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Verzerrte Weltsicht durch Negativ-News

Das Gute in Menschen dominiere, so argumentiert ein niederländischer Journalist und Historiker. Er sieht kritisch die Nachrichtenselektion- auch in Facebook, Google, Twitter.

Hans Högl: Zitate aus dem Buch „Im Grunde gut“ von Rutger Bregman

„Es gibt unzählige informative Formen des Journalismus, die einem helfen, die Welt besser zu verstehen.“

Doch der Autor sieht die nebensächlichen und sensationellen Kurznachrichten kritisch. „Acht von zehn Erwachsenen in der westlichen Welt konsumieren täglich Nachrichten. Im Schnitt verwenden wir eine Stunde pro Tag darauf. Das entspricht insgesamt drei Jahren in einem Menschenleben“.

Die Menschen sind anfällig für die Trostlosigkeit der Nachrichten -für „negativity bias“. Wir werden mit Geschichten von Flugzeugkatastrophen, Kinderschändern, etc. bombardiert, die man nicht so schnell aus dem Kopf bekommt, und das führt zu einer verzerrten Weltsicht (S. 32).

Und in Plattformen werden die extremen Seiten der Nachrichten noch weiter angeheizt.—Die Leute hinter Facebook, Twitter und Google wissen, worauf man klickt, was man am schockierendsten und gemeinsten findet. Sie wissen, wie man ihre Aufmerksamkeit fesselt, um ihnen dann die lukrativsten Anzeigen aufzutischen.

Angst vor digitaler Welt-was tun?

Hans Högl: Buchrezension
Andreas Barthelmess (2020) : Die große Zerstörung.Was der digitale Bruch mit unserem Leben macht, Berlin (Dudenverlag), 255 Seiten.

Digitale Giganten dominieren die Welt. Entgleiten den Staaten und der EU die Steuerung?Der 41-jährige Autor, IT-Unternehmer und Volkswirt,  macht sich Sorgen: um Deutschland, Europa, die Demokratie. Deutschland reagiere verzögert auf die Digitalisierung und riskiere einen Niedergang. Früher warnte man vor dem industriell-militärischen Komplex, heute werden IT-Giganten „zu Staaten über den Staaten“(p. 209). Diese Techno-Herrschaft gilt es auszubremsen. Ähnliches formulierte Yuval Noah Harari.

Die liberale Welt schwächelt angesichts von M. Zuckerberg (Facebook), Jeff Bezos (Amazon), Sundar Pichai (Google), Jack Dorsey (Twitter). Diese „Einhörner“ gefährden Demokratie, individuelle Freiheit, zahlen kaum Steuern, und FB hat mit der Digitalwährung Libra sogar die Notenbanken im Visier.

Vermögen wir Demokratie zu wahren? Die Aufgaben einer globalen Bürgergesellschaft werden allzu knapp angedeutet (p. 252). Der Autor formuliert ein Konzept für die Politik Europas. Eine Familie erwirbt ihr Haus mit einem Kredit auf viele Jahre. Analog braucht die EU für Großprojekte, um im IT-Bereich zu punkten, ein Zehnjahresbudget. Das Wort Zerstörung im Buchtitel lockt und irritiert, es meint Anderes als sonst, nämlich Disruption. Nein: Der Autor dämonisiert digitale Welt nicht, er sieht sie ambivalent.

Wir erfahren singuläre Impulse: Deutsche Politik ist zu bieder und nüchtern. Und viele Europäer tun sich schwer, dieses Brüssel-Europa zu lieben, einem Inbegriff von technokratischer Exekutive. Der Politik fehlen Storys, Glanz und Aura. Die Politikverdrossenheit der Bürger wird wohl zu pointiert bei den Parteien verortet. Die Hintergründe dafür sind multipel.

Das Buch vermag man kaum aus der Hand zu legen, es meidet intellektuell-selbstverliebte Faxen, ist oft prägnant wie im Satz: Likes sind „der Kristallzucker der sozialen Medien“ (p. 161). Es bietet Info-Neuland, und darum wäre ein Sachindex zu erwarten. Ein Seufzer am Ende der Lektüre: Schade, dass sie endet.

