Archiv der Kategorie: VERANSTALTUNGEN

Ukrainekrieg und westliche Medien

Seitens Experten und MedienkonsumentInnen wird einseitige westliche Berichterstattung zur komplexen Causa Ukraine-Krieg zunehmend beklagt.

Udo Bachmair

Schauplatz Presseclub Concordia in der Bankgasse 8, 1010 Wien :

Großer Ansturm auf die von der Vereinigung für Medienkultur veranstaltete Podiumsdiskussion zum Reizthema „Krieg gegen die Ukraine und die Berichterstattung westlicher Medien“.
Es gab doppelt so viele Anmeldungen als Plätze in der Concordia frei waren.

Bei allen, die angesichts des großen Interesses an diesem Thema keinen Platz mehr im Saal bekommen haben, möchten wir uns entschuldigen. Als vielleicht kleinen Trost bieten wir Ihnen eine Aufzeichnung der erwähnten Veranstaltung an, die unter folgendem Link abrufbar ist :

https://we.tl/t-FItDNG5lGw

Gruß zum Jahreswechsel 2022/2023

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der Vereinigung für Medienkultur !

Auf diesem Wege Ihnen / Dir viel Glück, Gesundheit und Erfolg für 2023 ! !

Besuchen Sie uns auch 2023 auf unserer Website www.medienkultur.at , wo Sie wieder zahlreiche Kommentare und Analysen zum Themenfeld Politik und Medien unter besonderer Berücksichtigung von Medienkritik und Medienpolitik finden können.

Es ist gelungen, auch weitere Gastautoren zu gewinnen, die eine gute Ergänzung zu den Stammautoren Hans Högl und Udo Bachmair darstellen. Wir planen, 2023 den Stab an AutorInnen weiter auszubauen, der vermehrt auch Studierende vorwiegend aus den Bereichen Publizistik/Kommunikationstheorie und Politikwissenschaft umfassen soll.

In unserer Hauptversammlung am 13. Dezember 2022 ist ein bemerkenswerter personeller Zugang beschlossen worden. Dabei ist Univ. Prof. Dr. Fritz Hausjell einstimmig ins Präsidium der Vereinigung für Medienkultur gewählt worden. Der renommierte Publizistik- und Kommunikationswissenschafter übt damit die Funktion eines der beiden Vizepräsidenten der Vereinigung aus.

Die nächste größere Veranstaltung unserer Vereinigung ist eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung :

Wo: Presseclub Concordia, Bankgasse 8, A-1010 Wien

Wann: 24. Jänner 2023 Beginn: 18.30 Uhr

Thema: Westliche Medien und der Ukraine-Krieg.

Als Diskussionsteilnehmer bereits fix sind der journalistisch vorbildliche ORF-Korrespondent Mag. Christian Wehrschütz, der renommierte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Heinz Gärtner sowie der engagierte Friedensforscher Prof.Dr. Werner Wintersteiner.

Anmeldung unter stifter@medienkultur.at Herzlich willkommen !

2023 werden uns zusätzliche Kosten dadurch erwachsen, dass der Presseclub für Veranstaltungen seine Räumlichkeiten nicht mehr gratis zur Verfügung stellt. Auch in diesem Zusammenhang möchten wir Sie / Euch an den Mitgliedsbeitrag erinnern.*Sollte dessen Begleichung schon erfolgt sein, ein herzliches Dankeschön! Wenn nicht, bitte untenstehende Daten beachten:

*Erste Bank IBAN AT 31 2011 1300 0310 1325 ( Vereinigung für Medienkultur )

Mit Dank und einem PROSIT NEUJAHR

Udo Bachmair (namens der Vereinigung für Medienkultur)

