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Mediale Wahlkampfsplitter 2024

Wie Medien Politik machen. Teil 1

Blau-Rot ist nicht ausgeschlossen“ betitelt Martina Salomon ihren KURIER-Leitartikel vom 6.1. und beflügelt damit den Wahlkampf der ÖVP.

Udo Bachmair

Mit Bedenken und Angst vor einer Kickl/Babler-Koalition nach der Nationalratswahl gibt die in der Medienbranche als ÖVP-nah geltende Chefredakteurin des KURIER der großen Regierungspartei gleichsam die Wahlkampfstrategie vor. Diese könnte tatsächlich greifen und die in Nöten geratene Volkspartei über die Hürden ihrer angereicherten Probleme hinweghelfen und von Platz 3 auf Rang 2 in den Umfragen bringen.

Vergessen die Erkenntnisse des ÖVP-Korruptionsausschusses, vergessen die Ära des letztlich doch nicht ruhmreichen und fast zum Messias erhöhten ehemaligen Wunderwuzzis Sebastian Kurz, vergessen die Chataffären, vergessen die Vorwürfe gegen ÖVP-Nationalratspräsident Sobotka, etc. etc.– ein nun medial heraufbeschworenes Schreckgespenst, wie eine SPÖ/FPÖ-Koalition kann nun all die schwarzen Schatten wahlkampfmäßig überstrahlen. Der eher farblose Kanzler kann dank KURIER nun auch mehr Farbe abbekommen. Karl Nehammer sieht sich aber unerwarteterweise doch auch mit einer Kritik Martina Salomons konfrontiert: er habe „sich vorschnell der FP-Option beraubt“.

Recht hat die KURIER-Chefredakteurin durchaus mit ihrer Aufzählung von Einzelaktionen im Nationalrat, bei denen die beiden großen Oppositionsparteien gemeinsame Sache gemacht haben. In der „Aufklärungsarbeit“ über „Fehlleistungen“ der ÖVP haben sich vor allem SPÖ-Mandatar Krainer und FPÖ-Abgeordneter Hafenecker zusammen- und hervorgetan. Doch diese punktuellen „Deals“ als Signal für eine mögliche künftige Kooperation auf Regierungsebne zu deuten, greift wohl zu kurz.

Eher nicht richtig liegt Salomon auch mit dem Vergleich, dass SPÖ und FPÖ ja schon einmal miteinander koaliert hätten und sie dies aus diesem Grund wieder tun würden. Denn die politische Lage der 80er-Jahre ist mit der heutigen nicht vergleichbar. Die FPÖ unter Norbert Steger war damals eine liberale Partei, die weit nach rechts gerückte Kickl-Partei ist dies heute wohl nicht mehr. Und die im Gegensatz zu Kreiskys Zeiten heute unter Andreas Babler etwas nach links gerückte Sozialdemokratie würde auf Regierungsebene mit Rechtspopulisten ziemlich sicher nicht kooperieren.

Fakten hin, Fakten her, das vom schwarzen Mammutkonzern Raiffeisen mehrheitlich mitfinanzierte Blatt übt sich gleich am Beginn des Neuen Jahres in Wahlkampfstrategien zugunsten der ÖVP.
Der Einfluss von Medien auf das Wahlverhalten der Menschen ist jedenfalls nicht zu unterschätzen.

Im heurigen Superwahljahr werden wir ja noch Einiges erleben. So werden wir in der neuen Serie „Mediale Wahlkampfsplitter 2024 – Medien machen Politik“ in loser Abfolge weiter dranbleiben.

Der Artikel von KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon ist unter folgendem Link abrufbar:

https://kurier.at/meinung/blau-rot-ist-nicht-ausgeschlossen/402730780

Medialer Trauertag 30.6.2023

Das Aus für die Wiener Zeitung steht unmittelbar bevor. Morgen erscheint die letzte Printausgabe der ältesten Tageszeitung der Welt. Hoffnung auf Weiterbestand muss begraben werden.

