Medien und Politik: Kurz polarisiert

Neuer starker Mann ?

Udo Bachmair

Messias, Heilsbringer, Erlöser, Alleinherrscher, Orban-Bewunderer, Österreichs Erdogan, etc.. So und ähnlich wird der große ÖVP-Hoffnungsträger Sebastian Kurz im Boulevard, vereinzelt aber auch in Qualitätsmedien, polemisch zugespitzt tituliert. Jedenfalls glaubt die ÖVP, der frühere (christlichsoziale) Inhalte verlorengegangen sind und die an ihrer schwerfälligen Struktur laboriert, nun also in einem „Dominator“ das Heil zu finden.

Ein Wunder nur und für viele überraschend, dass auch solche ÖVP-Politiker, deren Hausmacht Länder und Bünde sind, sich so ohne Weiteres demontieren lassen.. Geblendet von hohen Umfragewerten für den nun mit Allmacht ausgestatteten Jungpolitiker. Die Umfragehochs hat es zunächst übrigens auch für einen Karl Keinz Grasser oder einen Werner Faymann gegeben…

In der Serie der Kommentare zum „Umsturz“ innerhalb der einst staatstragenden Partei sticht besonders die nun folgende Analyse des Politikwissenschafters Anton Pelinka hervor :

Ist die ÖVP noch zu retten ?

Sebastian Kurz hat seine Partei abgeschafft und eine Forza Austria aus der Taufe gehoben: Sie dient als Applauskulisse für einen politischen Senkrechtstarter.

Von Anton Pelinka

(Aus der ZEIT Nr. 21/2017)

Die Idee hatten schon einige vor Sebastian Kurz. Erhard Busek etwa, der irgendwann in den dürren Jahren der Volkspartei die Auflösung und dann freilich die sofortige Neugründung dieser so mühsam zu führenden Partei empfahl. Sebastian Kurz ist da bescheidener: Er verlangt nur die Auflösung seiner Partei. Und diese hat nun mit demonstrativer Lust und Freude auf die zentrale Kompetenz, die einer Partei im System der parlamentarischen Demokratie zukommt, verzichtet – auf die Nominierung der Personen, die für einen Sitz im Parlament kandidieren.

Diese Aufgabe haben die schwarzen Granden nun an einen abgetreten, dem sie nur deshalb so blindlings vertrauen, weil er seit geraumer Zeit gute Umfragewerte hat. Ob sich die Liste Sebastian Kurz als reines Instrument persönlicher Ambitionen entpuppt, ob sie sich zu einer neuen Partei mausert oder ob hinter dem dynamischen Appeal nicht doch die alte Volkspartei wieder zum Vorschein kommt – für alles, was da noch kommen kann, hat die Partei die Verantwortung an eine einzige Person delegiert.

Nun hat die ÖVP ihren eigenen Dominator auf den Schild gehoben – ihren mit hoch gespannten Erwartungen ausgestatteten Retter aus der Not. Die ÖVP war es leid, seit Jahren immer nur als Dritte gehandelt zu werden. Dass Wolfgang Schüssel einmal aus der Position des Dritten das Kanzleramt erobert und dieses dann mit einem fulminanten Wahlsieg verteidigt hatte, das mag Kurz, den viele in der ÖVP schon als den Widergänger des letzten schwarzen Kanzlers sehen, als Muster vorschweben. Chancen auf solch einen Erfolg hat er auch – freilich wohl nur im Bündnis mit den Freiheitlichen.

Nach Anthony Downs – dessen Ökonomische Theorie der Demokratie aus dem Jahr 1957 eigentlich alle kennen sollten, die sich mit Politik beschäftigen – lassen Parteien und Politiker nichts unversucht, um einen Wahlerfolg zu sichern. Sie werden um des Erfolges willen alle Grundsätze über Bord werfen, die sie gestern noch beschworen haben, und alle Freunde opfern, die auf dem Weg zur Spitze noch nützlich gewesen waren.

Kurz soll also die Volkspartei retten. Freilich gleicht das, was die ÖVP gerade macht, einem Selbstmord aus Furcht vor dem Tod. Sie liefert sich einem Quasi-Erlöser aus, getrieben von der Angst, in einem Duell zwischen Kanzler Christian Kern und dessen blauem Herausforderer Heinz-Christian Strache unterzugehen und weit abgeschlagen vielleicht nicht einmal mehr als Mehrheitsbeschaffer für einen dieser beiden gebraucht zu werden.

