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Kriegsrhetorik statt Friedensbemühungen

Westliche Medien und Politik plädieren überwiegend für ausschließlich militärische Lösungen, für den Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld. Wie Medien darüber berichten, gleicht sich oft in erstaunlicher Weise.

Udo Bachmair *

Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist absolut zu verurteilen. Es ist und bleibt unfassbar, dass eine Aggression dieser Art in Europa auch in diesem Jahrhundert noch stattfinden würde. Ein Schlag ins Gesicht jenes zivilisatorischen Fortschritts, den viele bis vor gut einem Jahr in Europa noch als existent und erreicht betrachtet hatte. Krieg ist per se ein Verbrechen.

Das heißt jedoch nicht, die Vorgeschichte des aktuellen Krieges, Kriegspropaganda, Sinnhaftigkeit sogenannter Militärlogik sowie vor allem Friedenschancen auszublenden. Besonderes Interesse gebührt dabei der Rolle der Medien und deren Verantwortung. Viele von ihnen haben sich von Differenzierung und damit auch von Qualitätsjournalismus verabschiedet. Vor allem deutsche, aber auch österreichische Medien gefallen sich vielfach darin, jene Kräfte in Politik und Medien, die auf Verhandlungen und Friedenskonzepte drängen, als naiv, nicht empathisch, als Putins Trolle, etc. abzuqualifizieren. Jene, die dringend für ein Ende der Lieferung schwerer Waffen appellieren, bevor die Lage weiter eskaliert, gelten als Realisten.

Im Grunde sind es zwei polarisierende Positionen, die den Disput rund um den Ukraine-Krieg dominieren : Einerseits die Überzeugung, ein Ende des Krieges sei nur durch einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld erreichbar. Andererseits die Annahme, der Krieg und weiteres Leid könnten bald nur dadurch beendet werden, dass endlich auch diplomatische Bemühungen mit Aussicht auf eine Friedenslösung sichtbar werden. Letztere Position wird von Medien und Politik im Westen mehrheitlich nicht geteilt. Im Gegenteil: Jene Menschen, die leidenschaftlich für Frieden ohne weitere schwere Waffen demonstrieren, werden als „Friedensschwurbler“, als moralisch verkommen, als Befürworter eines „Diktatfriedens“ bzw. eines „Friedensdiktats“ verunglimpft. „Putinversteher“ oder „Russlandversteher“ gelten ohnehin als Schimpfwörter schlechthin.

Wortführerinnen der Kriegsrhetorik ist die als Hardlinerin auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gewordene FDP-Abgeordnete Strack-Zimmermann sowie überraschenderweise auch die grüne Außenministerin Bärbock. Ausgerechnet die Grünen, die sich früher noch als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung verstanden haben, ergehen sich nun in militaristischer Ideologie. Bühne bieten ihnen bemerkenswerterweise vor allem die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF, die wie hierzulande der ORF auch in der außenpolitischen Berichterstattung zur Ausgewogenheit verpflichtet wären. Sendungen wie „Hart aber fair“ oder „Maischberger“ oder „Anne Will“, lassen zumeist jene Podiumsgäste, die differenzierend und deeskalierend argumentieren, kaum zu Wort kommen oder werden erst gar nicht eingeladen. Auch der ORF hat sich über weite Strecken in den Mainstream eingeklinkt, Gegenpositionen zu Kriegslogik und antirussischer Feindbildpflege erscheinen weitgehend unerwünscht. Seriöse Politologen, wie Heinz Gärtner, oder engagierte Friedensforscher wie Werner Wintersteiner oder Thomas Roithner, werden selten oder nicht mehr als Studiogäste befragt.

Besonders Boulevardmedien scheinen einander in Kriegsrhetorik und Dämonisierung Russlands zu überbieten. Im Gegensatz zu Wladimir Putin wird der Präsident der Ukraine, Staatschef eines wie Russland autokratischen und korrupten Staates, im Westen zum Helden und lupenreinen Demokraten stilisiert, für den „wir“ Krieg führen.„Wir führen Krieg gegen Russland“ ließ die deutsche Außenministerin im Europarat ja ihrer wenig diplomatischen Haltung freien Lauf..

