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Konstruktiver Journalismus als Korrektiv

In einem Gastkommentar* für die Wiener Zeitung fragt sich Werner Wintersteiner, Gründer und ehemaliger Leiter des Zentrums für Friedensforschung und Friedenspädagogik der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, ob die Corona-Kluft als demokratische Chance zu sehen sei.

Ilse Kleinschuster**

Werner Wintersteiner ist Autor des Buchs „Die Welt neu denken lernen“. Er meint, es werde nicht reichen für die Impfung zu werben und wir können den Unzufriedenen und Beleidigten ihre Emotionen nicht ausreden, aber wir können vielleicht erreichen, dass sie früher oder später selbst andere Prioritäten setzen; zumindest jene, die bereit sind, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen.

Wintersteiner schlägt vor, verschiedene und durchaus widersprüchliche Maßnahmen zu ergreifen: Widerstand gegen die Rechtsradikalen; Dialog über die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen, vor allem das Impfen, und zwar aus gesamtgesellschaftlicher Solidarität; Dialog nicht nur als staatliche TV-Propaganda, sondern im Lokalen, im Nachbarschaftlichen, im Alltag. Es brauche aber auch die Herausforderung an die Protestierenden, gegen die wirklichen Probleme aufzutreten.

Ja, ich glaube, hier könnte ein konstruktiver Journalismus als Korrektiv helfen. Denn, ist die Berichterstattung in den letzten Monaten nicht sehr unausgewogen was die möglichen Problempakete für unsere Zukunft betrifft? Ich erlebe es jedenfalls so -, wie sehr das neue Virus die Aufmerksamkeit fesselt und somit die Wirtschaft und das Leben vieler Menschen beeinflusst. Dies wird zwar in Kreisen der Befürworter einer „Großen Transformation“, eines „Green New Deal“, nicht unbedingt nur negativ gesehen.

NUN, es ist ja lobenswert, wie sehr zurzeit versucht wird, mittels staatlicher Logistik und stattlicher Hightech-Medizin die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen und wie die mediale Berichterstattung sich diesbezüglich ins Zeug legt. Wenn nun aber das Virus den Menschen Angst macht – und diese bekanntlich lähmend wirkt, dann finde ich das schlecht, weil diese Umbruch-Zeit inspirierende Innovationen braucht. Wäre es demnach nicht besser – statt Angst zu schüren -, die Menschen aufzuklären, z.B. wie sie sich auf ein ständiges Auftreten neuer Erregerformen einstellen können?

Darüber hinaus aber, so meine ich – würde vielen Menschen es nicht schaden, mehr darüber zu erfahren, wie sehr kriegerische Konflikte, Atomenergie (sowie ein hoffentlich nie eintretender Gebrauch von Atomwaffen) und regelmäßig auftretende Pandemien die Lösungskapazität für die anstehenden, wirklich großen Herausforderungen unserer Zeit im Bereich der Ökologie (Klimawandel!) einschränken. Hierin sehe ich die demokratische Chance, von der Wintersteiner spricht – die einzelnen Menschen nicht ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und Umwelt zu entheben, aber auch die Medien nicht ihrer Verantwortung gegenüber den Bürgern.

*https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2132202-Die-Corona-Kluft-als-demokratische-Chance.html

** Ilse Kleinschuster ist engagiertes Mitglied der Initiative Zivilgesellschaft und der Vereinigung für Medienkultur

Lösungsorientierter Journalismus

Konstruktiv und kritisch sind Ziele für den Journalismus. Eine gute Theorie ist wertvoll, auch wenn die Praxis noch nachhinkt.