Udo Bachmair

Die renommierte „Wiener Zeitung“ ist Geschichte. Alle Appelle und Initiativen zur Rettung des zum Kulturgut gewordenen Qualitätsblattes haben offenbar nichts gefruchtet. ÖVP und Grüne, vertreten durch Medienministerin Susanne Raab und Mediensprecherin Eva Blimlinger haben der Zeitung den Todesstoß versetzt. Der 30. Juni 2022 wird als medialer Trauertag in die Geschichte erbärmlicher Medienpolitik hierzulande eingehen.

Dass die Regierungspartei ÖVP an der Zerstörung der Wiener Zeitung festhalten würde, war nicht weiter überraschend. Sie hat ihren Machtanspruch und ihre Einflussversuche auf Medien während der Kurz-Ära massiv erweitert. Dass aber auch die Grünen, früher leidenschaftliche Fürsprecher von Qualitätsmedien und Medienvielfalt stur geblieben sind, erscheint rätselhaft. Ihre Mittäterschaft am Tod der Wiener Zeitung ist für Politstrategen völlig unverständlich. Vergrämen sie damit doch einen Großteil des bisher durchaus grünaffinen Medien- und Kulturbereichs.

Auch seitens des Bundespräsidenten, dem eine gesunde Medienlandschaft mit Medienvielfalt und Qualitätsjournalismus allein schon aus demokratiepolitischen Gründen ein Anliegen ist bzw. sein sollte, hat es an Unterstützung gemangelt, die älteste Zeitung der Welt am Leben zu erhalten. Der Vorwurf an ihn lautet, die Regierung nicht auf die vorhandenen Alternativangebote zur Weiterführung der Zeitung verwiesen zu haben.

Ungehört verhallt ist übrigens jener Brief, den der legendäre Hugo Portisch gemeinsam mit Heinz Nussbaumer vor 4 Jahren veröffentlicht hat. Darin heißt es unter anderem:

In einer Zeit, in der Qualitätsmedien weltweit einen Überlebenskampf gegen Banalität und Trivialisierung führen müssen – und ihn zu oft auch verlieren –, ist jede Würdigung und Auszeichnung für diese aus vielen Gründen außergewöhnliche österreichische Zeitung ein wichtiger Beitrag, um das Fortbestehen der Wiener Zeitung auch in Zukunft abzusichern.
Diese Hoffnung muss nun begraben werden. Ein möglicher Lichtblick jedoch besteht darin, dass bei einer neuen Regierung nach der nächsten Nationalratswahl die Wiener Zeitung eine Chance auf Wiederauferstehung hat.

Polemik gegen Babler „geistig ungenügend“

Andreas Babler, erst seit einer Woche SPÖ-Chef, werden schon jetzt parteiintern und besonders auch medial Stolpersteine in den Weg gelegt. Dabei „hilft“ der aus der Versenkung geholte altbewährte Kommunismus-Verdacht.

Udo Bachmair

Es war wahrlich Andreas Bablers Woche. Kein Tag, an dem Medien nichts über, für oder gegen ihn veröffentlicht haben. Differenzierungen und seriöse Analysen zu Persönlichkeit und Aussagen des neuen SPÖ-Vorsitzenden sind allerdings weitgehend unterblieben. Mit Ausnahme etwa einer Reportage in der Wiener Zeitung über teils beeindruckende soziale Errungenschaften Bablers als Bürgermeister von Traiskirchen. Ausgerechnet diesem Qualitätsblatt wird auf Betreiben der Regierungsparteien ÖVP und Grüne mit Ende Juni das Leben ausgehaucht.