 

Übermacht der Digitalisierung u. Folgen

Hans Högl. 2. Teil der Rezension des Buches von Y. Harari: Homo Deus

Um Missverständnisse über den 1. Teil der Rezension zu klären, klammern wir nun die Positiva der Digitalisierung aus, die Harari aufzeigt, und verweisen gleich auf die Folgen der Digitalisierung und über jene, welche als Supergehirne die Künstliche Intelligenz handhaben. Harari befürchtet darum eine Spaltung der Menschheit in eine Superelite, welche die künstliche Intelligenz meistert und in eine Masse unbedarfter Menschen. Dies hat dann zur Folge, dass ganz wenige quasi alles besitzen und alles beherrschen werden. Dem stünde die übrige Menschheit ohnmächtig gegenüber, und selbstverständlich wäre dies das Ende der liberalen Demokratie, wie Harari dies explizit in seinem Buch darlegt. Scheinbar hat er dieses Thema bei seinem Europaaufenhalt vermieden, weil dies einer langen Erklärung bedarf. Das ist kurz die These von Harari. Vielleicht hat er bewusst provoziert. Aber lassen wir das einmal als These stehen. Was ja nicht heißt, dass wir das so akzeptieren, im Gegenteil.

Was kann gegen eine solche Gefahr getan werden? Ein paar Beispiele als Antwort zuerst auf individueller Ebene: – Der junge Jurist Max Schrems hat es bisher mit Erfolg als Einzelner gewagt, den Kampf gegen Face Book aufzunehmen.

– Als sich ein tunesischer Gemüsehändler 2010 aus Protest anzündete, kam es zu Unruhen in Tunesien, und die 34-jährige Tunesierin Lina zögerte nicht lange und schrieb einen Blog darüber, publizierte Bilder darüber. Sie tat etwas, was die tunesische Regierung nicht zugelassen hätte, kämpfte gegen Vorurteile. Vier arabische Bloggerinnen wurden wichtig für den Verlauf des Arabischen Frühlings. (Arte Magazin).

Die Internetsucht ist nicht Ursache, sondern Symptom von Massenvereinzelung; doch immer mehr stellt sich heraus, dass die virtuelle Welt die reale nur bedingt ersetzten kann. „Ein kleiner, aber wachsender Teil von Menschen, die sehr internet- und digital affin waren, steigen aus diesem Zustand wieder aus“, konstatiert der Zukunftsforscher Matthias Horx.

Aktionen von Institutionen und gesellschaftlich: Seit Neuestem löscht Google heikle Inhalte. UND AUF FACEBOOK DARF DIE VENUS VON WILLENDORF NICHT MEHR GEZEIGT WERDEN, SIE IST EIN OPFER DES ZENSUR-ALGORITHMUS GEWORDEN.

Die EU-Kommissarin Margarethe Vestager verhängte über Google wegen Wettbewerbsverzerrung eine gewaltige Strafe von 9,3 Mrd €. Das ist der Gewinn eines Quartals von Google. Das tut nicht extrem weh. Aber immerhin. Wer hat geglaubt, dass es möglich wäre?

Viktor Mayer-Schönberger (Prof.in Oxford) sieht die Entwicklung der Interetplattformen zu Monopolen: 80 % der weltweiten Suchanfragen laufen über Google,3/4 aller mobilen Chats laufen über FB, 55 % der Produktsuchen laufen über Amazon. Google und FB vereinen auf beiden Diensten 60 % der Online Werbung. Schönberger vergleicht dies mit Planwirtschaft. Er fordert, dass die großen Internetplattformen gezwungen werden, ihre Daten kleinen und mittelständischen Mitwerbern zur Verfügung zu stellen.- Es gibt Chancen für die EU zu reagieren. Auch Airbus war ein großer europäischer Entwurf, die Antwort auf Boing.

Zur gesellschaftlichen Ebene: Es gibt eine Sehnsucht nach Gehorsam und eine Angst vor Freiheit. Der Fatalist sagte: Diese Kultur ist am Ende. Es kommt die Katastrophe und der Komet. Wer dies akzeptiert, braucht nichts zu tun, erspart sich jede Mühe, jeden weiteren Gedanken und findet viel Zustimmung.

Doch: Wir können jenen die Macht entziehen, wenn wir ihre Macht nicht schlechthin akzeptieren. Und versus Harari ist zu sagen, dass die Menschen und die Zivilgesellschaft diese Entwicklung nicht hinnehmen sollen. Sie sind soziale Akteure und nicht nur Getriebene.

Abrundend ist zur Willensfreiheit zu sagen: Ich habe selbst entschieden – mit freien Willen, dieses Thema zu wählen. Und Yuval Harari war ebenso frei, sein Buch zu schreiben. Ferner: Jedes PC-Programm hat einen oder mehrere Programmierer, Ingenieure, Techniker. Auch die Algorithmen und die Künstliche Intelligenz sind nicht zufällig entstanden, sondern es sind komplexe Pläne. Hinter jedem Programm, auch wenn es nicht sichtbar ist, steht menschliches Planen. Der Mensch hat die Freiheit, auch fragwürdige Handlungen zu setzen, die uns irritieren wie im Theater Shakespeares mit einer Handlung aus dem 8. Jahrhundert, gemeint ist dieses blutige Schauspiel mit bösartigsten Intrigen und Mord wie in König Lear. Also: Es sind nicht nur Mechanismen, die die Welt regieren, ja sie gibt es, aber es bestehen auch Menschen, die zu handeln vermögen.