Mehrere Untersuchungen belegen mittlerweile überwiegende Einseitigkeit der meisten deutschen Leitmedien, ein Befund, der wahrscheinlich auch auf Österreich übertragbar ist. So hat „Cicero-Magazin für politische Kultur“ eine Studie veröffentlicht, die fehlende Meinungsvielfalt in der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg ortet : www.cicero.de/aussenpolitik/studie-zur-berichterstattung
Auch die deutsche Otto-Brenner-Stiftung belegt, dass die Medien „überwiegend“ für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine plädieren: www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/publikationen.
Auffallend ist dabei das Auseinanderklaffen zwischen der Meinung der Bevölkerung und der medial veröffentlichten Meinung. Umfragen zufolge sind mittlerweile mehr als 50 Prozent der Befragten gegen die weitere Lieferung schwerer Waffen ins Kriegsgebiet.

Vernebelt vom Schwarz/Weiß-Denken und dem Festhalten an einem starren Freund/Feind-Schema stellen westliche Medien ukrainische Quellen meist als ernstzunehmend dar. Von russischer Seite kommende Meldungen werden als unglaubwürdig und propagandistisch bezeichnet. Auch beim Konsum von ORF-Nachrichtensendungen bleibt als Botschaft nicht selten der Eindruck hängen, dass ukrainische „Informationspolitik“ als faktenbasiert vermittelt wird, Russland hingegen würde bloß mit Fakes und Propaganda agieren.

Dass es auch differenzierend geht, beweist immer wieder der besonnene und sachorientierte ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, der sich jenseits bloßer Kriegsrhetorik und wegen seiner differenzierenden Wortwahl große Wertschätzung erworben hat. Wehrschütz kann auf authentische Quellen vor Ort verweisen, die meisten Redaktionen westlicher Medien können dies nicht. Deren Hauptquellen sind die großen US-nahen Agenturen, die nur eine Seite geopolitischer Weltsicht repräsentieren. Wehrschütz hat in einer gut besuchten Podiumsdiskussion der Vereinigung für Medienkultur von der „Demut des Nichtwissens“ gesprochen. D. h. es ist journalistisch durchaus korrekt, zuzugeben, dass mangels seriöser Quellen oft keine entsprechende Einschätzung eines bestimmten Sachverhalts ergeben kann.

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dabei helfen einzelne Begriffe und Worte, wie sie auch in Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt auf, dass Äußerungen russischer Politiker meist mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- , NATO- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc.. Diese werden bewusst, aber oft auch unbewusst bzw. automatisiert und verinnerlicht als positiv geladene Begriffe gesetzt.

Wie ist nun die inhaltlich weitgehende Angleichung in der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg zu erklären ? Sind die JournalistInnen Opfer staatlich gelenkter Manipulation ? Im Buch „Die vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer findet sich dazu eine interessante These: In den Medien gebe es „ganz eigene Echokammern einer Szene, die vor allem darauf blickt, was der jeweils andere gerade sagt oder schriebt, ängstlich darauf bedacht, bloß nicht zu sehr davon abzuweichen.“ Ein Konformismus, der auf Kosten von Qualitätsjournalismus geht und nicht zuletzt auch demokratiepolitisch bedenklich ist. Vor diesem Hintergrund machen Medien zunehmend Politik bzw. treiben die Politik vor sich her Ein Beispiel dafür der starke mediale Druck auf den deutschen Kanzler Scholz. Der hat mit dazu beigetragen, dass sich dessen zunächst eher besonnene Haltung zur Lieferung von Kampfpanzern nachhaltig gewandelt hat.

Der Irak-Krieg im Jahr 2003 war ebenfalls ein Angriffskrieg, damals ausgeführt von den USA. Nur durfte man damals diese Bezeichnung in Moderationen nicht verwenden, wie es der Autor dieser Analyse als früherer ORF-Redakteur selbst erlebt hat. Zudem sind damals völkerrechtswidrige Aspekte weitgehend ausgeblendet worden. Auch im Zusammengang mit den weiteren von NATO und den USA geführten Kriegen.

Solange der Westen sich nicht auch in die geopolitische Interessenslage Russlands hineindenken kann, Stichwort dazu die NATO-Erweiterung, so lange werden keine effektiven Friedensschritte zu erwarten sein. Leider sind auch aufseiten Russlands keine Friedenssignale zu vernehmen, Putin verharrt in seiner seltsam historisch basierten imperialistischen „Kriegslogik“. Das muss allerdings nicht so bleiben. Auch der Westen, allen voran die EU, sollten nicht auf Dauer an militaristischer Ideologie im Zusammenhang mit diesem Krieg festhalten. Gefordert wären diesbezüglich vor allem auch die Medien.

