bei meiner Untersuchung des Falles Julian Assange auf konkrete Hinweise von politischer Verfolgung, schwerer Justizwillkür und vorsätzlicher Folter und Misshandlung gestoßen bin. Die betroffenen Staaten weigern sich aber, bei der Aufklärung dieser Hinweise mir mir zu kooperieren und die völkerrechtlich verlangten Untersuchungsmaßnahmen einzuleiten.“ (p. 14).

„Ich habe allen vier direkt involvierten Staaten – Großbritannien, Schweden, Ecuador und den USA…mehrfach meine Bedenken kundgetan, Klarstellungen verlangt und konkrete Maßnahmen empfohlen. Keine der vier Regierungen war bereit, sich auf einen konkreten Dialog einzulassen.“ (p. 14f). „Auch innerhalb der UNO-Systems erhielt ich – abgesehen von …Einzelpersonen- kaum Unterstützung“(p.14f.) -auch nicht von der Hochkommissarin für Menschenrechte. Da er innerhalb des Systems nicht weiterkam, entschloss er sich zu diesem Buch.

Seine Folgerung: An Assange soll ein Exempel statuiert werden- zur Abschreckung aller, die die schmutzigen Geheimnisse der Mächtigen ans Licht bringen wollen. Die Bedeutung des Falles Assange macht ein Systemversagen sichtbar, das die Integrität demokratisch-rechtsstaatlicher Institutionen „in schwerer Weise untergräbt“( p. 15f) Für Melzer ist der Fall Assange „die Geschichte schwerster Justizwillkür in westlichen Demokratien, die sich im Bereich des Menschenrechtsschutzes sonst gerne als Vorzeigestaaten darstellen“ (p. 16).

Die NATO und der russische Bär

Der Konflikt zwischen der NATO und Russland rund um die Ukraine dominiert zurzeit die (oft einseitige) außenpolitische Berichterstattung.

Udo Bachmair

Trotz früherer Versprechen westlicher Politiker hat die NATO ihr Einflussgebiet bis unmittelbar zur russischen Westgrenze ausgeweitet. Die baltischen Ex-Sowjetrepubliken sind bereits Mitglieder des westlichen Militärbündnisses, die neutralen (!) Staaten Schweden und Finnland, das eine besonders lange gemeinsame Grenze mit Russland hat, sind potentielle künftige Mitglieder. Zudem sieht sich Moskau durch die EU-Annäherung der Ukraine und eine ebenfalls diskutierte NATO-Mitgliedschaft in seiner Sicherheit bedroht und hat seinerseits Truppen an der Grenze stationiert.

Politik und Medien im Westen sehen meist nur Russland als Provokateur und Säbelrassler. Russische Sicherheitsinteressen und das subjektive Gefühl von Bedrohung durch den Westen werden dabei weitgehend ignoriert bzw. nicht ernstgenommen. Leider auch immer wieder vom ORF, der schon kraft ORF-Gesetz die Vorgabe konsequent zu erfüllen hätte, auch in der außenpolitischen Berichterstattung beide Seiten eines Konflikts mit einzubeziehen.

Diesen immer wieder zu registrierenden journalistischen Qualitätsmangel hat der Welser Außenpolitikexperte Peter Öfferlbauer in einem Schreiben an den ORF folgendermaßen auf den Punkt gebracht :

Das US-Sicherheitsinteresse wird fraglos akzeptiert, aber dem russischen Bären darf man an den Pelz rücken?

Wo Kinder in Stockholm spielen

Vielfältige Kinderspielplätze in Vasastan (Stockholm) u. Vergleich mit Wien.Impressionen

Hans Högl – Kurzreport

Mit meinen Enkelkindern war ich auf vier Kinderspielplätzen im Stadtteil Vasastan in Stockholm. Mir fiel das außerordentlich (!) phantasievolle Spielplatz-Angebot für Kinder auf. Einmal sah ich an einem Anschlagbrett aufgelistet, welche Vielfalt an pädagogischen Zielen verfolgt werden. Nun – diese Spielplätze sind nicht innerhalb von großen Wohnblöcken, sondern räumlich getrennt und in angemessener Distanz zu Wohnanlagen.