Destabilisierung der politischen Fundamente

Fundamentalkritik: Hintergründe

Hans Högl

Die „Dämonen“ von Dostojewski hätten mehr Aussagekraft als die Botschaften von Karl Marx. Sicherlich: Eine sehr gewagte Aussage von Albert Camus. Das Wiener Burgtheater inszeniert den genannten Roman auf der Bühne. In Vorbereitung auf diese 4-stündige fordernde Dramatisierung griff ich auf die deutsche Übersetzung der „Dämonen“ zurück und befasste mich mit den Anarchisten am Ende des 19. Jahrhunderts im vorrevolutionären Russland. Ein Drahtzieher dieser Anarchisten, die Morde, Brandstiftungen und diverse Unruhen in einer Kleinstadt bei Petersburg in Szene setzten und sich in 5er-Komitees „verschwörten“ und die Gesellschaft in Angst und Schrecken versetzten, wurde gefragt, warum sie das tun. Dieser antwortete „eilig und eifrig“:

„Zum Zwecke einer systematischen Erschütterung der Fundamente; zum Zwecke einer systematischen Zersetzung der Gesellschaft und aller Elemente; um alle zu entmutigen und aus allem einen Mischmasch zu machen und, wenn dann die Gesellschaft auf diese Weise ins Wanken gebracht, krank und matt, zynische und ungläubig geworden sei, sich aber grenzenlos nach einem leitenden Gedanken und nach Selbsterhaltung sehne, sie auf einmal selbst in die Hand zu nehmen, indem man die Fahne der Empörung erhebe und sich auf ein ganzes Netz von Fünferkomitees stütze, die unterdes gewirkt, geworben und praktisch alle Kunstgriffe und alle schwachen Stellen, die man in Angriff nehmen könne, ausprobiert hätten.“
Zitat aus: Fjodor Dostojewski: Die Dämonen. Insel Taschenbuch, 2. Aufl. 2019, p. 919.

Diese Zielsetzung einer systematischen Zersetzung unserer demokratischen Fundamente und der Gesellschaft ist unausgesprochenes Ziel einzelner aktueller politischer Bewegungen – in den Jahrzehnten nach 2000 und davor. Sie kritisieren alles nur Denkmögliche und verfolgen eben diese Ziele wie die Anarchisten im vorrevolutionärem Russland.

Zur Lage von Österreichs Medien

Zu den Werbeerlösen des ORF und der Printmedien

Hans Högl

Über die aktuelle Lage des Medienstandorts Österreichs sprachen gestern von 15-17 Uhr ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und Gerald Grünberger, der Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen, in Wien-Meidling in der Politischen Akademie (ÖVP). Der Anlass: 50 Jahrfeier dieses Zentrums.

Zentraler Punkt des Gesprächs war die wirtschaftliche Situation. Während laut Weißmann der ORF zu zwei Drittel über Gebühren und zu einem Drittel über Werbung finanziert wird, ist das Verhältnis bei Printmedien anders: 45 % der Einnahmen resultieren über Werbung, 55 % über Abonnenten. Gerald Grünberger verwies auf die Verdoppelung des Preises von einer Tonne Papier. Sie kostet nun 1.000 €.

Ein kritischer Punkt sind die Werbeerlöse: 90 % der digitalen Werbeeinnahmen in Österreich gehen ins Ausland (meist an US-Plattformen), nur 10 % davon bleiben in Österreich. Und über diese zehn Prozent verhandeln der ORF und die Printmedien. Ein Interessenskonflikt zwischen dem ORF und den Printmedien ist das vielbesuchte ORF-Portal www.orf.at. Zentrales ORF-Argument, sein erfolgreiches digitales Portal zu behalten, ist die Intention, über diesen Weg junge Menschen für ORF-Fernsehen zu gewinnen, die kaum fernsehen. Dies betrifft die Alterskategorie der 12-29 jährigen, die pro Tag 4 1/2 Stunden das Handy nutzen. Und jedes zweite Kind hat im Alter von sechs Jahren ein Handy.

Der ORF versucht dieser Situation adäquat zu begegnen und plant, eine Young Audience AG für die 12 bis 29-jährigen zu bilden. Und der ORF-Direktor verwies darauf, dass nur 3 % der ORF-Mitarbeiter im Alter unter 30 sind.

Seit dem 20. Juni ist das umstrittene ORF-Newscenter eröffnet. Laut Generaldirektor Weißmann werde einerseits inhaltliche Diversität zw. Radio und TV gesichert, gleichzeitig aber würden neue Synergieeffekte genutzt. Und dies würde gut angenommen, meint der ORF-Generaldirektor. Im ORF-Newsroom wird ein sogananntes Verifikations-Set aufgebaut, also zur Kontrolle von Fake news und Fake Fotos.