Doch vielleicht ist noch nicht alle Hoffnung verloren

Nun kann er alles verlangen, wonach ihm der Sinn steht. Bünde? Die soll es de facto nicht mehr geben. Länder? Denen wird jeder Einfluss auf die Bundesliste genommen. Mit den Bünden und Ländern gibt die extrem föderal strukturierte ÖVP aber ihr Alleinstellungsmerkmal auf. Sie ist nicht mehr die ÖVP, die mit Leopold Figl und Julius Raab entscheidend die Republik gestaltet hat. Sie wird – falls es sie überhaupt noch auf dem Papier geben soll – zur Applauskulisse für eine Forza Austria. Erstaunlicherweise forderte Kurz bei dieser Gelegenheit aber nicht auch gleich das Durchgriffsrecht auf alle finanziellen Ressourcen der Volkspartei. Diese Zurückhaltung könnte sich eines Tages als Achillesferse der angestrebten Monokratie erweisen. Die Bundespartei ist vergleichsweise arm wie eine Kirchenmaus, die Länderorganisationen sitzen hingegen auf vollen Kassen. Als Rache für den Kotau, der ihnen abverlangt wurde, könnten sie ihren starken Mann langsam aushungern.

Welche Inhalte der neue starke Mann vorrangig umsetzen wird, kann man erahnen. Kurz hat es zustande gebracht, in einem einzigen Interview – mit der Süddeutschen Zeitung– Viktor Orbán hohes Lob zu spenden und die mit dem Namen Angela Merkel verbundene Flüchtlingspolitik Deutschlands als „gescheitert“ abzutun. Da merkt man, was dieser Mann nicht ist: einer, der eine stärkere EU anstrebt und ein Freund des europäischen Parlamentarismus ist. Denn sonst hätte er Viktor Orbán, der eben noch im Europäischen Parlament scharf kritisiert wurde – auch von den Abgeordneten der Europäischen Volkspartei –, nicht einen solchen Blankoscheck ausgestellt.

Dass Sebastian Kurz Wahlen gewinnen möchte, ist selbstverständlich. Und verständlich ist auch, dass er Überlegungen für eine Regierungsbildung danach anstellt. Dass ihm aber zum Wahlerfolg Macrons allem einfällt, „linke Politik wurde klar abgewählt“ und nicht der Neonationalismus des Front National besiegt, kann kein Zufall sein. Das war eine sehr durchsichtige Geste in Richtung der freiheitlichen Parteifreunde von Marine Le Pen. Die wird er wohl noch brauchen können – als Steigbügelhalter. Die Frage ist nur, wer dann wem die Zügel in die Hand drücken wird.

Wenn man die Zweite Republik Österreich insgesamt als Erfolg sieht – insbesondere im Vergleich mit den Misserfolgen und Katastrophen in den Jahrzehnten davor –, dann muss diese Selbstaufgabe der ÖVP traurig stimmen. Auch traurig, dass der neue Heiland, den die Volkspartei in dem talentierten jungen Mann zu erkennen glaubt, das Markenzeichen seiner Partei schon für so verbraucht und schädlich hält, dass er die Bezeichnung ÖVP nicht auf der nun nach ihm persönlich benannten Liste sehen will. So sehr schämt sich Sebastian Kurz für die Partei.

Doch vielleicht ist noch nicht alle Hoffnung verloren. Stellt man die durchschnittlich zu erwartende Boshaftigkeit von Menschen in der Politik in Rechnung, so wird der Triumph des Sebastian Kurz über seine Partei sehr viele in der ÖVP zähneknirschend und mit Groll im Bauch zurücklassen. Die warten nur darauf, dass irgendwann ihre Stunde schlägt. Dann werden sie aus der Applauskulisse heraustreten und sich gegenüber Kurz so verhalten, wie sich dieser gegenüber Reinhold Mitterlehner verhalten hat. Bleibt nur abzuwarten, ob es dann noch genügend Restsubstanz von dem gibt, was einmal die ÖVP war.

 

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