Die meisten Zeitungen, die tendenziell der ÖVP nahestehen, haben sich weniger mit Inhalten auseinandergesetzt, die Babler präsentiert hat, sie haben vielmehr die Kommunismus-Keule gegen ihn ausgepackt und kräftig geschwungen. Mit sattsam bekannten Unterstellungen, der „linke Demagoge“ (die Presse) würde unser Land direkt in den Kommunismus führen. Dabei wird mit Polemik auch zu anderen Themen nicht gespart. So schreibt etwa der radikal neoliberale Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn in seiner Presse-Kolumne am Samstag, dass allein schon „das Erfragen eines Asylgrundes für einen Bundeskanzler Babler einer unverzeihlichen Menschenrechtsverletzung gleichkäme“.

Weniger fein, aber in ähnliche Richtung äußert sich neben anderen auch der umtriebige Baumeister Richard Lugner, der in Babler eine große Gefahr sieht. Ebenfalls in der Kronenzeitung heute aber auch eine wohltuend besonnene Stimme: So stört Leitartikler Claus Pandi das niedrige Level der Debatte rund um die politische Positionierung Bablers, indem er schreibt:

„Das Niveau der Debatte ließe sich noch heben. Bablers SPÖ nordkoreanische Verhältnisse zu unterstellen, ist geistig ungenügend“.

Wiener Zeitung : 1703 – 2023

Es war zu befürchten: Die Bundesregierung bestehend aus ÖVP und Grünen hat dem traditionellen Qualitätsblatt nun endgültig den Garaus gemacht.

Udo Bachmair

Trotz aller verzweifelter, aber auch hoffnungsfroher Rufe nach Rettung der Wiener Zeitung hat der Nationalrat mit den Stimmen auch der Grünen allen Ernstes diesem Qualitätsblatt den Todesstoß versetzt. Die Printausgabe der ältesten Zeitung der Welt, als Aushängeschild des Qualitätsjournalismus hierzulande längst bereits zum Kulturgut geworden, wird per Jahresmitte eingestellt.

„Eine Schande“, „ÖVP und Grüne Kulturbanausen“, „Krone-Abo für Frau Blimlinger“- so einige der Losungen auf Transparenten, die bei einem Demonstrationszug zahlreicher Menschen durch die Wiener Innenstadt mit Ziel Bundeskanzleramt mitgeführt worden sind. Doch alle Aufrufe, alle Initiativen haben nichts gefruchtet.

Dass die große Regierungspartei ÖVP an der Zerstörung der Wiener Zeitung festhalten würde, war nicht weiter überraschend. Sie hat ihren Machtanspruch und ihre Einflussversuche auf Medien spätestens seit der Kurz-Ära massiv erweitert. Dass aber auch die Grünen, früher leidenschaftliche Fürsprecher von Qualitätsmedien und Medienvielfalt stur geblieben sind, erscheint rätselhaft.

Die Mittäterschaft der Grünen am Tod der Wiener Zeitung, vor allem in Person der Mediensprecherin Eva Blimlinger, ist für Politstrategen völlig unverständlich. Vergrämen sie damit doch einen Großteil des bisher durchaus grünaffinen Medien- und Kulturbereichs. Sie wollen und können nicht begreifen, dass sie damit auch Multiplikatoren verärgern und für sie wichtige Wählerstimmen verlieren werden.

Mit engagierten Redebeiträgen pro Erhalt der Wiener Zeitung sind heute im Parlament hingegen Spitzenvertreterinnen von SPÖ, FPÖ und NEOS aufgetreten. Mit ähnlichen Begriffen und Argumenten, die schon bei der Demo vor dem Kanzleramt geäußert worden waren. Von Skandal, von Wahnsinn, von einem demokratiepolitisch besonders bedenklichen Ereignis, etc. war da die Rede.

Die SPÖ-Abgeordneten hielten demonstrativ Exemplare der heutigen Ausgabe der Wiener Zeitung mit der „Todesanzeige“ als Schlagzeile „1703 – 2023“ in Händen.

Besonders hart auch gegen seine eigene Partei, der ÖVP, ins Gericht gegangen war bei der Demo auf dem Ballhausplatz Ex-EU-Kommissar Franz Fischler: „Woher nehmen sich die ahnungsvollen Leuchten des Politikgewerbes, Medienministerin Raab und Frau Blimlinger, das Recht und die Frechheit, dieser 320 Jahre alten Institution den Garaus zu machen?“.