Gefahren aggressiver Sprache in Medien und Politik

„EU-Wahlkampf zwischen Fake und Fakten“ war der Titel einer gut besuchten Podiumsdiskussion der Vereinigung für Medienkultur. Als Nachlese im Folgenden ein weiterer Beitrag.

Hermine Schreiberhuber *

Aus der Sicht des Journalismus geht es im politischen Diskurs generell um den Inhalt und um die Form. Mit dem Wandel der medialen Mittel und der Macht der sozialen Medien gingen neue Entwicklungen einher, verbunden mit der Gefahr, dass oft mit Formen statt mit Inhalten operiert – und in der Folge manipuliert wird.

Bei der Sprache im politischen Diskurs ist eine Verschlechterung in der Anwendung
festzustellen. In der Arbeitswelt, bei öffentlichen Auftritten wird lockeres Outfit heute zunehmend akzeptiert. Doch im Umgang mit Worten ist Achtsamkeit unerlässlich. Das eine ist ein zu sorgloser Umgang mit der Sprache. Das andere aber ist eine bewusste Wortwahl, mit dem Ziel, zu emotionalisieren, zu provozieren. Politiker und Medien sind gefordert, sprachliche Sorgfalt walten lassen. Gerade in Wahlkämpfen.

Bei überzeichneter und aggressiver Wortwahl kommt in den sozialen Netzwerken oft ein Prozess in Gang, der viele Gefahren birgt. Falschmeldungen, Desinformation werden lanciert statt korrekten Inhalten. Fake News werden losgelassen, ohne Quelle und ohne Kontrolle. Diese wiederum rufen eine Hyper-Emotionalisierung hervor. Wieder stellt sich die Frage: Ist das gewollt, gesteuert? Oder ist das ungewollt, wie eine Lawine in der Natur?

Hasskommentare statt nüchterner Analyse sind oft Werkzeug solcher Manipulation. Sie werden blitzartig ins Netz gestellt, von Internet-Betreibern wie von Nutzern, finden aber auch in Online-Diensten von Printmedien Eingang. Denn Feedback und Meinung sind gefragt. Sozusagen nach dem Motto: „Jeder spielt Journalist“.

Fragwürdige Inhalte bedienen sich vieler Transportmittel. Dass Gefahren in Facebook und Google lauern, wird zunehmend thematisiert. Eine bestimmte Klientel wird gezielt ins Visier genommen. Zuletzt begann die Politik damit, legistische Maßnahmen zu ergreifen. Diese Thematik wird uns noch lange beschäftigen, weit über die Grundfrage hinaus: Braucht das Internet Einschränkungen oder sind staatliche Eingriffe Zensur?

Der Populismus setzt sich zum Ziel, den ohnehin schon emotionalisierten Bürgern
zu liefern, was sie wollen. Dahinter versteckt sich: Wir vermitteln keine Botschaft. Die sozialen Medien eignen sich perfekt für diese Zielrichtung. Die Thesen des Politik-Beraters Giuliano da Empoli, Autor des Buches “Les engenieurs du chaos” lauten:
Persönliche Teilnahme am Diskurs wird geboten oder vorgespiegelt, starke Gefühle wie Wut und Angst werden bedient.

Auf der anderen Seite liefern traditionelle Parteien keine zufrieden stellenden Antworten, während populistische Parteien/Strömungen von links und rechts die Wutbürger ansprechen. In einer Debatte geht es um beides – Vernunft und Gefühl.
Ein Paradebeispiel dafür bietet der Brexit, wo der Zuhörer und Zuseher oft nicht mehr zwischen vernunft- und gefühlsbetonten Argumenten unterscheiden kann. Empoli fordert „eine Balance zwischen Vernunft und Gefühl“ („Der Standard“).

Die politische Aktualität hat bisher bei der Themenwahl im EU-Wahlkampf nicht viel Spielraum gelassen. Nationalismen prägten den Diskurs, verbunden mit einer Abkehr von den Errungenschaften der EU, der kulturellen, religiösen, sprachlichen Vielfalt in den Staaten Ost- und West-Europas. Neben dem Prioritätsthema Brexit, dessen Lösung weiter offen ist, werden EU-weit Migration und Klima breit thematisiert. Im Westen nichts Neues? Zwischendurch einige Informationen über die katalanischen Separatisten. Im Osten nichts Neues? Allenfalls kamen Ungarn unter Orban und der Disput um die Soros-Universität vor.