Hans Högl

„Vor zehn Jahren war der Widerstand noch groß. Als ich (Michael Gleich -Buchautor und Journalist bei WDR, Natur und Geo) den Fokus meiner Berichte auf Umwelt und Frieden als konstruktiv bezeichnete, entrüsteten sich Kollegen: „Heißt das etwa, dass wir destruktiv sind?“

Nein: Weil der Einzelne sicher die besten Absichten in der Berichterstattung verfolgt. Und ja, weil der mediale Hauptstrom einseitig ausgerichtet ist: auf das Negative, das Mißlingen, das Fehlerfinden. Kriegsherren bekommen tendenziell mehrer Sendezeit als FriedensstifterInnen.“ (Text aus dem Branchenblatt: Der Journalist).

Krise, Krise und Good News – Gute Nachrichten

Hans Högl

Aufgrund von starker Nachfrage liefert die Deutsche Presse-Agentur (dpa) nun auch Nachrichten, die sich objektiv als positiv bewerten lassen. Unser Blog www.medienkultur.at hat seit Langem die Rubrik „Good News“. Z.B. findet sich dort im Archiv eine bemerkenswerte Aussage des Deutschen Fußballtrainers:

Joachim Löw- Deutscher Bundestrainer- Was im Leben zählt

Was im Leben zählt. Botschaft des deutschen Fußballtrainers J. Löw

oder dass es in Dänemark gelungen ist, die Pestizide in der Landwirtschaft zu verringern.

Es gibt bereits im Journalismus zwar recht theoretisch den neuen Ansatz des Konstruktiven Journalismus, um aus der Negativspirale herauszutreten, indem neben kritischer Berichterstattung Lösungsansätze geboten werden. Dänemarks öffentlicher Rundfunk ist darin Vorreiter. Und es wurde betont, dass die ausschließlich negative Darstellung öffentlichen Lebens demokratiegefährdend ist. Insgesamt ist von konstruktivem Journalismus in Österreich wenig zu merken.

Ein Einwand: Ganz neu ist in der Corona-Krise das bisher in Medien wohl bisher extrem selten ausgedrückte starke Lob -auch im Boulevard- für Pflegeberufe, für Ärzte und Krankenschwestern, für Lehrkräfte und vereinzelt für Landwirte. Dies sind Berufe, die im Vollsinn systemrelevant sind. Arbeiter und Angestellte wurden nicht genannt. Übrigens: Eine ausländische 24-Stunden-Pflegekraft verdient am Tag 50 €, wie mir glaubhaft eine Pflegerin mitteilte. Und es ist ein Fall bekannt, wo eine Pflegerin für ihre aufopfernde Tätigkeit als Lohn die kleine Wohnung der Verstorbenen als Erbe erhielt.

Der Haupttrend in Alltagsgesprächen und auch im Journalismus besteht zweifellos in der wertvollen Analyse kritischer Zustände, aber auch im Negativismus und auch in der steten Haltung: „Ich klage an!“- Ich fordere von anderen…..

Ein Silberstreif am Horizont

Unsere Welt befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Wir sollten die Corona-verursachte Rezession als einen Aufschub für das Ökosystem erkennen (und anderen helfen, sie zu erkennen), als eine Bühne, auf der die Wirtschaft von morgen stehen wird. Gepaart mit konstruktivem Journalismus.

Ilse Kleinschuster ( Gastkommentar )

Je gesünder das Ökosystem ist, desto gesünder wird die Wirtschaft sein. Warum also rennen, um alles wieder aufzureißen sobald wir den Höhepunkt der Pandemie überwunden haben?!? Könnte es sein, dass viele Bürger an der sozialen Front, wenn die Pandemie einmal abgeklungen sein wird, sich denken: „Meine Güte, in gewisser Weise war es während der Rezession schöner. Der COVID-Teil war schrecklich, aber die Ruhe war unglaublich. Die Zeit mit der Familie erwies sich als unbezahlbar! “ Auf der anderen Seite derselben Medaille denken sich wiederum viele: „Nun, wir haben die Pandemie hinter uns, aber jetzt geht es zurück zum Wettrennen und all dem Lärm, dem Verkehr und dem Stress.“