Auch der bekannte Medienwissenschafter (und Vizepräsident der Vereinigung für Medienkultur) Fritz Hausjell sprach vor den Demonstranten von einem „fatalen Schritt für die Demokratie, nicht zuletzt in Anbetracht der Nachrichten über Message Control und Inseratenkorruption.“ Der Chef der IG Autoren, Gerhard Ruiss, sorgte für einen optimistischen Demo-Ausklang : „Wir geben nicht auf!“

Gewinner als Sieger

Die SPÖ hat bei der Kärntner Landtagswahl 9 Prozentpunkte eingebüßt, bleibt aber mit Abstand stärkste Partei. Leichte Gewinne von jeweils 1,6 Prozentpunkten verzeichnen ÖVP und FPÖ. Letztere jedoch gilt in fast allen Medien fälschlicherweise als „Wahlsiegerin“.

Franz Schlacher *

Als Anlass-Wechselwähler und phasenweise auch ideologisch, jedenfalls parteipolitisch „Ungebundener“ verspüre ich großes Unbehagen, wenn Redakteurinnen und Redakteure in mutmaßlich unabhängigen Print- und Online-Medien das politische Vokabel „Wahlsieger“ immer wieder strapazieren, aber den Fakten widersprechend verwenden. Belege finden sich in Qualitäts-Medien ebenso wie in Boulevard-Medien, regionalen Medien, etc.). Was ist das? Unbedachte, bestenfalls unbeabsichtigte, schlimmstenfalls jedoch beabsichtigte Partei-Propaganda? Harmloser Fertigteil-Journalismus im Mainstream-Jargon? Oder einfach superlativ-verliebter Schreib-Duktus? Was auch immer. Für mich als Medien-Konsument ist das jedenfalls eines: Falsch-Information! Und in ihrer Aufdringlichkeit gar nicht mehr harmlos.

Beispiele:

vienna.at

„Ergebnis steht fest: FPÖ ist der Wahlsieger in Niederösterreich
Die FPÖ legte stark zu und erreichte nach den 14,76 Prozent von 2018 nun 24,19 Prozent. Damit überholten die Freiheitlichen die SPÖ, die gut drei Prozentpunkte einbüßte.“

Die Presse 29.01.2023 um 21:31, von Ulrike Weiser

Das Ende der schwarzen Allmacht in Niederösterreich
„Die ÖVP braucht nun zum Regieren einen Partner. Der Wahlsieger FPÖ will nicht – bleibt nur der Wahlverlierer SPÖ.“

DER STANDARD Michael Völker 29.1.23

Der große Wahlsieger in Niederösterreich ist eindeutig die Freiheitliche Partei. Das hat weit über Niederösterreich hinaus Bedeutung.“

meinbezirk.at

Klarer Wahlsieger der Landtagswahl 2023 ist die FPÖ. In Wien sind die Gefühle ob der ersten Ergebnisse gemischt.

… Als klarer Wahlsieger geht die FPÖ mit Udo Landbauer hervor, die Partei kommt laut Hochrechnungen auf knapp 25 Prozent. Damit belegen die Blauen erstmals Platz zwei in Niederösterreich“. (Anm.: ein klarer Wahlsieger auf Platz zwei?)

Anm.: Laut Duden ist (wie zu erwarten) ein Sieger der Erste/der Beste. Beispiel: „Sie ging als Erste (als Siegerin) durchs Ziel.“

Georg Renner – kleinezeitung.at – Rubrik „Meinung“

„Die niederösterreichische Landtagswahl ist geschlagen, und im ehemals schwarzen Kernland überstrahlt ein beispielloser blauer Wahlsieg alle anderen Parteien.“

ORF ZIB2 – Armin Wolf – 5.3.2023 (Abend nach der Kärntner Landtagswahl)

„Außer der SPÖ haben heute alle gewonnen.“

Es ginge auch so: teilweise korrekt (faktisch, weniger stilistisch)