Schade. Viele Medien sitzen auf den genannten Schwerpunktthemen. Es ist wie in einer Kettenreaktion. Ungefiltert wird viel hineingepackt. Gesellschaftspolitische und soziale Fragen sollten oft näher beleuchtet werden, ohne ideologische Hetze.

Bleibt zu hoffen, dass angesichts der Emotionalisierungsflut in den sozialen Medien bei den Usern ein gewisser Sättigungseffekt eintritt, dass sie zu voreingenommener Information wieder Abstand gewinnen. Bürger vermissen auch Authentizität bei den Politikern. Und der Bildungsauftrag für die junge Generation besteht weiter. Sie ist es, die die Zukunft gestalten wird.

* Mag.a Hermine Schreiberhuber ist langjährige APA-Journalistin und Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

Wer wird EU-Kommissionspräsident/in?

Gastbeitrag. NZZ-Online heute

Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ist die wohl mächtigste Frau in Brüssel. Die 50-jährige Dänin hat Google, Apple, Facebook und Co. mit Milliardenbussen das Fürchten gelehrt. Jetzt hofft Europas liberaler Superstar darauf, Nachfolgerin von EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker zu werden.

Wie mit Digitalisierung umgehen

Hans Högl

„Mensch und Digitalisierung“ war vom 15. bis 16. März das Thema des HipHaus-Symposions in St. Pölten (NÖ). Es referierten Hans Zeger, der bekannte Obmann der ARGE Daten, ferner Gabriele Sorgo, eine Anthropologin und Bernd Hufnagl, ein Neurobiologe und Hirnforscher. Maren Berka sprach zum „Thema: „Digitalisierung macht Spaß!?“ und war Ersatzreferentin für den Schriftsteller Niki Glattauer.

Welt der Daten. Ist-Zustand

Ich greife hier Einzelaussagen von Hans Zeger auf: Wir leben in einer Welt, die durch technische Wahrnehmung geprägt ist. 3,5 Milliarden Menschen haben Zahnbürsten, 4 Mrd. nützen Mobiltelefone, uns stehen rund 500 TV-Kanäle zur Verfügung, und es gibt täglich 5 Mrd. Face-Book Nutzer, und jeder von ihnen hat im Schnitt 400 „Freunde“.

Um alle Inhalte nur eines Tages von den verschiedenen Internet-Plattformen(„Social Media“) zu lesen, würde ein Einzelner 65.000 Jahre brauchen. Der Inhalt (content) sozialer Plattformen birgt oft Skurriles und vereinfachte Knalltitel. Hans Zeger: „Früher redeten Narren an Stammtischen, heute verbreiten sich Dummheiten weltweit.“

Folgen für uns

Wissen ist komplex und manche sagen, Wissen verdopple sich in kurzer Zeit. Hans Zeger: „Das ist Blödsinn!“; denn was zunimmt, ist die Quantität der Informationen. Suchmaschinen können quasi Bildungseinrichtungen sein, doch die Wenigsten wissen, wie man darin sucht, und es gilt zu fragen, was man wirklich braucht. Es ist auch eine Illusion, dass über Google das Relevanteste zu finden ist. „Es gilt im Heuhaufen des Belanglosen, das Wichtigste zu finden. Die Menschen haben einen großen Bedarf an echter Orientierung.

Es gilt, die Infos zu analysieren, die Quellen und die Interessen, die dahinter stecken, zu erkennen. Menschen brauchen Medienkompetenz und in der Bildung und Ausbildung braucht es nicht nur Vermittler von technischem Know How. In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass E-Mails am späten Vormittag so gegen 11 Uhr gesammelt bearbeitet werden sollten und nicht einfach jedes E-Mail sofort beantwortet wird, wie es häufig der Fall ist. Letzteres sei sehr fehleranfällig.

Mythos des Internet

Yuval Noah Harari – Texte aus seinem Buch „Homo Deus“

…..Und erlauben Sie Google und Facebook, all ihre E-Mails zu lesen, all ihre Chats und Nachrichten zu überwachen und all ihre Likes und Klicks zu speichern. Wenn Sie all das tun, dann werden Ihnen die Algorithmen sagen, wen Sie heiraten, welche berufliche Laufbahn Sie einschlagen und ob Sie einen Krieg anzetteln sollen (p. 531). 

Und Harari zeigt auf, dass uns Google und Facebook besser kennen als wir uns selbst. Und in diesem Fall – was politische Meinungen betrifft, so könnten somit Wahlen überflüssig werden und auch die Parlamente und die Demokratie; denn die Menschen würden erkennen, dass irgendwelche Kräfte die Welt bestimmen und nicht sie selbst.