ORF-Generaldirektor Weißmann erwähnte, dass auf eine ausgeschriebene ORF-Redaktionsstelle 100 Bewerbungen eintreffen, hingegen sei es sehr schwer IT-Personal zu finden. Der Zeitungsverband versucht in Schulkursen Medienkompetenz zu vermitteln und erreiche 100.000 Schüler*innen pro Jahr.

1945: Landkrimi und Wirren in Alpenfestung

Hans Högl. Buchrezension.
Günther Marchner (2022): Das Innere des Landes, Salzburg. (A. Pustet).

Am Rande des steirischen Salzkammergutes lebt der Verfasser, in einer Landschaft mit Namen „Hinter“-Berg. Doch er werkt beruflich in der Stadt. Diese Doppel-Bödigkeit durchströmt das Buch, das man nicht so schnell aus der Hand legt, es hat einen Krimi-Spannungsbogen und gleichzeitig erfahren wir von Schicksalen in den letzen Monaten des Zweiten Weltkrieges, von Nazi-Fluchten und -schätzen und dem bitteren Fall einer Erbgeschichte kleiner Leute.

Der Verfasser ist ein Ver-Führer. Erahnen die Leser:innen, dass er Fachhistoriker und Entwicklungsplaner ist? Flüssig, hintergründig und nicht unkritisch liest sich das Buch. Die gekonnt kurzen und verständlichen Sätzen fließen dahin, vertiefen quasi nebenbei Unbekanntes aus der Alpenfestung des Dritten Reiches. In der Erb- und Auswanderungsgeschichte bergen sich Wirren um 1945. Es ist eine Tief-Bohrung in diese prächtige Gegend mit einer Dreifaltigkeit von Bergen, Seen und Landschaft, doch anders als in „Sound of Music“.

Das Buch „Das Innere des Landes“ von Günther Marchner wurde kürzlich im Eike-Forum im Wolferlstall in Bad Mitterndorf mit Musikbegleitung von Toni Burger öffentlich präsentiert,und es wurde viel Interesse bekundet. Denn dem Autor gelingt es, in den Romankrimi geschickt Zeitgeschichtliches und Aktuelles eines reflektierenden Einheimischen einzuflechten.

Vordergründig haben wir eine spannende Story dazu, wie es einer Frau ergeht, die ein Haus erbt, das ursprünglich ihrem Mann gehörte, der in den letzen Kriegstagen 1945 stirbt. Dann trifft sie gerüchteweise das Wort Erbschleicherin… Sie wanderte nach Amerika aus, ihr Haus vermietet sie ohne Vertrag, und nach ihrem Tod sieht ihr Sohn John nach dem Rechten – bei einem Notar. Es blieb Einiges ungeklärt. Die Kriminalgeschichte hat eine doppelte Würze – das familiäre Drama und die einstürzende und sich neu eröffnende Welt um 1945.

Ein paar Texte zur Illustration:

Frau Gruber sitzt im Salettl und klärt John über Land und Leute auf. Sie: Ich bin hier aufgewachsen, aber eigentlich bin ich nicht von hier. Ich bin ländlich und zugleich städtisch, eine urbane Hexe. So lebe ich ..in einer Zwischenwelt. „Diese Gegend ist … eine merkwürdige Mischung aus bürgerlicher Urbanität und spielerischer Landromantik…“

Hier gibt es viel Eigensinniges, viele Spinner und Eigenbrötler, einen verbreiteten Widerstand gegen die unhinterfragte Übernahme alles Neuen (S. 43).

Ein Mann am Stammtisch meint: „In der Gegend wimmelt es von Historikern, akademischen, selbsternannten und volkstümlichen, Landschaftsverschönerern, Kritikern und Beschönigern, Aufdeckern und Zudeckern. Natürlich gibt es auch penible, wissenschaftlich geschulte Menschen mit kritischem Blick, die sich um mehr Transparenz zu den Leichen in den Kellern bemühen, lacht er.“ (S. 73)

Eventkultur und Osteuropa. Fotoausstellung

Fotojournalist zur Eventkultur und Osteuropa (Ukraine)

Hans Högl

Die bekannte Fotogalerie „Westlicht“- unweit vom Westbahnhof-(Kaiserstraße 49), zeigt bis 15. Mai 2022 Dokumentarfotos von Reiner Riedler, der auch im Centre Pompidou ausstellte.