Es gilt einer von Friedensethik getragenen aktiven Friedenspolitik das Wort zu reden, die auch Kompromissen Raum geben müsste. Weiter aufheizende Kriegsrhetorik sowie fortgesetzte Feindbildpflege lassen ein sehnlichst erwartetes Kriegsende in noch weitere Ferne rücken.

• Dieser Beitrag von Udo Bachmair ist in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Spinnrad“ des Österreichischen Versöhnungsbundes erschienen

Sicherheit statt Freiheit

Unsere Werte durch maßlose Polizei- und Militärmaßnahmen verteidigen ?

Udo Bachmair

Die Kriegsrhetorik in Politik und Boulevardmedien nach den Attentaten von Paris wird immer ungezügelter. Sie geht Hand in Hand mit weiteren intensiven Luftschlägen in Syrien und einer seit 9/11 beispiellosen Ausweitung militärisch-polizeilicher Maßnahmen auch innerhalb der EU. Kriegsrhetorik gepaart mit sukzessiver Einschränkung von Bürgerrechten wird im öffentlichen Diskurs nicht selten mit der „Verteidigung unserer Werte“legitimiert.

Vor diesem Hintergrund übt der Terrorexperte Wolfgang Zellner vom Institut für Friedensforschung an der Universität Hamburg scharfe Kritik an der (insbesondere von politischen Akteuren in Frankreich genutzten) Kriegsrhetorik.

„Was soll die Kriegsrhetorik, wenn ein guter Teil der Probleme hausgemacht ist“, fragt Zellner. Schließlich seien die Terroristen, die die Anschläge in Paris verübt hätten, weitgehend Bürger Frankreichs und Belgiens gewesen, also „von innerhalb der EU“ gekommen: „Es ist nicht klar, was man da jetzt mit kriegerischen Mitteln erreichen will.“

Die Kriegsrhetorik werde nur „die Wut bei jenen Menschen weiter anfachen“, welche „die westliche Kultur hassen“: „Es ist ein Eskalationsschritt, auf den die Gegenseite in der Regel mit weiterer Eskalation antwortet.“

Wohin kann ungebremste Kriegsrhetorik letztlich führen ? Die Geschichte gibt darauf bittere Antworten… Im Folgenden ein in der Wiener Zeitung erstmals veröffentlichter Kommentar der renommierten Politikwissenschafterin und Direktorin des „European Democracy Lab“ Berlin, Ulrike Guerot :

Wider die Kriegsrhetorik

Wenn wir nicht begreifen, dass jedes Menschenleben gleich viel Wert hat, haben wir den Krieg gegen den IS schon verloren.

So schnell geht das also. Vergangenes Jahr haben wir noch die Erinnerung an 1914 zelebriert; dann waren wir noch damit beschäftigt, das „Friedensprojekt Europa“, das uns plötzlich nicht mehr schmeckt, zu beerdigen. Jetzt ist also „Krieg“.

Schon werden Flugzeugträger versetzt, ein Hauch von Mobilmachung liegt in der Luft. Um es vorweg zu sagen: Die Anschläge auf Paris waren heimtückisch, martialisch und barbarisch und sind durch nichts zu entschuldigen. Indes, nur einen Tag vor Paris, töteten zwei Selbstmordattentäter in Beirut mehr als 40 Menschen – wo war da der Aufschrei in den westlichen Medien?

Krieg ist ein völkerrechtlicher Begriff. Man tritt aus der zivilen Normalität heraus. Werden wir formal den Krieg erklären und, wenn ja, wem? Dem IS, der Staat sein will, aber keiner ist? Und was ist unser Kriegsziel? Die Vernichtung des IS und die vollständige Befreiung des syrischen Volkes? Die unangenehme Wahrheit ist: Wir wollen nicht unsere Werte, sondern unsere Sicherheit, unser Leben und unseren Wohlstand verteidigen. Denn wenn es um die Verteidigung unserer Werte ginge, hätten wir diese schon lange verteidigen sollen.

Mit dem Gerede von der „Verteidigung unserer Werte“ wird erstens nur der Steigbügel gehalten für eine maßlose Aufrüstung von Polizei-und Sicherheitsmaßnahmen in ganz Europa. Das aber führt in die Sackgasse, weil der IS damit genau das bekommt, was er will: dass wir uns selbst unserer Freiheit berauben und demnächst unter Video-Kameras ins Restaurant gehen. Und zweitens für eine maßlose militärische Aufrüstung, für die jetzt im Handumdrehen mehr Geld mobilisiert werden dürfte, als wir für die Flüchtlinge je bereitwillig ausgegeben hätten. Sicherheit statt Freiheit weiterlesen