ORF ZIB2 – Armin Wolf – 5.3.2023

„Peter Kaiser hat nach 2 Wahlsiegen heute eine krachende Niederlage eingefahren“ –
„Außer der SPÖ haben heute alle gewonnen.“…

Übrigens: Armin Wolfs Kommentar zum Wahlergebnis in Kärnten, wonach Landeshauptmann Peter Kaiser „eine krachende Niederlage“ eingefahren habe, ist weder originell noch originär. Er ist eine Anleihe bei Dominik Nepp aus dessen Laudatio anlässlich der NÖ-Wahl: „Udo Landbauer hat einen sensationellen Erfolg für die FPÖ erreicht. Sowohl ÖVP als auch SPÖ wurden heute krachend abgewählt“.

Abschließend zwei Beispiele, wie es einfach UND korrekt ginge:

https://www.klick-kaernten.at/615542023/kaernten-hat-gewaehlt/
Margit Dietrich

„SPÖ: Ein erster Platz, der schmerzt

Gewinner der Wahl ist die SPÖ, die mit 38,9 Prozent die meisten Stimmen erhielt. Da dieses Ergebnis einem Verlust von 9,02 Prozent zur letzten Landtagswahl im Jahr 2018 entspricht, stellt sich das Wahlergebnis für die SPÖ als große Niederlage dar.“

faz.net – Stephan Löwenstein – 5.3.2023

Kärntens Wahlsieger Kaiser: Mit einem blauen Auge davongekommen ….“

* Mag. Franz Schlacher, langjähriger AHS-Lehrer, lebt in Neunkirchen. Er ist Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

ORF-Orchester vor dem Aus ?

Lässt die Regierung nach der Wiener Zeitung nun auch das hervorragende ORF-Radiosinfonieorchester (RSO) im Stich ?

Udo Bachmair

Roland Weißmann, seines Zeichens Generaldirektor des größten heimischen Medienkonzerns, musste kürzlich zum Rapport. ÖVP-Medienministerin Susanne Raab machte ihm dabei unmissverständlich klar, dass der ORF weitere hunderte Millionen einsparen müsse. Für manche auch bisher durchaus erfolgreiche Bereiche des Unternehmens eine Existenzfrage.
So drohen personelle Einschnitte u.a. auch in den so wichtigen TV- und Radioinformationsbereichen des ORF, nicht zuletzt auch programmliche Einschränkungen im bewährten Kultur- und Informationssender Ö 1.

Gilt das Ende des ORF-TV-Sport-Kanals als bereits fix, wofür sich angesichts des extrem ausufernden Sportbudgets durchaus Verständnis aufbringen lässt, so besteht noch geringe Hoffnung, dass das renommierte ORF-Sinfonieorchester eine Überlebenschance erhält. Doch die Frage bleibt vorerst offen, ob dem RSO ein Schicksal der Wiener Zeitung erspart bleibt. Das wäre für die Kulturnation Österreich wohl eine erbärmlich kleingeistige Entwicklung, sind sich empörte Kultur- und MedienbeobachterInnen einig.

Der Kultur- und Musikbereich ist bzw. war traditionell eher grünaffin. Dies dürfte spätestens nach der unermüdlichen Beharrlichkeit der grünen Mediensprecherin Eva Blimlinger, die mittlerweile als Kultobjekt geltende Wiener Zeitung bedenkenlos fallen zu lassen, nur mehr eingeschränkt der Fall sein. Sollten die Grünen sich auch in der Causa RSO zurückhaltend zeigen, würde dies in der Kultur- und Medienbranche auf höchstes Unverständnis stoßen.

Die grüne Mediensprecherin Blimlinger dürfte jedoch in Sachen RSO mittlerweile eines Besseren belehrt worden sein. In einigen Medien wird sie heute mit dem Satz zitiert: “ Das Radiosinfonieorchester ist für den Kulturstandort Österreich unersetzbar“. Hoffnung keimt also auf für den hervorragenden Klangkörper.