Es wäre sehr verkürzt, zu sagen, diese Dokumentation handelt primär von Osteuropa (Ukraine und Albanien); denn dies ist nur ein Bruchteil der bemerkenswerten Ausstellung. Im Fokus sind Auswüchse der Eventkultur, Orte der Sehnsucht und Flucht aus dem Alltag, so auch ein ukrainisches Festessen und ein russischer Zirkus. Jedenfalls lohnt ein Besuch. Die Galerie „Westlicht“ bringt auch jedes Jahr die ausgezeichneten Pressefotos des Jahres.

Neue Medienförderung in der Schweiz ?

In der Schweiz wird am 13. Februar über ein neues Mediengesetz abgestimmt, das geänderte Kriterien für eine künftige Medienförderung vorsieht.

Hans Högl – (Unkommentierter und etwas gekürzter Text entnommen aus „NZ online“)

„Die staatliche Vereinnahmung von Medien ist eine reale Gefahr – wie groß ist sie beim neuen Mediengesetz. Die Unabhängigkeit der Medien kann durch staatliche Gelder untergraben werden. Dies zeigte sich in Österreich: Der vormalige Kanzler Sebastian Kurz musste jüngst zurücktreten, nachdem bekanntgeworden war, dass seine Entourage mutmaßlich mit Steuergeldern die wohlwollende Berichterstattung eines Boulevardblattes erkauft hatte.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Politiker aller Richtungen seit Jahrzehnten solche Regierungsinserate als Druckmittel benutzen. Die Forschungsliteratur hat dafür den englischen Begriff «capture», Vereinnahmung, geprägt.- Am 13. Februar stimmen die Schweizerinnen und Schweizer über das neue Mediengesetz ab. Die Forschung liefert wichtige Einsichten zur Frage, wann die Gefahr besonders gross ist, dass der Staat die Medien vereinnahmt – und wann eher klein. Erstens spielen aus theoretischer Sicht der Medienwettbewerb und die Medienvielfalt eine wichtige Rolle. Zweitens ist es für die Unabhängigkeit von Medien von zentraler Bedeutung, wie groß ihre Einnahmen aus kommerziellen Quellen sind. Es gilt das Motto: Unabhängigkeit muss man sich leisten können.“

( Neue Zürcher online 17.1.2022 )

Bildungsangebote für Politik und Medien ?

Erwachsenenbildung -Enge des Programmes

Hans Högl

Im Halbjahresprogramm der Erwachsenenbildung fand ich schöne Worte zum beiläufig ausgewiesenen Bereich Umwelt: Beruf/ Gesellschaft/ Ökologie/ Politik-

„So wie die Rückseite des Mondes, die man nicht sieht, gibt es die andere Seite unserer herkömmlichen Darstellung der Geschichte von Macht und Krieg und Herrschaft. Diese andere Dimension läuft immer mit, um die dürfen wir wissen, sie führt uns nach oben.“ Predigtworte: P. Gustav Schörghofer SJ

Diese Worte sind mehrdeutig. Ich greife e i n Verständnis auf, dass Medien wie der Mond nur die Vorderseite von Geschehen bieten. Doch in Bildungshäusern könnte Basis- und Hintergrundwissen geboten werden, auch über die Medienwelt und vertieft Zeitgeschehen. Was ist aber das Angebot? Kurse zur persönlichen Entwicklung, Gesundheit, Partnerschaft und Erziehung, Literatur und Kreativität -nichts von politischem Geschehen oder Medien. Ein Buchtitel von Kurt Remele drückt die Interessen vortrefflich aus: „Tanz um das goldene Selbst? Therapiegesellschaft, Selbstverwirklichung und Gemeinwohl“.

