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Notstand

Udo Bachmair

Demnächst also soll ein weiter verschärftes Asylgesetz beschlossen werden, das in Österreich den Flüchtlings-Notstand erklärt. Getrieben von rechten Populisten in Politik und Boulevardmedien geht die SPÖ/ÖVP-Koalition allen Ernstes davon aus, der FPÖ mit einem scharfen Rechtsruck das Wasser abgraben zu können. Doch weit verfehlt.

Vor allem die SPÖ hat mit ihrer „Strategie“, einen radikalen Wechsel von einer humanen Flüchlingspolitik zu einer radikalen Abschottungspolitik zu vollziehen, totalen Schiffbruch erlitten.

Die österreichische „Sozialdemokratie“ unter dem glücklosen Vorsitzenden Werner Faymann hat gemeinsam mit der rechtspopulistischen Kronen-Zeitung zu einem nicht unwesentlichen Teil den fulminanten Erfolg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer mit verursacht und mit zu verantworten.

Die frühere SPÖ-Spitzenpolitikerin Brigitte Ederer hat es in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung auf den Punkt gebracht: „ Es bringt nichts, den Populisten nachzulaufen. Man muss Probleme dort lösen, wo es sie gibt, aber die Sozialdemokratie darf ihre Werthaltungen nicht über Bord werfen.“ Doch das ist offenbar bereits passiert.

Eine kleine Minderheit in der SPÖ – von der engagierten Jungsozialistin Julia Herr bis zu besonnenen „elder statesmen“ wie Wolfgang Petritsch oder Hannes Swoboda – hat längst vor dieser Entwicklung gewarnt. Vergeblich. Die Tore in Richtung Orbanismus erscheinen nun weit geöffnet.

Gerfried Sperl dazu in einem STANDARD-Kommentar: „Mit dem Etappensieg von Norbert Hofer zeigt ein hoher Anteil der österreichischen Bevölkerung eine Präferenz für die in Ungarn und Polen entwickelte autoritäre Politik: Schwächung der Parlamente, Aushebelung der Gewaltenteilung, Einschränkungen der Medienfreiheit“.

Und Gerfried Sperl weiter: „Wer in jedem Flüchtling einen islamistischen Terroristen sieht, macht die Angst zum Ratgeber und die Vernunft zum Irrlicht. Leider war diese Stimmung ausschlaggebend für die Wahlentscheidung. Sie wird in vier Wochen kaum zu drehen sein.“

Den Pessimismus des STANDARD-Kommentators wollen die Anhänger des Hofer-Gegenkandidaten Alexander Van der Bellen nicht teilen. Sie sind überzeugt davon, dass es trotz des Rechtstrends in Politik und Medien gelingt, die Mehrheit der Menschen bis zum 2. Wahlgang am 22. Mai für eine besonnene, humane und an Menschenrechten orientierte Politik zu gewinnen.

Notstand herrscht in diesem Land nicht wegen der Flüchtlinge, Notstand besteht für die Regierung, im Besonderen für eine Sozialdemokratie, die ihre Prinzipien aufgegeben hat. Im Notstand müsste sich eigentlich auch die ebenfalls nach rechts gerückte ÖVP-Führung sehen, die die mahnenden Stimmen bürgerlich Liberaler und Christlichsozialer bisher ignoriert hat.