Jetzt gilt es „nur“ noch, den großen Koalitionspartner zu überzeugen und nicht zuletzt auch ORF-Generaldirektor Roland Weißmann. Diesem scheint bis dato nicht bewusst zu sein, dass er mit dem RSO auch einen nicht unwesentlichen Teil des öffentlich-rechtlichen Kulturauftrags des ORF opfern würde. Ihm wäre mehr Selbstbewusstsein gegenüber den Regierungsparteien zu wünschen.

Jedenfalls läuft der Countdown für die Entscheidung über das ORF-Orchester: Am 23. März will bzw. muss der ÖVP-dominierte ORF-Stiftungsrat die geforderten Sparmaßnahmen absegnen.

Eine Petition für den Erhalt des RSO können Sie über folgenden Link unterzeichnen :

mein.aufstehn.at/petitions/sos-rso-rettet-das-radiosymphonieorchester-wien

Verbales Tauziehen um Zwingli

Eine missbräuchliche Verwendung des Namens Zwingli im STANDARD erregt Verwunderung. Mit Zwingli titulierte der Autor des „Einserkastls“ den neuen alten Kommunikationschef der ÖVP.

Udo Bachmair

Der Meister der Message Control, Gerald Fleischmann, sattsam bekannt in Redaktionen des Landes für seine Intervenitis zugunsten seines Intimus Sebastian Kurz, werkt nun also wieder als ÖVP-Kommunikationschef. Was als Signal nach innen verständlich erscheint, um die Kurz-Nostalgie innerhalb der Partei zu befriedigen, hat nach außen eine fatale mediale Wirkung.

Nahezu alle Medien haben die Rückkehr des umstrittenen Medienmannes äußerst kritisch kommentiert. Sie wissen, warum, nämlich aus leidvoller eigener Erfahrung, wie mir auch Ex-Kollegen aus dem ORF die zahllosen Interventionen Fleischmanns zugunsten von Kurz bestätigen.

Auch der STANDARD hat in seinem „Einserkastl“ die leidige Causa ganz unverblümt kommentiert. Autor Christoph Winder hat sich jedoch mit der für Fleischmann verwendeten Bezeichnung „Zwingli“ erwartbare Kritik vor allem seitens der Evangelischen Kirche H.B. eingehandelt.

Zunächst ein Zitat aus dem erwähnten STANDARD-Kommentar :

Der neue alte Zwingli der ÖVP heißt seit kurzem wieder Gerald Fleischmann. Ihm traut man zu, dass er die ganze kommunikative Palette von „Das sagen wir lieber nicht“ bis „Halt sofort die Goschen“ draufhat und zudem süße Erinnerungen an die goldene türkise Zeit wachhält.
Bleibt nur zu hoffen, dass ihn die Staatsanwaltschaft nicht zu häufig bei der Arbeit stört. Die lässt sich das Goschenhalten nämlich nur ungern anschaffen.

(Christoph Winder im STANDARD-Einserkastl)

Der Verfasser der Glosse hätte wissen müssen, dass vor allem auch die Evangelische Kirche helvetischen Bekenntnisses die missbräuchliche Verwendung des Wortes „Zwingli“ klar ablehnen würde.

Landessuperintendent Thomas Hennefeld dazu in einem Brief an den STANDARD:

Als Vertreter einer kleinen konfessionellen Minderheit bin ich daran gewöhnt, dass die meisten Menschen mit dem Namen „Zwingli“ nicht viel anfangen können. Dass ich aber den Namen des Reformators im Zusammenhang mit dem neuen alten ÖVP-Kommunikationschef lesen muss, macht mich sprachlos. Zwingli hatte auch seine Schattenseiten, aber er steht in unserer Evangelischen Kirche H.B. in Österreich bis heute für das Aufbrechen verkrusteter Strukturen, für die weitgehende Beseitigung der Armut und für die Befreiung der Menschen von Tyrannei und Willkür. Ulrich Zwingli wetterte gegen die Profitgier der Reichen und prangerte das damals herrschende korrupte System an. Er richtete sich auch auf der Kanzel gegen Verlogenheit, Doppelmoral und Heuchelei. Die Kirche, in der ich als Gemeindepfarrer tätig bin, heißt übrigens Zwinglikirche.
(Mag. Thomas Hennefeld, Gemeindepfarrer und Landessuperintendent der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich)