Jetzt wo wir so viel Zeit haben, sollten wir uns doch mehr der Frage widmen, ob denn nicht die deutlich zutage gekommenen Vorteile einer langsameren und geringeren Wirtschaftstätigkeit ermutigend sein können. Der Silberstreifen – gemeint ist der kurze Aufschub von den Verwüstungen eines außer Kontrolle geratenen BIPs, das untrennbar in das Umwelt- und Sozialgefüge von 2020 eingewirkt war. Wir täten gut daran, ihn wertzuschätzen und beizubehalten, wir sollten ihn nicht entfernen und verkaufen, sobald wir die Chance dazu haben. Mithilfe einer neu entwickelten Wertschätzung wirtschaftlicher Mäßigung können wir uns gezielter einem post-Wachstum, einem stabilen Wirtschaftssystem zuwenden, das auf „unseren“ Planeten passend zugeschnitten ist.

Wird der Silberstreifen am Horizont überhaupt wahrgenommen – oder machen wir ‚ÖKOS‘ uns da was vor -?

Warum ist die Nachhaltigkeit noch nicht wirklich in der Öffentlichkeit angekommen? – Macht vielleicht das Wissen um diese Chance ängstlich? Ist es vielleicht die Ursache für all die „alternativen“ Theorien, die jetzt entstehen? Ist es nicht irgendwie „menschlich“, wenn wir auf eine Welt, die sich so stark verändert, mit Fluchtgedanken reagieren – ich meine Flucht nicht nur vor den Herausforderungen und Zumutungen, sondern auch vor den Chancen im Hier und Jetzt – und der damit verbundenen Freiheit?!? Flucht ins Virtuelle, denn, bitte, wohin auf diesem „begrenzten Planeten“ könnte man heutzutage noch fliehen wollen? Also wenn ich nicht fliehen kann, dann ziehe ich mich eben zurück – wie’s ja die Schnecke z.B. gut vorführt! Wenn bis noch vor kurzem demokratische Werte, die universellen Menschenrechte, vorbildlich gewirkt haben, so werden sie jetzt attackiert. Ja, hier wird vielfach eine perfide Strategie eingesetzt, indem Freiheiten von offenen Gesellschaften ausgenutzt und deren Stärken in Schwächen umgewandelt werden. Die unsäglichen Legenden, die um wissenschaftliche Erkenntnisse kursieren: sei es um die Leugnung des menschengemachten Klimawandels oder die Furcht vor dem Impfen. Wissenschaftsfeindlichkeit ist die Folge, populistischer Anti-Intellektualismus – und vonseiten einer populistischen Politik wird mit „Maulkorberlässen“ und Drohungen gegen liberale Universitäten reagiert, wie z.B. die Schließung der von der George Soros Stiftung finanzierten Universität in Budapest es zeigt. Sicher, es ist nicht so, dass Wissenschaft „die“ Wahrheit liefert, aber Wissenschaft liefert doch viel mehr unterschiedliche Anhaltspunkte und methodisch verlässliches Wissen.

Was tun, damit Fake News in ihrer aktuellen Bedeutung uns nicht über den Kopf wachsen? Wie sollen wir auf die dunklen Seiten des Informationszeitalters reagieren? –

Wir müssen aus ihnen lernen. Kritischer Journalismus tut dies ja bereits. Gegenüber gezielten Falschmeldungen kann man als verantwortungsvoller Journalist nicht „neutral“ sein. Wenn Fake News geballt auftreten, dann bedeutet das die Bedrohung der demokratischen Öffentlichkeit, weil sie den Diskurs vergiften, Debatten manipulieren und die Wahrnehmungen verzerren – letztlich das politische Klima beeinflussen. Es ist zu vergleichen mit dem Begriff „Kipppunkt“ wie er im anthropogenen Klimawandel wissenschaftlich beschrieben wird, so der Journalist Patrick Gensing: „Ein „Shitstorm“ macht noch keinen politischen Klimawandel, aber Häufigkeit und Intensität nehmen zu. Das politische Klima hat sich bereits gewandelt, es ist ungemütlicher geworden, aggressiver. Gezielte Falschmeldungen wirken dabei als fatale Klimakiller, die irreversibel sind. Sie erscheinen, isoliert betrachtet, wenig bedrohlich, erst in einem größeren Kontext wird ihre toxische und zerstörerische Wirkung deutlich – und wenn die erwähnten Kipppunkte erreicht werden, könnte es zu spät sein.“