Unwillkürlich verglich ich damit die Wiener Situation – vor allem jene i n n e r h a l b großer Gemeindebauten – soweit dies eben erfahrbar ist. Wer kann denn schon eine Millionenstadt überblicken? Ich kenne in Wien im 17. und 16. Bezirk diverse städtische Wohnanlagen, die ich durchquere. Immer wieder sind zu sehen: Verbote, Ball zu spielen und Rad zu fahren. Es ist hier ein Lieblings“sport“, Hinweis- und Verbotstafeln aufzustellen. Wo bleibt Freude am Bewegungstrieb der Kinder?

Doch es ändert sich langsam: Kinder dürfen auf Wiesen lagern, Bewohner sogar kleine Beete anlegen. Und die Stadt Wien bemüht sich, kleinere Plätze im Stadtgebiet für alle Bewohner gefälliger und lebenswerter zu gestalten- manchmal mit Partizipation der Bevölkerung, wo auch recht Positives gelingt- wie am Hamerlingplatz in Wien 8.

Eines kann überaus d e u t l i c h in Stockholm beobachtet werden: Ab 17 Uhr sind in hohem Ausmaß auch Männer anwesend, die Kinder zu den Spielplätzen begleiten. Nun – das gibt es auch zunehmend in Wien- aber hier in Stockholm fällt dies besonders stark auf. Dies ist eine Folge sozialpolitischer Maßnahmen.

In Wien ist gut gelöst, wohl besser als i n Paris, aber auch besser als in Stockholm (!),Ortskundige bestätigen dies: Nämlich es gibt in Wien kaum Banlieues, große Vorstadtzonen (Trabantenstädte) mit einer sehr einkommensschwachen (Migrations) Bevölkerung. In Wien finden sich Gemeindebauten in allen Bezirken, auch in wohlhabenden. Die Vermischung ist gut gelöst, und Wien ist eine sichere Stadt.

Schweden – quer durchs Land

Hans Högl
Nun sind wir  von Buhuslän zurück, der granitfelsigen, von der Eiszeit abgeschliffenen, eindrucksvollen  Westküste Schwedens. Die Sonne war wohltuend warm,  doch das Wasser in Seen und im Meer erreichte nur 19 Grad Celsius. Übrigens: Celsius wie Linné waren Schweden.  Öl tranken wir nur maßvoll. Öl ist das schwedische Wort für recht teures Bier. Quer durch Südschweden führt der  alte Binnen – Götakanal.  In Vadstäna am Vätternsee erfasste uns Staunen über  das belebte katholische Kloster der  umtriebigen Hl. Brigitta,  und wir  genossen köstlichen Lachs am Vänernsee – gleich neun mal so groß wie unser Bodensee.
Schwedens Währung (Die Krone)  wurde um 20 % abgewertet. Dies wurde bei in Österreich wenig beachtet. Und so kommt es, dass Schweden für uns kein teures Reiseland ist. Viele Touristen und auch schwedische Familien nützten Vandrarhems ( Familienwander-Häuser) als preiswerte und meist passable Unterkünfte. Es lässt sich auch meist preiswert essen. Allerdings wer Alkoholika – inklusive hochprozentiges Bier und Wein braucht, hat tiefer in die Tasche zu greifen. In Dänemark und vor allem in Norwegen sind insgesamt die Lebenskosten beträchtlich höher.
Bei unseren Verwandten in Smaland – gelegen im Wald – zwei Autostunden von Malmö und nördlich des fruchtbaren Schonen – finden sich  Granitsteine wie im Waldviertel und es gibt Wald und wieder Wald und viele Seen und wenig Wiesen. Tiefe Stille umfängt einen.  Elche sprangen uns nicht vors Auto. Und wir sind hier im „Glasland“. Hier  erzeugt die Firma Boda ihre künstlerische Werke.  In Smaland schuf  Astrid Lindgren ihre aufmüpfige Pippi Langstrumpf und hier nützte  der IKEA- Gründer  den Holzreichtum.  Auch Zündhölzer werden in Südschweden erzeugt. Von dieser Region wanderten im 19. Jahrhundert viele hunderttausend Schweden   nach Nordamerika aus.
Bei der Rückfahrt sahen wir  in der dänischen Kleinstadt Roskilde den Dom mit den Königsgräbern  und das Wikingermuseum. 800 Jahre alte Schiffe wurden entdeckt und in 25 Jahren Arbeit rekonstruiert. Mit hervorragender Schifftechnik dominerten von   800  bis 1100 die Wikinger  die Meere, überfielen englische Küstenorte, belagerten Paris (!), und die Nordmänner setzten sich in der Normandie und Bretagne fest und eroberten 1066 England. Und in Sizilien bewundern wir ihre Bauten.