ORF: Todesstoß nur knapp abgewendet

Jüngste Enthüllungen zeigen, wie knapp der ORF an seiner Zerschlagung vorbeigegangen ist.

Udo Bachmair

Um ein Haar wäre sie Realität geworden: Die Zerschlagung des ORF. Der Machtrausch der Regierung Kurz/Strache nach dem Vorbild des Autokraten Viktor Orban hätten den ORF und letztlich auch die übrige Medienlandschaft Österreichs beinahe unter totale Regierungskontrolle gebracht. Das geht einerseits aus Straches auf Ibiza geäußerten Plänen hervor, einen ORF-TV-Kanal an einen superreichen Investor zu veräußern. Andererseits aus den nun enthüllten Geheimabsprachen aus der Zeit der ÖVP/FPÖ-Koalition, dem ORF die Gebühren zu streichen.

Diese Maßnahme hätte den ORF ins Mark getroffen. Vor allem aber auch die Absicht, den Wegfall der ORF-Gebühren mehr oder weniger aus dem Bundesbudget auszugleichen. Damit wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk fix an die schwarz-blauen Kandare genommen worden. Der Plan war jedoch zum Scheitern verurteilt. Er war an die Öffentlichkeit gelangt und hatte entsprechenden Widerstand erzeugt. ÖVP und FPÖ mussten sich damit begnügen, sich zumindest die wichtigsten Führungspositionen im Unternehmen aufteilen zu können.

Der Unart der Geheimabsprachen konnte sich auch der grüne Koalitionspartner nicht entziehen. Er wurde dabei ertappt, ebenfalls Absprachen über personelle ORF-Besetzungen getroffen zu haben. Der Unterschied zu schwarz-blau ist jedoch evident: Während die ÖVP/FPÖ-Koalitionäre den ORF in seiner bisherigen Form offenbar nicht mehr wollten, wehrten sich die Grünen als neuer Partner gegen eine Zerschlagung des öffentlich rechtlichen Rundfunks. Jedenfalls bisher erfolgreich. Auch demokratiepolitisch ein Erfolg.

Übrigens hält das ORF-Gesetz ( § 1 ) die „Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des ORF“ fest. Eine Pflichtlektüre für all diejenigen, die den ORF parteipolitisch missbrauchen wollen.

Die ORF-Journalist*innen haben die auch vom ORF-Redakteursstatut zugesicherte Eigenständigkeit immer wieder verteidigt und zu Teilen auch erhalten können. Klar äußert sich der durchaus selbstbewusste Redakteursrat zu den umstrittenen Nebenabsprachen:

„Wir verurteilen die Postenschacherei auf das Schärfste“

Gefügig durch Inseratenkorruption ?

Der Versuch von Regierenden, Medien zu beeinflussen, um sie u.a. mittels Inseraten gefügig zu machen, hat in der jüngsten Debatte eine neue Dimension erreicht.

Udo Bachmair

„Inseratenkorruption“ lautet ein Schlagwort rund um die Vorwürfe gegen Ex-Kanzler Kurz und seine „Prätorianer“ (Kurier). Es war doch schon immer so in unserem Lande. Ja, sagen Politexperten, doch die Qualität sei nun doch eine erschreckend neue. Da habe sich eine junge machttrunkene Truppe angeschickt, nicht nur gegen den eigenen Parteichef zu putschen („alte Deppen“ laut SMS des Kurz-Intimus Thomas Schmid), sondern auch mit fragwürdigen Methoden die Macht im ganzen Land zu erobern. Mit frisierten und aus Steuergeld finanzierten Meinungsumfragen sowie mittels besonders gehäufter Schaltungen von Inseraten in der Kurz-ergebenen Fellner’schen Gratispostille „Österreich“.