Fazit: In einer Welt, in der Fake News zum politischen Alltag gehören, ist konstruktiver Journalismus als „Vierte Gewalt“ wichtiger denn je. Und so sehe ich den Silberstreifen am Horizont auch als eine Wende im Transformationsprozess des Journalismus hin zu mehr Aufklärung, Bildung und Verantwortung, hin zu besserer Wahrnehmung jener Dinge, die das „große Ganze“ zusammenhalten.

( Analyse von Ilse Kleinschuster, engagiertes Mitglied der Vereinigung für Medienkultur )

Lob für den Kultur- und Informations-Spartensender ORF III

Hans Högl

Der TV-Sparten-Sender ORF III verdient, positiv hervorgehoben zu werden; denn er bietet eine Fülle, ja fast eine Überfülle von wertvollen Dokumentationen – so über Österreichs Kultur, Politik, Geschichte und über Europa. Manchmal würde man gern im Vorhinein in Printmedien ein wenig mehr erfahren, was in etwa der Inhalt der Filme und Reportagen ist.

Ich sah vor meiner Burgundreise den Film über Kaiser Maximilian und über seine Heirat mit Maria von Burgund.Der Geschichtsunterricht wäre wohl überfordert, abgesehen von der europäischen Bedeutung dieser Heirat – Näheres über die politischen Hintergründe dieser Vermählung zu vermitteln. Der Film veranschaulichte, welche Spannungen diese Heirat mit den Stadtherren in den Niederlanden auslöste und verwies auf die diplomatische Verwicklungen und führte zu einem Krieg mit Frankreich, das ebenso den Burgund für sich beanspruchte. Für mich blieb vorerst unbeantwortet, ob und inwiefern der Spielfilm auch den historischen Tatsachen entsprach. Das wäre vielleicht als Vor- oder Nachwort wünschenswert.

Am Samstag, den 12. Oktober 2019 Nachmittag, war die oberösterreichische Region Mühlviertel im Blick. Diese gilt wie das niederösterreichische Waldviertel als wirtschaftliche Randzone, angrenzend an Böhmen. Die ORF III Sendung brachte mutmachende wirtschaftliche Initiativen aus dieser durch Granit geprägten Landschaft – über Biolandwirtschaft, Hopfenanbau, Leinenweberei….Er zeigte, wie Menschen durch Kreativität selbst in Regionen mit wenig Industrie ihr Überleben sichern. Das war konstruktiver Journalismus im besten Sinne.

Ein Hinweise für unsere deutschen Leser: Das Mühlviertel ist zumindest geologisch dem Bayerischen Wald und dem niederösterreichischen Waldviertel ähnlich. Die Bezeichnung Waldviertel ist insofern irreführend, als es neben Wäldern auch Feldwirtschaft und Wiesen gibt.

Der Durst des Oppositionspolitikers

Matthias Strolz gründete die liberale Partei „Neos“. Als Ex-Politiker gab er einer Journalistin der Monatszeitschrift „Datum“ ein Interview und traf überraschende Bonmots (Hans Högl)

Aussagen von Matthias Strolz:

„Es gibt ein bis zwei Wochen im Jahr, in denen ich das Handy abschalte. Mit einer Art Notfallerreichbarkeitskette“.

„Frauen sind für mich nahe am Gottesbeweis“.

Als Oppositionsführer ist die Leitfrage“: Was kritisiere ich heute? Das tut mir nicht gut.“

NB. Diesen Eindruck bloßer Negativität erweckt auch Tagesjournalismus. Wenngleich konstruktiver Journalismus bekannt ist. Wie steht dies mit dem ORF-Spitzenmann Armin Wolf – trotz all` seiner Verdienste?