Hyperinflation- mutige Ausstellung in Stockholm

Hans Högl

Es überrascht, dass das Historische-und ökonomische Museum in Stockholm eine Sonderausstellung zur Hyperinflation bietet. Wer würde dies hierzulande so direkt und breit darstellen? Interessanterweise haben bei meinem Aufenthalt nur wenige Personen, diese Ausstellung besucht, während andere Museumsabteilungen überlaufen waren. Die Geschichte von Geldentwertung wird auch drastisch dargestellt- so mit einem Schubkarren, der voll mit Geldscheinen ist.

Eine Nebenbemerkung:Die Besucher Schwedens stellen fest, dass fast alles mit Bankomatkarte bargeldlos zu bezahlen ist. Nicht selten wird Bargeld direkt abgelehnt.

Wir in Österreich und Deutschland erinnern uns an die brutale Geldentwertung nach dem 1. Weltkrieg. Doch die Ausstellung in Stockholm zeigt informativ auch Geldentwertungen in diversen Ländern -so in denen Lateinamerikas – wie in Argentinien und Brasilien. Dies sind Länder, die sich immer wieder überschuldet haben und dann ihre Währung gegenüber dem Dollar massiv abwerteten. Ich erfuhr dies bei einem Brasilienaufenthalt, als die Währung in einem Jahr um 100 % abgewertete wurden. Eliten Lateinamerikas haben oft privat ihr Dollarkonto und einen Sitz in Florida (Miami).

In diesem Sinne erinnern wir uns an ein Ereignis von August 1971. Mitte August 1971 beschlossen die USA eine radikale Neuordnung des weltweiten Währungssystems. Und diese Maßnahme ereignete sich nicht zufällig an einem Wochenende. Damit brachen die USA ihr Versprechen, den Dollar jederzeit in Gold umzutauschen.

In der Coronakrise erfuhren wir überaus oft die Forderung, dass der Staat hilfreich soll. Ja – das ist gut so, aber selten wird gewarnt, dass ein Staat sich finanziell überfordern kann. Die Schweizer Bundesbank rechnet damit, dass es zehn Jahre bedarf, um in der Schweiz die höheren Staatsausgaben der Coronazeit auszugleichen.

Das „Gretchen“ in der „Faust“-Oper als Kurtisane

Kulturkritik in der wenig bekannten Monatszeitschrift „Der neue Merker“

Hans H ö g l

Dass Kulturleben in Österreich und nicht zuletzt von Wien genießt im deutschsprachigen Raum große Wertschätzung. Und so kommt der Kulturpublizistik großes Gewicht zu. Bekannt ist, dass wegen Kulturkritikern viele Jahre Aufführungen von großen Komponisten verhindert wurden. Nun aber zu einem anderen Thema, das auch als Exempel für diverse Bühnenstücke gelten kann.

Ein Sänger eine großen Wiener Bühne machte mich auf die exquisite Monatszeitschrift „Der neue Merker“- Oper und Ballet in Wien und aller Welt- aufmerksam. Hier entdeckte ich eine differenziert- ausführliche, vierspaltige und mutige Besprechung der Oper „Faust“ in der Wiener Staatsoper. Die Oper wurde in dem meist hervorragenden Kultur- und Informations-Spartensender ORF III übertragen, und wir in der Familie konnten die Übertragung sehen und die Musik genießen. Dazu „Der neue Merker“: „Nur positive Eindrücke hinterlässt das Musikalische dieses Abends“.

Doch nun zu Faust und zur Regie von Castorfs „Gretchen“: „Unerklärlich ist, warum der Regisseur seine Marguerite vom unschuldigen, keuschen Mädchen, welches laut Libretto tugendhaft in isolierter Schlichtheit lebt, zu einer schillernden Kurtisane mit Männererfahrung umwandelt. So passt der gesungene Text („Salut, demeure chaste et pur“) über Fausts Symbol der göttlichen Reinheit und purer Bescheidenheit absolut nicht zum Auftritt einer Frau im freizügigen, hautengen Trägerkleid mit Pailletten, das besser ins Moulin Rouge passen würde“ (so schreibt die Rezensentin Susanne Lukas).

Wir bringen dies Exempel als Frage, wie weit geschichtliche Bühnenvorlagen an die heutige Welt angepasst werden sollen oder wo eine Grenze überschritten wird.