In einer Veranstaltung des Presseclubs Concordia gestern Abend in Wien sind die Themen Inserate und Presseförderung erneut zur Sprache gekommen. Eine Diskussion, die nun, nach den unsäglichen Entwicklungen rund um versuchten Medienkauf durch die größere Regierungspartei neu Fahrt aufgenommen hat. Die ÖVP habe laut ORF-Insidern immer wieder probiert, auch in ORF-Redaktionen „hineinzuregieren“. Der Verleger Eugen Russ ( Vorarlberger Nachrichten ) kritisiert, dass Presseförderung hierzulande nach Gutsherrenart erfolge und nicht nach demokratischen Grundsätzen. Jedenfalls bestehe Medienpolitik in Österreich nicht darin, Qualitätsjournalismus zu fördern, sondern Werbeträger.

Ähnlich Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclubs. Sie hält die Regierungswerbung in der jetzigen Form für einen Systemfehler, der zur Korruption anrege, darüber hinaus wettbewerbsverzerrend und intransparent sei. Was tun ? Presseförderung müsse auf Qualitätsjournalismus abzielen. Kriterien müssten u.a. Qualitätssicherungsmechanismen in Redaktionen, Fehlermanagement und Weiterbildung sein. Besonders wichtig seien Sorgfalt und Einhaltung ethischer Grundregeln. Der Presseclub Concordia- Kooperationspartner der Vereinigung für Medienkultur- hat dazu ein eigenes profundes Konzept entwickelt.

Ebenfalls am Podium der erwähnten Diskussion war der Politikwissenschafter und Medienpolitik-Forscher Andy Kaltenbrunner. Er hat für eine umfassende Studie * erhoben, dass die Buchung von Inseraten oft sehr willkürlich erfolge, ohne klare Kommunikationsziele sowie mit bevorzugter Behandlung einzelner Medienhäuser, vor allem im Boulevard-Bereich. Die Inseratenbuchung könne bei Medien “Wohlwollen für persönliche Zwecke“ sichern, so heißt es übrigens in einem internen SMS des Finanzministeriums..

• Die Studie hat den Titel „Scheinbar intransparent“ – Inserate und Presseförderung der österreichischen Bundesregierung. Erschienen im Delta-Verlag.

Illiberale Demokratie ante portas ?

Wandelt Österreich in Richtung „Orbanismus“ ? In einem bemerkenswerten Interview für die jüngste Ausgabe der Zeitschrift „Österreichs Journalist:in“ ortet der einflussreiche Verleger Horst Pirker entsprechende Gefahren.

Udo Bachmair

Pirker spricht in dem Interview das aus, was kein großer Verleger vor ihm jemals so deutlich gesagt haben dürfte. Österreich sieht der erfahrene Medienmann auf dem Weg in eine illiberale Demokratie. Die Medien seien auf strategischen Irrwegen, viele davon komplett abhängig von der türkis eingefärbten Regierungspartei ÖVP. Pirker bezieht sich dabei unter anderem auf die riesigen Geldflüsse für Anzeigen und Regierungspropaganda. Details dazu werden demnächst in seinem neuen Buch aufgelistet.

Weitere Themen des ebenfalls dieser Tage erscheinenden Magazins „Österreichs Journalist:in“: Das Sesselrücken im ORF, Milliardeninvestitionen von Google und Facebook zur Beeinflussung von Medien, die Debatte um die Krise des Journalismus, das „Meinungsasyl“ auf Servus TV, Tipps zur Gründung von Medien-Start-ups u.v.a.m.. In eigener Sache wirbt der Herausgeber des renommierten Medienmagazins, Johann Oberauer, für die neue Website www.journalistin.at Diese informiert über aktuelle Jobangebote und wer gerade wohin wechselt.