Die österreichische Monatszeitschrift „Datum“ bringt stilistisch hervorragende Reportagen mit Seltenheitscharakter -z.B. im Oktober: „Zehn Jahre Uni brennt“/ Zum Tierwohl – Was schulden wir dem Schwein?/ Wo das Glück wohnt. Finnland soll das glücklichste Land der Welt sein. Warum? / Künstliche Intelligenz führt den Krieg von morgen / Wie drei Bürgerrechtler gegen die Einschränkung unserer Freiheit kämpfen (aus Budapest, Linz, Warschau)..

Trommelfeuer von Katastrophen! Good News?

Hans Högl

Für diesen Text ließen wir uns von der Beilage „Journalisten Werkstatt“ im Fachorgan „Der österreichische Journalist“ 2018/ Nr 10 u. 11 inspirieren. Sicherlich: Medien berichten über Probleme, damit die Gesellschaft auf Abhilfe sinnen kann. Doch in Medien spiegelt sich eine kollektive Negativneigung. Ihre Überbetonung von Gewalt, Misslingen, Krise und Bedrohung ist wissenschaftlich belegt – so durch den Sozialpsychologen Roy Baumeister.

Fall a) 2016 gab es rund 40 Millionen Passagierflüge, und dabei ereigneten sich 10 Unfälle, bei denen Menschen umkamen. Wovon wird wohl berichtet?

Fall b) Das Grundgefühl vieler Bürger lautet: „Immer mehr Gewalt, immer mehr Kriminalität! “ Doch die Fakten der polizeilichen Kriminalstatistik zeigen ein völlig anderes Bild. Bestes Beispiel dafür ist ein Text von Beate Lakotta über „Die sicherste aller Welten“. Darin legte die Autorin die übertriebene Angst der Deutschen vor Gewaltkriminalität dar, die seit langem rückläufig ist. ( Spiegel-Beitrag Nr. 19/ 2018). Doch auch Medien verstärken vorhandene Ängste. Angst kommt von Enge. Verengte Wahrnehmung führt zu falschen Entscheidungen. Gleichzeitig entsteht Misstrauen gegen alle. Das ist die Stunde der Populisten (oft von rechts und auch von links).

In Medien soll nicht verschwiegen werden, was funktioniert. Wer nur im Scheitern wühlt, zeigt ein negativ verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Das sucht konstruktiver, lösungsorientierter Journalismus zu drosseln, zu überwinden. Über die Wahrheit erfreulicher Botschaften hat der schwedische Globalstatistiker Hans Rosling das Buch geschrieben: „Factfullness – Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie ist“. Ähnliches vertiefen Steven Pinker, Max Rosner und die Gapminder Stiftung.

Aber es gibt nicht nur Bücher darüber, sondern auch Praxisansätze. So die „Spiegel“-Rubrik: „Früher war alles besser“. Autoren stellen darin langfristige Entwicklungen zum Besseren vor. Oder es geht um Entlarven von publikumswirksamen Mythen. Claudia Spiewak, die NDR-Info-Chefredakteurin erfährt vom Publikum Dank für die Sendung „NDR Info Perspektiven“: Sie stellt Initiativen dar, die Mut machen, und weiß, dass viele Menschen das Trommelfeuer von katastrophalen und krisenhaften Nachrichten nicht mehr aushalten.

Linda Hinz, die stv. Chefredakteurin von „Focus Online“, berichtet von ähnlichen Bestrebungen. Doch es gilt intern Vorurteile zu widerlegen, nämlich: a) Kritischer Journalismus bliebe auf der Strecke b) schlechte Nachrichten würden ausgeblendet und c) dass Leser nicht auf gute, sondern auf alarmistische Nachrichten klicken. Doch Frau Hinz stellt fest, dass die Verweildauer der User bei Konstruktivem besonders hoch ist.

