Archiv für den Monat: Mai 2017

Der ORF und die Bedrohung von innen

Udo Bachmair

Es ist gut, dass es den ORF gibt.

Trotz berechtigter Kritik an bestimmten Entwicklungen, wie etwa der Fehlentscheidung, Ö 1 aus dem Funkhaus zu verbannen. Trotz gewisser Schwächen vor allem der außenpolitischen Berichterstattung, die sich inhaltlich vom westlichen Mainstream, Beispiel Syrien, kaum unterscheidet. Und nicht zuletzt trotz parteipolitischer Zugriffe, die allerdings bei engagierten ORF-JournalistInnen immer wieder ins Leere gehen.

Gerade in den ORF-Informationsbereichen hat die Ära von Generaldirektor Alexander Wrabetz den Redakteurinnen und Redakteuren des Hauses einen beträchtlich größeren Spielraum beschert. Klagen über politischen Druck von außen, wie sie vor allem in der Phase der schwarz-blauen Regierung noch häufig waren, sind heute eher selten zu vernehmbar.

Gefahr lauert offenbar nun verstärkt von innen.

So geraten auch ORF-intern profund kritische Interviews , wie sie etwa vom stets gut vorbereiteten und engagierten ZIB 2-Anchor Armin Wolf geführt werden, immer öfter ins Visier. Da spricht der von der FPÖ unterstützte Online-Direktor allen Ernstes von „Verhören“ und einer „Anklagebank“ im Studio. Ähnlich, jedoch etwas abgeschwächt geäußert hatte sich zuvor der als „ORF2-Channelmanager“ vorgesehene SPÖ-nahe, angeblich auch FP-affine Salzburger Ex-ORF-Chef.

Die Äußerungen werden nicht nur innerhalb des ORF als Attacken gegen kritischen und investigativen Journalismus empfunden. Sie werden als demokratiepolitisch höchst bedenkliche Erscheinungen wahrgenommen. In dieselbe Kerbe schlägt ORF-Urgestein Peter Huemer. Bei der Concordia-Preisverleihung im Parlament in Wien hat er angesichts der Bedrohung von Freiheit und Unabhängigkeit des ORF zur Wachsamkeit aufgerufen.

Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hält der renommierte Journalist „für das bestmögliche und menschenwürdigste“, weil es die Menschen ernst nehme. Beim uralten Konflikt „unabhängiger Journalismus versus Parteieneinfluss“ gehe es um „ eine Frage unserer Demokratie. Denn dass die Verfasstheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks demokratiepolitisch wichtige ist, sollte außer Zweifel stehen. Wer es anders sieht, hat ein anderes Demokratieverständnis.“

Es ist also (doch) gut, dass es den ORF gibt.

(Der Text ist erstmals in der Internetzeitung „unsere-zeitung“ erschienen sowie in gekürzter Fassung als Gastkommentar im „Standard“)

Saint Exupéry: Ein großer Franzose und Nazigegner

Hans Högl – Kurzessay

Heute ist die entscheidende Wahl zum französischen Präsidenten. Ein Grund, an einen großen Dichter Frankreichs zu erinnern- an Saint-Exupéry. Und dies als kleiner Dank an dieses große Land Europas, das Deutschland die versöhnende Hand bot (vgl. unten: Europas Kurskorrektur).

Obwohl Saint-Exupéry ein eindeutiger Gegner der Nazis war, wurden seine Bücher in Deutschland weiterhin verkauft. Und aus dem Buch „Flug nach Arras“ wurde 1942 im besetzten Frankreich nur ein einziger Satz gestrichen: Hitler ist ein Idiot. Die Zeit war – über politische Grenzen hinweg – empfänglich für die ambivalente Melange aus modernen und antimodernen Elementen in St. Exupérys Büchern. Er feierte einerseits die Fliegerei emphorisch als den Traum, die Menschen der Welt näher zu bringen. Aber der Verehrung moderner Welt standen alte Werte gegenüber: Opferbereitschaft, treue Pflichterfüllung, Heldentum und Kameradschaft.

Saint Exupéry wollte mit der modernen Massengesellschaft nichts zu tun haben: Mit dem Flugzeug verlässt man die Städte und ihre seelenlose Rechnerei und findet auf anderem Weg die bäuerliche Wahrheit wieder. Man lebt mit Winden, Sternen, Nacht und Sand.

Der Dichter suchte buchstäblich das Weite: im Himmel, in der mächtigen Leere der Wüste und in den mystischen Gefühlen universaler Menschenverbundenheit. In seinem letzten Brief schrieb er – wir greifen auf das ZEIT-Magazin vom 6. Mai 1994 zurück: „Sollte ich abgeschossen werden, werde ich nicht das geringste Bedauern empfinden. Mir graut vor dem Termitenhaufen der Zukunft“. Die Zeit des Prinzen der Lüfte war vorbei.

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NGOs als Avantgarde. Staat hinkt hinterher

Hans Högl
Wir – die Vereinigung für Medienkultur – sind Mitglied des Dachverbandes Initiative Zivilgesellschaft.  In diesem Kontext erhielten wir folgendes Schreiben von
Doris Brandel und Franz Nahrada :
               „Die Zivilgesellschaft hat sich zunächst als Feuerwehr der Gesellschaft verstanden, überall dort intervenierend, wo die Not groß und das staatliche System träge oder tatenlos schien. So entstand die Armenhilfe, die private Fürsorge (besser: Sozialarbeit!). So entstand die Bewegung gegen den Hunger in der Welt und für Entwicklungsprojekte. Dann kam die Umweltbewegung, zugleich dann die wahrscheinlich kurzfristig größte der Bewegungen, die Friedensbewegung.
            Im Lauf dieser Interventionen entdeckte die Zivilgesellschaft schrittweise ihre Kraft und auch ihre Ohnmacht. Organisationen wie Amnesty entstanden, die Augenmerk auch nach innen, auf die zunehmend wahrgenommenen Schatten in unserer Gesellschaft, richten. Es wurde zunehmend klarer dass wir uns den Spielregeln dieser Welt zuwenden müssen – es genügte nicht mehr, Löcher zu stopfen. Organisationen wie ATTAC entwarfen neue Regeln für das Finanzsystem, die Gemeinwohlökonomie für das Wirtschaften.
       Doch wir stehen jetzt an einer neuen Schwelle: Wir müssen feststellen, dass auch der Prozess der Zielfindung in unserer Gesellschaft selbst erodiert und mangelhaft ist. Wir müssen uns dem Feld der Politik zuwenden. Es geht jetzt nolens volens – ums Ganze!“ Eine derartige Geschichte der Zivilgesellschaft zu schreiben wäre eigentlich notwendig, wenn wir die Dynamik und Entwicklung wirklich verstehen wollen …“
(Gastbeitrag von Doris Brandel und Franz Nahrada)