Auch die ZDF-Sendung „Plan b“ am Samstag um 17:35 bringt lösungsorientierte Beiträge. Wir verweisen ferner auf die Zeitschrift „Publik Forum“. Sie versteht sich als kritisch-christlich-unabhängig und bringt mutmachende Aktionen – primär humane, kirchliche und ökologische.

Angst produziert? Tatort Deutscher Rundfunk. Die Deutschen sind Krimi-versessen. Fast jede Woche läuft «Tatort» auf ARD, dazu Krimiserien aus europäischen Hotspots, also auch Zürich. Zur täglichen Verbrecherjagd bläst auch das ZDF. Das kostet Geld. 210 Euro beträgt die Rundfunkgebühr pro Haushalt. Unser Feuilletonredaktor Daniel Haas in Berlin findet: viel Geld für miese Ausstrahlung. Mein Tipp zum Sparen: Der «Zürich-Krimi» ist so unzürcherisch wie bei uns eine Bratwurst ohne Senf. Zum Artikel (nzz online 2019-03-06

NB. Man brauch ja nur irgendwann und bei irgendwelchem Sender gucken,  immer wieder sieht man Schießereien. Das Ungewöhnlich ist ja, dass dies völlig selbstverständlich hingenommen wird.

Gute alte Zeit? Urteil über Medien

Hans Högl

Der Hamburger SPIEGEL hat wöchentlich eine kleine Spalte mit dem Titel:
„FRÜHER WAR ALLES SCHLECHTER“. So wies er kürzlich mit einer fundierten Statistik nach, dass die Anzahl der 100-Jährigen kontinuierlich wuchs: 1980 lebten in Deutschland 975 Menschen, die mindestens 100 Jahre alt waren, im Jahr 2000 waren es 5.699 und laut Demographen rechnet man in 20 Jahren mit 140.000 Menschen, die mindestens 100 Jahre alt werden(Der Spiegel, Nr.8/16.2.2019/p. 82).

Also: So schlecht kann es mit uns im Westen mit der Nahrung und Medizin nicht stehen! Obschon es immer wieder heißt: „Es wird alles immer schlechter“ und „die Konflikte spitzen sich immer mehr zu“. Im Sinne der Medienkultur begrüße ich die genannte Spalte im Abschnitt „Gesellschaft“ des SPIEGELs; denn sie entspricht der Forderung nach „konstruktivem Journalismus“.

Es geht nicht an, das Magazin „Spiegel“ und andere Medien g e n e r e l l negativ (oder auch positiv) zu bewerten. Wir erinnern aber an die kürzlichen Fehlleistungen. Seien wir im Reden vorsichtig mit generalisierenden Bewertungen über Medien – dies betrifft auch große Medienorganisationen wie die des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (ARD, ZDF,ORF). Es gilt zu differenzieren – und dies trifft in einem gewissen Sinne und in einem gewissen Ausmaß auch auf Boulevardmedien zu. Es kann darin nicht immer und überall Unsinn sein, wenn es von breitesten Kreisen rezipiert wird.

Scheitern – Lieblingsfokus von Medien am Beispiel Brexit

Hans Högl 

„Die politische Debatte sollte sich nicht darum drehen, was alles scheitern könnte“, sondern die Beteiligten sollten alle ihre Kraft darauf verwenden, dass die Verträge zu einem geordneten Brexit geschlossen werden. Der einzige Unsicherheitsfaktor sei das britische Unterhaus, erklärt der österreichische EU-Abgeordnete Othmar Karas.

Karas bezieht sich indirekt auf diverse Akteure – in der Verwaltung, auf Diskussionen im kleinen Kreis und ohne es beim Namen zu nennen auch auf Medien.

Vor einer Woche schien es um die britische Premierministerin sehr schlecht bestellt zu sein, als zwei Minister und fünf hochrangige Regierungsmitglieder zurücktraten, weil sie den Entwurf zum EU-Austritt Großbritanniens nicht mittragen wollten. Das wurde in Medien enorm hervorgehoben, aber fast völlig ging es in Medienberichten unter, dass das folgende Misstrauensvotum gegen Theresa May nicht die nötige Anzahl an Stimmen erhielt. May wird in einem Porträt der „Wiener Zeitung“ (24. Nov.) als entschlossen, unbeirrbar und doch auch als flexibel dargestellt. Sie ist eine Pfarrerstochter und studierte in Oxford Geografie.

 Vom Anliegen des konstruktiven Journalismus des dänischen Rundfunks spürt man hierzulande wenig. Es bleibt beim Geschäftsmodell der Medien, möglichst viel Angst zu produzieren und negativen Prognosen zu frönen, ohne sich Gedanken um konstruktive Lösungen zu kümmern. Man ist schon dagegen, bevor man sich ausreichend mit Sachverhalten auseinandergesetzt hat. In diesem Sinn wäre es wünschenswert, dass auch der Sinn von Regierungsvorlagen – in welchem Land auch immer, vorher ausführlich erläutert wird,  bevor die nötige Kritik daran geübt wird.

Es ist auch eine Zeitfrage angesichts der Hektik des Tagesjournalismus, sich mit 585 Seiten des Entwurfes über das Abkommen der EU zum Austritt Großbritanniens zu befassen.

Ja, dafür habe ich als Medienbeobachter Verständnis. Aber auf diese Neigung zum Pessimismus und zur Negativität der Medien, obwohl längst bekannt, darauf gilt es immer wieder hinzuweisen. Denn die Gläubigkeit versus Medien läuft parallel zur verbal vorschnell bekundeten Kritik an Medien.

Das Problem „Schlechte Nachrichten“ ist Personen wie Peter Klein, dem Ö1 Chef  bewusst (Ö 1-gehört, Radiomagazin/ Sept. 2018) und er räumt relativierend ein, wie es sein kann, „dass in einem reichen und vergleichsweise friedlichen Land wie Österreich so viele Menschen so vieles furchtbar finden“ und dass dies doch auch mit der Art zu tun hat, „wie wir, die Medien, Politik vermitteln“.

 

 

 

 

 

Keine Agrarprodukte von Afrika?

H a n s H ö g l

Erstaunliches lese ich eben im Wiener Gratisblatt „Heute“, noch dazu auf Seite zwei unter News Flash: Da heißt es auf sieben kurzen Zeilen: Deutschlands Entwicklungsminister Gerd Müller will einen Zollstop für afrikanische Agrarprodukte. Das irritiert mich. Ich finde Näheres in deutschen Medien, keinen Hinweis im „Standard“, aber eine Kurzmeldung in der Wiener „Presse“ fasst dies klar zusammen.

Es war ein flammender Appell, den der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller am Mittwoch in einem Interview in Richtung Brüssel äußerte: „Öffnet die Märkte für alle afrikanischen Güter.“ Nur wenn Europa Afrika in der Landwirtschaft zum Selbstversorger und Exporteur werden lasse, könnte sich dort die Wirtschaft entwickeln und Arbeitsplätze entstehen, so Müller weiter. Und das sorge dann auch dafür, dass der Migrationsdruck Richtung Norden geringer würde.“

Dies ist endlich wieder ein Zeichen von konstruktivem Journalismus, also im Sinne von Problemlösung, und der deutsche Minister verwendet Worte wie „öko-sozial und Global Marshallplan“ -wohl bezogen auf das subsaharische Afrika.  Es sind Ideen, die Josef Riegler, ein früherer österreichischer Minister, immer noch und wieder bei Vorträgen darlegt, aber Riegler sagt im kleinen Kreis:: „Die Eliten greifen meine Ideen nicht auf.“ Ob sich dies nach Jahrzehnten ändert? Riegler wird wie in Wien bei der „Berta von Suttner-Mission“ auch Ende September bei einem Kongress in Schladming darüber reden. Den Kongress organisiert EVAL, eine Gruppierung innerhalb der „Initiative Zivilgesellschaft“.